Einigung zum Widerrufsbutton in der EU: Neue Herausforderungen für Unternehmen
Entgegen allen Beteuerungen auf nationaler und europäischer Ebene, Bürokratie abbauen zu wollen: Das digitale Verbraucherschutzrecht wird immer komplexer. Zwingende Verbraucherrechte, umfangreiche Informations- und Transparenzpflichten sowie detaillierte Vorgaben für allgemeine Geschäftsbedingungen stellen Unternehmen vor zunehmende Herausforderungen. Die rechtskonforme Gestaltung digitaler Geschäftsmodelle erfordert Expertise, Sorgfalt und kontinuierliche Updates. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Anforderungen drohen nicht nur Rechtsverlust und Maßnahmen des kollektiven Rechtsschutzes (z.B. Verbandsklagen), sondern mitunter empfindliche Sanktionen.
„Bestellbutton“, „Kündigungsbutton“ und bald auch „Widerrufsbutton“
Eine besonders praxisrelevante Neuerung wirft bereits jetzt ihre Schatten voraus: Die Ausübung des Widerrufsrechts soll künftig durch eine „Widerrufsfunktion“ in der Benutzeroberfläche (Webseite) des Anbieters erleichtert werden. Darauf haben sich der Europäische Rat und das Europäische Parlament in der geplanten Richtline über im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge geeinigt. Diese sieht die Einfügung eines neuen Art. 11a in die Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) vor, sodass die Neuregelung – anders als zunächst geplant – grundsätzlich alle Verbrauchergeschäfte im elektronischen Geschäftsverkehr betrifft. Zudem soll künftig nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h) der Verbraucherrechterichtlinie eine neue vorvertragliche Informationspflicht in Bezug auf „das Bestehen und die Platzierung der Schaltfläche für die Widerrufsfunktion“ gelten. Eine Sanktionsregelung für den Fall fehlender oder fehlerhafter Umsetzung gibt die Richtlinie dagegen nicht vor.
Buttons gehören inzwischen zum Standardrepertoire des digitalen Verbraucherschutzes. Den Anfang machte der sog. „Bestellbutton“ in § 312j Abs. 3 BGB, der die Verbraucher mit einer unmissverständlichen Beschriftung wie „zahlungspflichtig bestellen“ auf den bevorstehenden Vertragsschluss hinweisen soll. Auf nationaler Ebene legte der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2022 mit dem „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ nach und führte in § 312k BGB den „Kündigungsbutton“ ein. Die Umsetzung stellt weiterhin zahlreiche Unternehmen vor Probleme. Eine Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands kam im Januar 2023 zu dem Ergebnis, dass bei 72 Prozent der knapp 3.000 untersuchten Webseiten eine gesetzeskonforme Umsetzung fehlte.
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Der künftige „Widerrufsbutton“ geht in seinem Anwendungsbereich noch deutlich über den Kündigungsbutton hinaus, denn er betrifft nicht nur entgeltliche Dauerschuldverhältnisse, sondern alle Verbraucherverträge, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen werden und damit insbesondere auch sämtliche Kaufverträge im elektronischen B2C-Geschäftsverkehr. Die Bedeutung dieser Neuregelung ist in ihrer praktischen Bedeutung daher nicht zu unterschätzen. Es empfiehlt sich, die technische Implementierung frühzeitig zu planen.
Richtlinie über im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge
Die neue Richtlinie mit dem insofern etwas missverständlichen Titel betrifft demnach keinesfalls nur im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge, sondern enthält grundlegende Änderungen für das gesamte B2C-Geschäft im Online-Bereich. Nachdem der Rat den Standpunkt des Europäischen Parlaments am 23. Oktober 2023 gebilligt hat, ist die Richtlinie angenommen. Nach Unterzeichnung durch die Präsidentin des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates wird sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die 24-monatige Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten. Die nationalen Vorschriften sollen 30 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie zur Anwendung kommen. Es ist daher damit zu rechnen, dass Unternehmen im Laufe des Jahres 2026 einen entsprechenden Widerrufsbutton zur Verfügung stellen müssen.
Der Widerrufsbutton ist die praktisch wichtigste Neuregelung, die in die Richtlinie über im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge verpackt wurde. Die weiteren Neuregelungen betreffen etwa:
- den Anwendungsbereich und das „Sicherheitsnetz“ für Finanzdienstleistungen,
- die Vorschriften über die Offenlegung von Informationen und die vorvertraglichen Informationspflichten (wobei es den Mitgliedstaaten freisteht, in diesem Bereich strengere nationale Vorschriften zu erlassen),
- das Recht für Verbraucher, bei Verwendung automatischer Informationsinstrumente, wie z.B. Robo-Advice oder Chatbots, das Eingreifen einer Person verlangen zu können,
- den zusätzlichen Schutz der Verbraucher vor „Dark Patterns“ (einer Benutzeroberfläche, die zu ungeplantem Verhalten verleitet, wie etwa dem Kauf von Produkten, nach denen gar nicht gesucht wurde).
Auch für diese Neuregelungen gilt die 30-monatige Frist bis zur Anwendung, die mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der Richtlinie zu laufen beginnt.
Offene Umsetzungsfragen und praktische Herausforderungen des Widerrufsbuttons
Die beschlossene Einführung eines Widerrufsbuttons stößt in der Praxis zu Recht auf Kritik. Während unklar ist, ob ein solcher Button für Verbraucher (die ihr Widerrufsrecht bereits heute formlos ausüben können) tatsächlich einen echten Mehrwehrt im Sinne der Leitlinie „Digitaler Markt – digitaler Schutz“ bringen wird, stellt er Unternehmen im digitalen B2C-Geschäft einmal mehr vor erhebliche Herausforderungen. Es stellen sich bereits jetzt zahlreiche Fragen, die der nationale Gesetzgeber bei der konkreten Umsetzung der eher unausgereift anmutenden Vorgaben der Richtlinie neben den technischen Umsetzungsfragen (Programmierung der Schaltfläche) im Blick haben muss.
- Individualisierung des Widerrufsbuttons: Theoretisch dürfte jedem Verbraucher nur so lange ein Widerrufsbutton angezeigt werden, wie im Einzelfall auch tatsächlich ein Widerrufsrecht besteht. Dementsprechend sieht der geplante Art. 11a Abs. 1 der Verbraucherrechterichtlinie vor, dass die Widerrufsfunktion „während der gesamten Widerrufsfrist durchgehend verfügbar“ sein muss. Eine solche Individualisierung ist jedoch kaum umsetzbar, wenn der Widerrufsbutton zugleich „leicht zugänglich“ (also ohne Login) auf der Webseite zur Verfügung gestellt werden soll. Gleiches gilt für Gastbestellungen von Verbrauchern ohne Kundenkonto oder Bestellungen durch Unternehmer (B2B). Zudem müssten Unternehmen die Widerrufsfrist in jedem Einzelfall exakt berechnen, was angesichts des Umstands, dass etwa die dynamische Widerrufsfrist von 14 Tagen beim Verbrauchsgüterkauf erst mit dem Erhalt der (letzten) Ware und auch nur bei einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt, faktisch nicht umsetzbar sein dürfte. Dagegen würde die dauerhafte Anzeige eines Widerrufsbuttons den (falschen) Eindruck einer uneingeschränkten Widerrufsmöglichkeit erwecken und wäre unter Umständen sogar als wettbewerbsrechtliche Irreführung im Sinne von § 5 UWG zu bewerten. Jedenfalls müssten Unternehmen mit einem erheblichen Mehraufwand für die Bearbeitung unberechtigter Widerrufserklärungen rechnen, wenn der Widerrufsbutton angezeigt wird, obwohl überhaupt kein Widerrufsrecht (mehr) besteht.
- Vertragsschluss über von Dritten betriebene Webseiten: Ein weiteres Problem, das bereits aus der Diskussion über den (deutschen) Kündigungsbutton bekannt ist, ergibt sich in Fällen, in denen der Verbraucher den Vertrag nicht über die Webseite des betreffenden Unternehmens, sondern über eine Vermittlungsplattform schließt. Für den Kündigungsbutton hat der deutsche Gesetzgeber vorgesehen, dass die Plattformbetreiber ebenfalls einen entsprechenden Button vorhalten müssen, was die Unternehmen wiederum durch vertragliche Verpflichtungen sicherstellen sollen. Die Praxis hat hierfür eine „Link-Out-Lösung“ entwickelt, die den Verbraucher auf die jeweilige Unternehmensseite weiterleitet. Es bleibt allerdings das praktische Problem, dass das Unternehmen auf die (dauerhafte) Mitwirkung des Plattformbetreibers angewiesen ist, der selbst nicht Adressat der gesetzlichen Regelungen ist.
- Möglichkeit eines Teilwiderrufs: Der geplante Art. 11a Abs. 2 Buchst. b) der Verbraucherrechterichtlinie sieht für die Online-Widerrufserklärung lediglich „Angaben zur Identifizierung des Vertrags, den der Verbraucher widerrufen möchte“ vor. In der Praxis kommt es allerdings häufig vor, dass Verbraucher einen Vertrag über mehrere Waren oder Dienstleistungen schließen und nur teilweise widerrufen wollen. Diese Möglichkeit ist in Erwägungsgrund 37 explizit angesprochen, ihre praktische Umsetzung, die zwangsläufig weitere Angaben des Verbrauchers erfordern würde, jedoch nicht weiter spezifiziert.
Nach alldem ist zu erwarten, dass der Widerrufsbutton und seine Umsetzung weiterhin intensiv diskutiert werden. Unternehmen sollten sich gleichwohl frühzeitig auf die Umsetzung vorbereiten. Denn nach dem Beschluss auf europäischer Ebene stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Widerrufsbutton kommt, sondern nur noch, wann genau und mit welchen spezifischen Vorgaben aus dem deutschen Umsetzungsgesetz.
Haben Sie noch Fragen? Kontaktieren Sie gerne: Dr. Tom Billing und Dr. Sven Vetter