Erneute Vorlagefrage an den EuGH zu Verbandsklagen im Datenschutzrecht
Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 10. November 2022 erneut das Verfahren Verbraucherzentrale Bundesverband ./. Meta Platform Ireland Limited ausgesetzt. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 28. April 2022 den Weg für Verbandsklagen im Datenschutz geebnet hat, legt der BGH dem EuGH nun eine weitere Frage zum Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 2 DS-GVO zur Vorabentscheidung vor, diesmal zur Auslegung der Rechtsverletzung „infolge einer Verarbeitung“.
Hintergrund
Im Rechtsstreit rügte der Bundesverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer, dass die im App-Zentrum der Beklagten unter dem Button „Sofort spielen“ gegebenen Hinweise gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers verstoßen würden. Zudem beanstandete der Kläger, dass in einem abschließenden Hinweis eine den Nutzer unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung vorliege.
Wie bereits im Newsbeitrag vom 13. Juni 2022 berichtet, legte der BGH am 28. Mai 2020 dem EuGH durch Beschluss die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DS-GVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DS-GVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner Betroffener und ohne deren Auftrag gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.
Der EuGH entschied am 28. April 2022, entgegen der Auffassung des Senats des BGH, dass sich die Klagebefugnis aus Art. 80 Abs. 2 DS-GVO ergeben kann. Ein Verband könne zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten unabhängig von der konkreten Rechtsverletzung Klage mit der Begründung erheben, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer AGB verstoßen worden sei. Allerdings müsse die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen beeinträchtigen können.
Erneutes Aussetzen des Verfahrens und Vorlagefrage an EuGH
Nach der mündlichen Verhandlung am 29. September 2022 hat der BGH das Verfahren erneut ausgesetzt. Den Vorlagebeschluss vom 10. November 2022 stützt BGH maßgeblich darauf, dass die in Art. 80 Abs. 2 DS-GVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verbandsklage-Verfahren gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, nur für den Fall bestünde, dass der klagende Verband die Verletzung der Rechte einer betroffenen Person „infolge einer Verarbeitung“ geltend macht.
Der BGH führt aus, dass die dem Kläger in § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG eingeräumte Klagebefugnis sowohl in den persönlichen als auch sachlichen Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 2 DSGVO fallen muss. Als Verband zur Wahrnehmung von Verbraucherinteressen erfülle der Kläger den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 2 DSGVO. Jedoch lasse sich laut dem BGH die Frage, ob die Voraussetzungen des sachlichen Anwendungsbereichs erfüllt sind, nicht zweifelsfrei beantworten.
Dabei geht es dem BGH insbesondere um die Voraussetzung des Art. 80 Abs. 2 DS-GVO, dass die Rechte der Betroffenen „infolge einer Verarbeitung“ verletzt sein müssen. Es sei unklar, ob unter eine „Verarbeitung“ ebenfalls die in Rede stehende Informationspflichtverletzung hinsichtlich des Zwecks und des Umfangs einer Einwilligung falle. Es geht hier also letztlich um die Frage, ob die sich aus Art. 12 Abs.1 S.1, Art. 13 Abs. 1 lit. c, e DS-GVO ergebende Verpflichtung, der betroffenen Person Informationen über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger personenbezogener Daten in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln, unter den Begriff der „Verarbeitung“ i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO fällt.
Selbst wenn diese Informationspflichten von dem Begriff der „Verarbeitung“ erfasst sein sollten, stellt sich laut dem BGH die weitere Frage, ob eine Verletzung „infolge“ der Verarbeitung i.S.d. Art. 80 Abs.2 DS-GVO vorliegt. Die Formulierung „infolge“ könnte laut dem BGH darauf hindeuten, dass sich die Verbandsklagebefugnis auf Rechtsverletzungen beziehe, die das Ergebnis eines Vorgangs der Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO seien.
Fazit und Ausblick
Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH über die Vorlagefrage entscheiden wird. Der BGH hat bereits darauf hingewiesen, dass die Klagebefugnis im Streitfall möglicherweise im Ergebnis doch nicht mit Erfolg auf Art. 80 Abs. 2 DS-GVO gestützt werden könne.