E-Health-Gesetzgebung in Deutschland
Zweck des E-Health-Gesetzes
Laut Bundesregierung verfolgt das E-Health-Gesetz folgende Zwecke:
Erstens die Unterstützung der zügigen Einführung nutzbringender Anwendungsmöglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte.
Zweitens die Etablierung der Telematikinfrastruktur (TI) mit ihren Sicherheitsmerkmalen als die zentrale Infrastruktur für eine sichere Kommunikation im Gesundheitswesen (auch um sie langfristig für weitere Anwendungen im Gesundheitswesen sowie für weitere Leistungserbringer zu öffnen).
Drittens die Verbesserung der Strukturen der Gesellschaft für Telematik (gematik), die Erweiterung ihrer Kompetenzen und letztlich die Verbesserung der Interoperabilität der IT-Systeme im Gesundheitswesen sowie die Förderung telemedizinischer Leistungen.
Die Bundesregierung hofft, dass mit dem E-Health-Gesetz die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen vorangetrieben und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Patientenversorgung verbessert werden kann.
Der Gesetzgebungsprozess – Stimmen dazu
Die Diskussion im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Gesundheitsdaten, die seit Jahren zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen kontrovers durchgeführt wird, nimmt langsam Fahrt auf. Am 13.01.2015 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den bereits für Ende 2014 angekündigten Referentenentwurf des Gesetzes zur Abstimmung an die Bundesregierung weitergegeben und zugleich öffentlich gemacht.
Die Reaktionen auf diesen Referentenentwurf waren unterschiedlich und überwiegend kritisch. So fasste bspw. Rainer Herzog als anerkannte Größe im e-Health- und m-Health-Sektor in einem Beitrag zum eHealth Summit Germany beim Hauptstadtkongress 2015 zusammen: „[Der Referentenentwurf] scheitert in der vorliegenden Form am Grundsätzlichen: Einen einheitlichen Rahmen und eine tragfähige Strategie für den Medizinstandort Deutschland zu entwickeln. Interoperabilität, intersektorale Kommunikation oder ein ganzheitliches Konzept zum Abschied von dezentralen und papiergebundenen Patientendaten. All dies kommt im Entwurf nicht vor […]. Das E-Health-Gesetz in der derzeitigen Form ist eine grandios vertane Chance."
Solchen Äußerungen wurde durch Änderungen an dem Referentenentwurf versucht zu begegnen, in dem bspw. die Regelungen zum Medikationsplan erweitert wurden (der Plan soll nunmehr nicht nur von Hausärzten, sondern auch von Fachärzten ausgestellt werden). Ebenso wurden die Fristen für die Entwicklung einer diskriminierungsfreien Nutzung der TI um ein Vierteljahr verlängert. Diese Änderungen haben an der grundsätzlichen Ausrichtung und Struktur des Gesetzentwurfs allerdings wenig geändert.
Trotz der (teils massiven) Kritik hat der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums den Sprung zu einem Kabinettsentwurf geschafft. Am 27. Mai 2015 wurde der Entwurf in den Gesetzgebungsprozess eingebracht – innerhalb der kommenden drei Jahre sollen nun die technische Voraussetzungen für die künftige elektronische Übermittlung von medizinischen Daten geschaffen werden (was u.a. zur Folge hat, dass ab Mitte 2018 Patientenstammdaten von niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten elektronisch verwaltet werden sollen und Ärzte eine gesonderte Vergütung für die Pflege der Daten erhalten werden). Wer sich an den technischen Neuerungen hingegen nicht beteiligt, muss mit finanziellen Einbußen rechnen.
Erwartungsgemäß blieb daher auch die Kritik an dem Regierungsentwurf des Gesetzes nicht aus. So sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Eigentlich müsste bei dem ganzen Projekt gelten: Die Kassen, und damit die Beitragszahler, sind diejenigen, die bezahlen, also sind sie auch diejenigen, die bestimmen. Das ist aber weder nach der bisherigen noch nach der neuen Gesetzeslage der Fall." An anderer Stelle kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, den Gesetzentwurf als einen „von den gesetzlich Versicherten bezahlter Turbo für Geschäftemacher".
Aktuelles Meinungsbild
Das Potenzial der Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft wird auch in Deutschland langsam realisiert, wobei nach wie vor viele Fragen offen sind. Während die Befürworter von einer schnellen Datenautobahn mit zahlreichen Vorteilen für Patienten und Leistungserbringer träumen, bleibt für Kritiker insbesondere die Großbaustelle Datensicherheit als ungelöstes Problem.
So wird insbesondere argumentiert, dass Gesundheitsdaten durch die vorgesehenen Mechanismen nach wie vor nicht hinreichend geschützt werden. Laut Claus Peter Kosfeld von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) müssen „die Patienten in ihren Zugriffsrechten auf die elektronische Gesundheitskarte (eGK) weiter gestärkt werden. Patientenorganisationen sollten einbezogen werden in die Entscheidung, wer Zugriff habe auf welche Daten." Auch müsse man die Frage klären, wie sichergestellt werden könne, dass auch die einbezogenen (IT-)Dienstleister sich an die Datenschutzregeln halten. Letztlich gehe es um die Sicherheit der gesundheitsbezogenen APPs, die bspw. für Smartphones oder Fitness-Anwendungen zur Verfügung stünden.
Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußern geteilte Ansichten. Die Krankenkassen bemängeln dabei insbesondere, dass Ärzte und Krankenhäuser zusätzliches Geld für elektronische Kommunikation erhalten sollen, die im Internet-Zeitalter selbstverständlich sein müsse. Die KBV begrüßt hingegen einige Punkte, wie den Medikationsplan, den das E-Health-Gesetz vorsieht, und schlägt weitere Änderungen im Detail vor: Patienten, denen mindestens drei Medikamente gleichzeitig verordnet werden, sollen einen Anspruch auf einen papierbasierten Medikationsplan haben, der mittelfristig auch über die elektronische Gesundheitskarte abrufbar sein soll.
Fazit & Perspektive
Obwohl der Gesetzentwurf zumindest ein erster Schritt auf dem Weg zur Schaffung der Voraussetzungen für echte Innovationen im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Telemedizin in Deutschland sein dürfte, bleiben viele Problemfelder ungelöst. Über die viel diskutierten datenschutzrechtlichen Aspekte und den Anspruch an ein sicheres Patientendaten-Management hinaus, sind dies in rechtlicher Hinsicht bspw. Zulassungs- und Haftungsfragen im Zusammenhang mit interoperablen IT- und Medizintechniksystemen, Regelungsdefizite im Rahmen der Behandlung medizinischer Software (als Medizinprodukt), Abgrenzungsfragen zur Haftung für fehlerhafte Software oder Unsicherheiten bei Einordnung von Wearables, Health-Apps und weiteren m-Health-Anwendungen (als Medizinprodukte).
Mit Blick auf die Entwicklung des rechtlichen Umfelds für telemedizinische Leistungen in Deutschland sind weitere Hürden zu nehmen – so stellen sich bspw. komplexe Fragen zum Umgang mit den berufsrechtlichen Regelungen der deutschen Ärzteschaft (hier insbesondere mit dem berufsrechtlichen Fernbehandlungsverbot) oder Abgrenzungsfragen zur Haftung bei Beteiligung mehrerer Leistungserbringer an der (Fern-)Diagnose und (Fern-)Behandlung. In wirtschaftlicher Hinsicht verhindern insbesondere fehlende Grundlagen zur Abrechnungs- und Erstattungsfähigkeit telemedizinischer Leistungen nach SGB V, EBM und GOÄ die Akzeptanz für Innovationen (in der Ärzteschaft).
Was die Beratungen im Rahmen des anstehenden Gesetzgebungsprozesses zur Verabschiedung des E-Health-Gesetzes in Deutschland ggf. noch an Änderungen und Ergänzungen bringen werden, bleibt abzuwarten.