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Einführung einer Weg­zugs­be­steuerung für (Spezial-)Invest­ment­anteile im Privat­vermögen – was Fonds­anleger ab 01.01.2025 zu beachten haben

03.12.2024

Hintergrund

Das deutsche Steuerrecht sieht seit vielen Jahren eine sog. Wegzugsbesteuerung vor. Diese erfasst natürliche Personen, die insgesamt mindestens sieben der letzten zwölf Jahre in Deutschland ansässig waren, und die eine Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft iSv. § 17 EStG halten (d.h. Beteiligung von mind. 1 % zu einem Zeitpunkt in den letzten fünf Jahren). Der Wegzug wird als fiktive Veräußerung dieser Beteiligung behandelt und führt somit zur Besteuerung der in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven im Teileinkünfteverfahren (d.h. effektiver Steuersatz von ca. 28 %).

Die Wegzugsbesteuerung erfasst dabei nicht nur den tatsächlichen Wegzug aus Deutschland, sondern auch die Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland (unter Aufrechterhaltung eines deutschen Wohnsitzes) und die Schenkung oder Vererbung der Beteiligung an Steuerausländer (siehe dazu bereits unseren Blogbeitrag vom 29.04.2021). Praktisch herausfordernd ist die Wegzugsbesteuerung besonders bei hohen stillen Reserven und gebundenem Vermögen, weil Liquidität zur Steuerzahlung beschafft werden muss. Die Wegzugsteuer erweist sich vor diesem Hintergrund häufig als „Wegzugshindernis“.

Für Anteile an Investmentfonds iSd. InvStG gilt die Wegzugsbesteuerung bislang nicht. Das betrifft sowohl Investmentfonds in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften (z.B. Luxemburger SA SICAV, irische ICAV, deutsche Investment-AG) als auch in Vertragsform (z.B. Luxemburger FCP, deutsches Sondervermögen). Der Gesetzgeber hatte dies ursprünglich bewusst so entschieden, weil mit der sog. Vorabpauschale (für Investmentfonds iSv. Kapitel 2 des InvStG, „Kapitel 2-Fonds“) bzw. den ausschüttungsgleichen Erträgen (Spezial-Investmentfonds iSv. Kapitel 3 des InvStG, „Kapitel 3-Fonds“) Instrumente vorgesehen wurden, die eine dauerhafte bzw. langfristige steuerfreie Thesaurierung auf Fondsebene ausschließen.

Erstmalige Wegzugsbesteuerung bei Fondsanteilen ab 01.01.2025

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wird die Rechtslage verschärft. Wegzüge, Wohnsitzverlagerungen und unentgeltliche Anteilsübertragungen auf Steuerausländer können ab 01.01.2025 auch zu einer fiktiven Veräußerung von (Spezial-)Investmentanteilen führen.

Die entsprechenden Neuregelungen werden in das InvStG aufgenommen und orientieren sich im Wesentlichen an der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG. Entsprechend der unterschiedlichen Besteuerungsregime werden jeweils gesonderte Regelungen für Kapitel 2-Fonds (§ 19 Abs. 3 InvStG-E) und Kapitel 3-Fonds (§ 49 Abs. 5 InvStG-E) eingeführt.

Mit diesen Neuregelungen möchte der Gesetzgeber (vermeintliche) Besteuerungslücken schließen. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber Fälle vor Augen, in denen Unternehmensbeteiligungen mit (noch) geringen Werten in einen Investmentfonds iSd. InvStG „eingelegt“ werden (was grundsätzlich nur steuerpflichtig möglich ist) und der jeweilige Fondsanleger zu einem späteren Zeitpunkt ohne Anfall einer Wegzugsteuer aus Deutschland wegzieht.

In persönlicher Hinsicht erfassen die Neuregelungen (i) natürliche Personen, die (ii) in Deutschland mindestens sieben der letzten zwölf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren und (iii) die (Spezial-)Investmentanteile in ihrem steuerlichen Privatvermögen halten. Bei Kapitel 3-Fonds stellt eine solche Beteiligung von Privatanlegern eine Ausnahme dar. Natürliche Personen, die (Spezial-)Investmentanteile im Betriebsvermögen halten, sind nicht vom Anwendungsbereich der §§ 19, 49 InvStG-E erfasst. Für diese kann ein Wegzug aus Deutschland in der Regel (nur) dann steuerauslösend sein, wenn die Fondsanteile in der Folge nicht mehr dem inländischen Betriebsvermögen zuzuordnen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG).

In sachlicher Hinsicht betreffen die Neuregelungen Anteile an Kapitel 2-Fonds und Kapitel 3-Fonds, und zwar unabhängig davon, ob diese nach deutschem oder ausländischem Recht errichtet wurden und in welchem Depot sie gehalten werden. Betroffen sind damit auch beliebte Anlageprodukte wie Exchange Traded Funds. Ferner sind neben (regulierten) Investmentvermögen iSd. KAGB bzw. der AIFM z.B. auch sog. fiktive Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG (wie z.B. der Luxemburger SPF) erfasst. Da die Neuregelungen – anders als § 6 AStG – nicht die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, sondern an einem (Spezial-)Investmentfonds voraussetzen, erfassen sie neben Investmentfonds in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften auch Sondervermögen. Für Investmentfonds in der Rechtsform von Personengesellschaften findet die Wegzugsbesteuerung hingegen grundsätzlich keine Anwendung (mit Ausnahme von OGAW/UCITS-Personengesellschaften). Allerdings kann es bei diesen im Fall eines Wegzugs aus Deutschland zu einer steuerlichen Entstrickung nach den Regelungen für Betriebsvermögen kommen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG); bei vermögensverwaltender Ausgestaltung eines solchen Fonds kann eine Wegzugsbesteuerung aber in Bezug auf mittelbar gehaltene Anteile greifen.

Der Gesetzgeber möchte aber nicht sämtliche Anleger von Investmentfonds iSd. InvStG erfassen, sondern nur „gewichtige Fälle“. Vor diesem Hintergrund wird für Kapitel 2-Fonds vorausgesetzt, dass der Steuerpflichtige (i) entweder zu einem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % am Investmentfonds beteiligt war oder (ii) Anschaffungskosten auf die Anteile an demselben Investmentfonds iHv. mind. EUR 500.000 hat. Mit dieser Anschaffungskostenschwelle stellt der Gesetzgeber Fondsanleger im Ergebnis schlechter als „normale“ Kapitalanleger, was wertungsmäßig nicht nachvollziehbar ist. Irrelevant für den Tatbestand ist demgegenüber grundsätzlich der Wert der Anteile (z.B. abgeleitet aus dem Börsen- oder Rücknahmepreis) im Wegzugszeitpunkt. Privatanleger, die EUR 500.000 oder mehr in einen Investmentfonds investiert haben und einen Wegzug planen, sollten daher frühzeitig entsprechend diversifizieren. Noch gravierender ist die Rechtslage bei Anlegern von Kapitel 3-Fonds: Diese sind unabhängig von ihrer Beteiligungsquote oder den Anschaffungskosten von der Wegzugsbesteuerung erfasst, weil „generell von gewichtigen Fällen auszugehen“ und „zumindest ein faktischer Einfluss der Anleger auf die Geschäftstätigkeit“ des Fonds zu unterstellen sei. Letzteres überzeugt schon deshalb nicht, weil die KVG bzw. der AIFM bei Wahrnehmung des Portfolio- und Risikomanagements aufsichtsrechtlich (weisungs-)unabhängig ist (Fremdverwaltungsgrundsatz).

Steuerauslösend ist wie bei § 6 AStG eine Beendigung der unbeschränkten Steuerplicht in Deutschland, ein sonstiger Ausschluss bzw. die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (z.B. bei Verlagerung des Lebensmittelpunktes in einen anderen DBA-Staat) oder eine unentgeltliche Übertragung der Anteile an einen Steuerausländer. Die Wegzugsteuer entsteht allerdings nur, wenn ein fiktiver Veräußerungsgewinn anfällt – in Verlustfällen (d.h. wenn vereinfacht gesagt der Anteilswert im „Wegzugszeitpunkt“ unter den Anschaffungskosten liegt) entsteht daher keine Wegzugsteuer. Wird Wegzugsteuer ausgelöst, ist diese im Rahmen der Einkommensteuerdeklaration des Anlegers zu erklären; eine Pflicht zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer besteht nicht.

Die in § 6 AStG vorgesehenen Regelungen zur vorübergehenden Abwesenheit, zur ratierlichen Stundung der Wegzugsteuer und zu Mitwirkungs- und Nachweispflichten gelten grundsätzlich entsprechend. Somit kann nach künftiger Rechtslage auch bei Anteilen an (Spezial-)Investmentfonds eine ausgelöste Wegzugsteuer lediglich auf Antrag über einen Zeitraum von sieben Jahren ratierlich gestundet werden, und dies nach Auffassung der Finanzverwaltung in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung. Ausnahmsweise ist eine vollständige Stundung ohne Ratenzahlung möglich, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben (höchstens zwölf) Jahren nach Deutschland zurückkehrt (bzw. der unentgeltliche Anteilserwerber die deutsche Steuerpflicht begründet). In allen Stundungsfällen muss der Steuerpflichtige jährliche Nachweispflichten erfüllen und bestimmte Ereignisse nach dem Wegzug (Anteilsveräußerung, Ausschüttungen, die mehr als 25 % des Anteilswerts im Wegzugszeitpunkt entsprechen, u.a.) können zur sofortigen Fälligkeit der Wegzugsteuer führen.

Fazit

Mit der Einführung einer Wegzugsbesteuerung für (Spezial-)Investmentanteile schränkt der Gesetzgeber die Freizügigkeit natürlicher Personen einmal mehr ein. Wegzüge oder grenzüberschreitende Schenkungen und Erbfälle können ab 2025 nicht nur für Anteile an Kapitalgesellschaften iSv. § 17 EStG, sondern auch für Fondsanteile zu einer ungewollten Veräußerungsgewinnbesteuerung führen. Fondsanleger sollten daher frühzeitig ihr Portfolio auf entsprechende Risiken prüfen und bei Bedarf diversifizieren bzw. restrukturieren. Relevant ist dies nicht nur für geplante Wegzüge aus Deutschland, sondern auch für zeitlich unplanbare Erbschaften an im Ausland lebende Erben oder unter Umständen sogar Vermächtnisnehmer.