Digital Markets Act: Europäische Kommission benennt weiteren Gatekeeper und zentrale Plattformdienste
Die Europäische Kommission („Kommission“) hat im Rahmen des Digital Markets Act („DMA“) das Hotelbuchungs- und Reiseportal Booking als neuen Gatekeeper sowie Apple als Gatekeeper auch für seinen zentralen Plattformdienst („CPS“) iPadOS benannt. Außerdem hat die Kommission beschlossen X Ads (X, vormals Twitter) und TikTok Ads (ByteDance) nicht zu benennen. Schließlich hat die Kommission eine Marktuntersuchung eingeleitet, ob hinsichtlich des sozialen Netzwerks X eine Benennung trotz Erreichens der Schwellenwerte abzulehnen ist.
Was sind Gatekeeper und CPS im Sinne des DMA?
Der DMA zielt darauf ab, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und die Bestreitbarkeit der Märkte im digitalen Sektor zu schützen, indem er Gatekeeper reguliert. Gatekeeper sind Unternehmen, die die im DMA definierten CPS anbieten. Die CPS der Gatekeeper können als Schnittstelle zwischen einer großen Anzahl von Geschäftskunden und Verbrauchern betrachtet werden (weitere Details finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News).
Wie erfolgt eine Benennung als Gatekeeper?
Als Gatekeeper werden nur solche Unternehmen benannt, die einen erheblichen Einfluss auf den europäischen Binnenmarkt haben, deren CPS gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dienen, und die eine gefestigte und dauerhafte Marktposition innehaben oder in absehbarer Zukunft erlangen werden. Zur Bewertung dieser Voraussetzungen sieht die Verordnung primär einen Rückgriff auf quantitative Schwellenwerte vor, bei deren Erfüllung eine Gatekeeper-Stellung vermutet wird. Unternehmen sind verpflichtet die Schwellenwerte selbst zu überwachen und ein Überschreiten der Kommission mitzuteilen.
Wenn die Unternehmen trotz Erfüllung der Schwellenwerte substantiierte Argumente vorbringen, die eindeutig entkräften, dass sie einen erheblichen Einfluss auf den europäischen Binnenmarkt haben oder als wichtige Schnittstelle zwischen einer Vielzahl von Endnutzern einerseits und gewerblichen Nutzern andererseits fungieren, kann die Kommission von einer Benennung – wie bezüglich X Ads und TikTok Ads erfolgt – absehen. Wenn die Argumente zwar substantiiert sind, aber die Vermutung der Schwellenwerte nicht eindeutig entkräften, kann die Kommission eine Marktuntersuchung einleiten, die sie innerhalb von fünf Monaten abschließen sollte. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die Kommission nach Abschluss der eingeleiteten Marktuntersuchung das soziale Netzwerk X benennt.
Schließlich kann die Kommission – wie bezüglich iPadOS erstmals geschehen – im Rahmen einer Einzelfallprüfung anhand weiterer qualitativer Kriterien einen Dienst auch als CPS benennen, selbst wenn die Schwellenwerte nicht überschritten sind.
Wer sind die Gatekeeper und welche CPS sind betroffen?
Die Kommission benannte bereits im September 2023 Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft als erste sechs Gatekeeper in Bezug auf insgesamt 22 CPS. Zum 7. März 2024 – dem sog. DMA-Compliance Day – mussten die ersten sechs Gatekeeper die DMA-Verpflichtungen umsetzen und (regelmäßig zu aktualisierende) Berichte erstellen, in denen sie darlegen, wie sie ihren DMA-Verpflichtungen nachkommen (weitere Details finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News).
Durch die nun erfolgten neuen Benennungen sind die Unternehmen Booking und Apple verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten sicherzustellen, dass ihre (weiteren) CPS – konkret der Online-Vermittlungsdienst booking.com und das Betriebssystem iPadOS – vollständig mit den Vorgaben des DMA übereinstimmen.
Insgesamt sind mittlerweile sieben Gatekeeper und 24 CPS benannt (zum Vergrößern können Sie hier oder auf das Bild klicken):
Welche Verpflichtungen treffen die Gatekeeper?
Der DMA enthält über zwanzig Verpflichtungen, von denen einige alle CPS betreffen, während sich andere nur auf bestimmte CPS beziehen. Die Verordnung unterscheidet dabei zwischen Vorgaben, die ohne weitere Konkretisierung anwendbar sind (z.B. das Koppelungsverbot oder das Verbot der Nutzung von Meistbegünstigungsklauseln) und Verpflichtungen, die zwar direkt anwendbar sind, jedoch von der Europäischen Kommission weiter für den einzelnen Gatekeeper spezifiziert werden können (z.B. das Verbot der Selbstbevorzugung).
Unsere Beiträge auf Noerr News beleuchten die wichtigsten DMA-Verpflichtungen, die besonders weitreichende Änderungen der Rechte und Möglichkeiten von App-Entwicklern und Online-Vermittlungsdiensten bewirken dürften.
Was droht bei Verstößen und welche Durchsetzungsrechte haben dritte Unternehmen?
Die Nichteinhaltung kann mit erheblichen Geldbußen von bis zu 10 % des gesamten weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens – im Wiederholungsfall bis zu 20 % – oder Zwangsgeldern von bis zu 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes geahndet werden. Die Kommission hat von ihrer Ermittlungsbefugnis bereits Gebrauch gemacht und keine 20 Tage nach dem Compliance Day gegen Alphabet, Apple und Meta offizielle Verfahren eingeleitet, die sie innerhalb von zwölf Monaten abschließen sollte (weitere Details finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News).
Gewerbliche Nutzer und Wettbewerber der Gatekeeper können die Kommission und das Bundeskartellamt über etwaige Compliance-Verstöße der Gatekeeper informieren und somit die behördliche Durchsetzung der DMA-Bestimmungen durch die Kommission fördern. Die Kommission ist zwar die alleinige Durchsetzungsbehörde des DMA und den nationalen Behörden kommt lediglich eine unterstützende Funktion zu; allerdings können die nationalen Behörden bei entsprechender Ermächtigung durch die Mitgliedstaaten auch Vorermittlungen durchführen und daher als erste Anlaufstelle für Beschwerden Dritter dienen.
Die Kommission hat kürzlich ein Whistleblower Tool eingerichtet, mit dem anonym Anzeigen gegen Gatekeeper eingereicht werden können.
Neben der behördlichen Durchsetzung des DMA besteht die Möglichkeit des Private Enforcement für gewerbliche Nutzer und Wettbewerber (weitere Hintergrundinformationen dazu finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News), also die klageweise Geltendmachung von Rechten vor nationalen Gerichten. Bei Verstößen gegen DMA-Verpflichtungen durch Gatekeeper können betroffene Akteure zivilrechtlich vor den nationalen Gerichten in der EU Unterlassungs- und Leistungsklagen (inkl. einstweiligen Rechtsschutz) und ggf. Schadensersatzklagen anstrengen.
Nach der Feststellung eines Verstoßes gegen den DMA durch die Kommission werden auch sog. Follow-On-Klagen auf Schadensersatz gegen Gatekeeper möglich sein. Der deutsche Gesetzgeber hat die aus dem Kartellrecht bekannte Bindungswirkung von Kommissionsentscheidungen mit der 11. GWB-Novelle auch auf Kommissions-Entscheidungen zum DMA erstreckt.
Das Buch "Das neue Recht der digitalen Märkte – Digital Markets Act (DMA)", das kürzlich von Dr. Jens Peter Schmidt und Dr. Fabian Hübener veröffentlicht wurde, ist unsere Einschätzung zu den Hintergründen, der Umsetzung und der Compliance mit dem DMA. Für eine weitere Beratung und individuelle Lösungen zum DMA und damit verbundenen wettbewerbsrechtlichen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.