Die Digitalisierung der Personalarbeit macht Fortschritte: Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Änderungen des BEG IV im Überblick
Vor knapp drei Jahren hat die Ampel die Regierungsgeschäfte unter dem Slogan „Mehr Fortschritt wagen“ übernommen. Ein Kernthema des Koalitionsvertrags war dabei insbesondere der Bürokratieabbau für die Wirtschaft. Überflüssige Bürokratie sollte abgebaut und Arbeitgeber entlastet werden. Daraufhin folgte 2022 zunächst eine Rolle rückwärts, als der Gesetzgeber den schriftlichen Nachweis von Arbeitsbedingungen im Nachweisgesetz neu regelte und dabei über die Anforderungen der europäischen Richtlinie hinausging. Über zwei Jahre sind seit Inkrafttreten der strengeren Vorgaben für den Nachweis von Arbeitsbedingungen im Nachweisgesetz vergangen.
Nun soll mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) ein wichtiger Schritt zu weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung gewagt werden, der insbesondere auch für Arbeitgeber relevant ist. Denn das BEG IV enthält unter anderem Änderungen im Nachweisgesetz („NachwG“), im Sozialgesetzbuch Sechstes Buch („SGB VI“), im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz („BEEG“), im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz („AÜG“) und in der Gewerbeordnung („GewO“).
Das Gesetz wurde am Freitag, 18.10.2024 im Bundesrat beschlossen. Die im Gesetz beschlossenen Änderungen werden zum 01.01.2025 in Kraft treten.
Änderungen im Nachweisgesetz: Nachweis künftig per Textform
Das Nachweisgesetz soll die Beschäftigung für Arbeitnehmer transparenter und vorhersehbarer machen. Das NachwG sieht daher in § 2 NachwG einen umfangreichen Katalog wesentlicher Arbeitsbedingungen vor, die dem Arbeitnehmer mit Vertragsbeginn auszuhändigen sind. Bislang war dies nur in Schriftform möglich („wet ink“). Der Nachweis in elektronischer Form war ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG).
Was wird leichter?
Mit dem BEG IV wird die Erfüllung der Formanforderungen des NachwG erleichtert. Das bedeutet konkret, dass künftig die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 NachwG in Textform abgefasst und elektronisch an den Arbeitnehmer übermittelt werden können.
Dies gilt allerdings nur dann, wenn
- das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist,
- gespeichert und ausgedruckt werden kann und
- der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen.
Für die Übermittlung der wesentlichen Arbeitsbedingungen muss also ein Medium verwendet werden, auf das der Arbeitnehmer Zugriff hat.
Hierbei ist zu beachten, dass die Übermittlung individuell an den jeweiligen Arbeitnehmer versendet werden muss; eine allgemeine Bekanntmachung an die Belegschaft reicht nicht aus.
Praxistipp: Versendet der Arbeitgeber die wesentlichen Arbeitsbedingungen bzw. den Arbeitsvertrag, der diese Angaben enthält, beispielsweise per E-Mail an den Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber die E-Mail mit der Empfangsbestätigungsfunktion ausstatten. Dies soll den Zugang des Nachweises beim Arbeitnehmer mit Blick auf mögliche Unsicherheiten beim elektronischen Versand zusätzlich absichern.
Enthält ein Arbeitsvertrag die nach § 2 Abs. 1 NachwG erforderlichen Angaben und wurde er in der oben beschriebenen Form an den Arbeitnehmer übermittelt, entfällt ein zusätzlicher Nachweis der Arbeitsbedingungen (§ 2 Abs. 5 NachwG).
Was bleibt, wie es war?
Die gelockerten Formvorschriften in § 2 NachwG gelten allerdings nicht uneingeschränkt:
Zum einen kann der Arbeitnehmer auch nach wie vor verlangen, dass ihm die Arbeitsbedingungen in Schriftform ausgehändigt werden (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG n.F.). In dem Fall hat der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen unverzüglich dem Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Erteilt der Arbeitgeber trotz des Verlangens des Arbeitnehmers den Schriftformnachweis nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig, handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 NachwG n.F.).
Zum anderen gelten für Unternehmen, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig tätig sind, die besonders von Schwarzarbeit betroffen sind (z.B. das Bau- und Gaststättengewerbe), diese neuen Formvorschriften nicht. Hier müssen die Arbeitsbedingungen auch weiterhin in wet ink, d.h. in Schriftform, zur Verfügung gestellt werden.
Bislang galt, dass Änderungen der wesentlichen Arbeitsbedingungen spätestens am Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mitzuteilen sind (§ 3 Abs. 1 NachwG). Auch hier wird künftig die Textform möglich sein, sofern nicht der Arbeitnehmer den Nachweis in Schriftform verlangt. In dem neu angefügten § 3 Abs. 2 NachwG wird klargestellt, dass die Mitteilungspflicht bei Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen entfällt, sofern die Änderung Gegenstand eines schriftlichen oder in Textform geschlossenen Änderungsvertrags ist.
Fazit zum NachwG
Die Änderungen des NachwG sind zu begrüßen. Auf diese Weise ebnet der Gesetzgeber den Weg in Richtung digitaler Arbeitsverträge. Dies wird vor allem für solche Arbeitsverhältnisse eine Erleichterung sein, bei denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht an einem Ort tätig sind und bislang der Postweg bemüht wurde, um Originalunterschriften auszutauschen. Vorsicht ist jedoch geboten bei Befristungsvereinbarungen: diese bedürfen weiterhin der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Enthält ein Arbeitsvertrag neben den Arbeitsbedingungen im Sinne des NachwG auch eine Befristungsabrede, so ist dringend auf die Schriftform zu achten.
Änderungen im SGB VI: Formerleichterungen bei der Altersbefristung
Eine Ausnahme zu dem grundsätzlich weiterhin bestehenden Schriftformerfordernis für Befristungsvereinbarungen wird es jedoch künftig für die so genannte Altersbefristung geben. Unter einer Altersbefristung versteht man eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wonach das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch den Arbeitnehmer automatisch endet.
Bisher musste auch die Altersbefristung wie alle Befristungsvereinbarungen zwingend schriftlich vereinbart werden. Entsprechend war es bisher nur möglich, eine Altersbefristung wirksam im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, wenn dieser von beiden Parteien handschriftlich unterschrieben wurde. Dies schloss insbesondere den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit digitalen Unterschriften (z.B. über DocuSign) aus.
Mit dem BEG IV wird auch diese Formanforderung gelockert, indem ausschließlich für die Altersbefristung die Textform als ausreichend vorgeschrieben wird. Anders als zu vermuten gewesen wäre, findet sich diese Änderung jedoch nicht im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), sondern in dem durch das BEG IV neu eingeführten § 41 Abs. 2 SGB VI. Auch das bereits nach heutiger Rechtslage mögliche Hinausschieben der vereinbarten Altersgrenze (§ 41 Abs. 1 SGB VI n.F.) wird damit in Zukunft in Textform möglich sein.
Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Digitalisierung der Arbeitswelt, da – im Zusammenspiel mit den Änderungen im Nachweisgesetz – der Weg frei gemacht wird für digitale Arbeitsverträge.
Änderungen im BEEG: Elternzeitantrag künftig in Textform
Das BEG IV sieht jedoch nicht nur Erleichterungen für Arbeitgeber vor. Auch für die Arbeitnehmer wurden bürokratische Hürden abgebaut, indem zukünftig auch der Anspruch auf Elternzeit (§ 16 BEEG) und der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 7 BEEG) in Textform geltend gemacht werden können.
Bisher mussten die Arbeitnehmer den Antrag auf Elternzeit gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG schriftlich stellen. Ein Antrag per E-Mail war dementgegen nichtig mit der Folge, dass der Arbeitnehmer dann gegebenenfalls unberechtigt von der Arbeit fernblieb und den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz gemäß § 18 BEEG nicht genoss.
Auch für den Teilzeitantrag während der Elternzeit galt bisher – anders als für das Teilzeitbegehren gemäß §§ 8, 9a TzBfG, das bereits heute in Textform geltend gemacht werden kann – die Schriftform. Spiegelbildlich musste der Arbeitgeber ein entsprechendes Teilzeitbegehren während der Elternzeit auch mit Begründung in Schriftform ablehnen.
Die genannten Schriftformerfordernisse des BEEG werden mit dem BEG IV zukünftig ebenfalls durch Textform ersetzt, was die Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinfacht und in Anbetracht des bereits geltenden Textformerfordernisses im TzBfG nur konsequent ist. Der Arbeitnehmer genießt zukünftig also bereits dann Sonderkündigungsschutz, wenn er dem Arbeitgeber sein Elternzeitbegehren per E-Mail schickt. Der Arbeitgeber kann sich nicht mehr auf die fehlende Schriftform stützen.
Weitere Änderungen im BEEG durch das BEG IV betreffen u.a. die Bearbeitung des Antrags auf Elterngeld und Elterngeld Plus (§ 25 BEEG).
Änderungen im AÜG: Formerweiterungen für Arbeitnehmerüberlassungsverträge
Mit der Änderung von § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG entfällt zukünftig auch das Schriftformerfordernis für Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen Verleiher und Entleiher; die Textform wird zukünftig ausreichen. Das heißt: Arbeitnehmerüberlassungsverträge können z.B. per E-Mail oder Textnachricht geschlossen werden.
Der Verstoß gegen das Schriftformerfordernis konnte in der Vergangenheit weitreichende Folgen haben: Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag musste grundsätzlich vor Beginn der Überlassung schriftlich vorliegen. Ein nachträgliches Erstellen entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen, sodass der Vertrag im Zweifel als nichtig anzusehen war. Dies war zudem als Ordnungswidrigkeit zu werten, die mit einem Bußgeld bis zu EUR 30.000 geahndet werden konnte. Darüber hinaus führte der Verstoß zu einer Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher und damit zu einem Wechsel der Arbeitgeberpflichten.
In der Praxis stellte das Schriftformerfordernis somit eine erhebliche praktische Hürde dar. So war unter anderem kurzfristiges Handeln nur mit erheblichem Aufwand möglich. Die Änderung ist daher zu begrüßen, da sie eine nicht mehr zeitgemäße, bürokratische Hürde und damit einhergehende Rechtsunsicherheiten beseitigt.
Änderungen in der Gewerbeordnung: Das Zeugnis in elektronischer Form
Eine weitere wichtige Neuerung betrifft die Ausstellung von Arbeitszeugnissen in nunmehr digitaler Form. Vor der Neuregelung war die Erteilung von Arbeitszeugnissen in elektronischer Form gemäß §§ 630 S. 3 BGB, 109 Abs. 3 GewO gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen. Mit der Neuregelung im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes wird es Unternehmen ermöglicht, Arbeitszeugnisse mit Einwilligung des Arbeitnehmers in elektronischer Form zu erteilen. Dies ist ein bedeutender Schritt in Richtung Digitalisierung der Personalverwaltungsprozesse und ermöglicht eine schnellere und effizientere Bearbeitung von Zeugnisanfragen. Auch die Reduzierung von Papierverbrauch und Postversand trägt zu einer nachhaltigeren Unternehmenspraxis bei.
Die praktische Anwendung der elektronischen Signatur bringt jedoch einen großen Nachteil mit sich: In der Praxis werden Arbeitszeugnisse gerade bei laufenden arbeitsrechtlichen Streitigkeiten oft rückwirkend ausgestellt. Aufgrund der Tatsache, dass die elektronische Signatur den Zeitpunkt der Ausstellung angibt, würden tatsächlicher und gewollter Ausstellungszeitpunkt auseinanderfallen. Dies hätte zur Folge, dass zur Vermeidung dieses Ergebnisses wieder auf die Schriftform zurückgegriffen werden müsste, was die gewünschte Verbesserung ins Leere laufen lassen würde. Gleiches gilt bei der Zeugnisberichtigung.
Die Einführung der Zeugniserteilung in elektronischer Form ist unbestritten ein richtiger Schritt zu einer digitalen Arbeitswelt. Der Anwendungsbereich ist jedoch durch das Erfordernis der qualifizierten, elektronischen Signatur erheblich eingeschränkt. Mit einer spürbaren Bürokratieentlastung ist daher nicht zu rechnen.
Fazit
Insgesamt sind die mit dem BEG IV eingeführten Änderungen durchaus zu begrüßen. Ob damit tatsächlich bürokratischer Aufwand in Personalabteilungen abgebaut wird, bleibt abzuwarten. Dies wird sich erst durch die Anwendung der neuen Regelungen zeigen. Erfreulich ist jedoch, dass künftig Arbeitnehmerüberlassungsverträge und Altersbefristungen ebenso wirksam per E-Mail abgeschlossen und sogleich die Anforderungen des NachwG grundsätzlich erfüllt werden. Mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung und agiler ausgestaltete Arbeitsverhältnisse sind diese Änderungen zeitgemäß. Nicht aus den Augen verlieren sollten Arbeitgeber hierbei jedoch, dass für befristete Arbeitsverträge im Übrigen weiterhin das strenge Schriftformerfordernis besteht.
Auch für Arbeitnehmer ist der Digitalisierungsfortschritt positiv: Auch sie sind teilweise nicht mehr auf den Postweg angewiesen, sondern können ihren Elternzeitantrag und Arbeitsvertrag per E-Mail übermitteln.
Der Weg des Bürokratieabbaus ist weiterhin ein langer, auf dem das neue BEG IV lediglich die ersten Schritte geht. Die mit dem BEG IV vorgegebene Laufrichtung ist jedoch in jedem Fall zu begrüßen.