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Die Relevanz des DMA für Online-Vermittlungs­dienste

24.05.2024

Die Europäische Kommission („Kommission“) benannte im September 2023 Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft als Gatekeeper. Im Mai 2024 folgte die Benennung von Booking. Grundlage dafür sind die insgesamt 24 von diesen sieben Unternehmen betriebenen sog. zentralen Plattformdiensten (Core Platform Services – „CPS“). Die CPS zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie als Schnittstelle zwischen einer Vielzahl von Endnutzern einerseits und gewerblichen Nutzern andererseits fungieren.

Zu den CPS zählen unter anderen auch Online-Vermittlungsdienste. Der DMA versteht unter Online-Vermittlungsdiensten internetbasierte Dienstleistungen, welche in einer Vermittlerrolle die Einleitung direkter Transaktionen zwischen gewerblichen Nutzern und Endnutzern ermöglichen. Der weite und technologieneutrale Begriff umfasst insbesondere Online-Marktplätze, App-Stores, Preisvergleichsportale oder Hotel- und Flugbuchungsportale. Mit Amazon Marketplace, Apples App Store, Booking.com, Google Maps, Google Play, Google Shopping und Meta Marketplace wurden bereits sieben Online-Vermittlungsdienste als CPS benannt.

Zum 7. März 2024 – dem sog. DMA-Compliance Day – mussten die ersten sechs Gatekeeper die DMA-Verpflichtungen umsetzen. Betroffene Nutzer und Wettbewerber wie App-Entwickler (dazu unser Beitrag auf Noerr News) oder Online-Vermittlungsdienste können seitdem Beschwerden bei der Kommission oder dem Bundeskartellamt einreichen und sich aktiv ins Behördenverfahren einbringen, um die öffentliche Durchsetzung der DMA-Bestimmungen durch die Kommission zu fördern. Neben der Unterstützung der öffentlichen Durchsetzung des DMA, besteht für Online-Vermittlungsdienste auch die Möglichkeit des Private Enforcement der DMA-Verpflichtungen vor den nationalen Gerichten.

Welche Verpflichtungen entfalten eine besondere Relevanz für Online-Vermittlungsdienste?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche DMA-Verpflichtungen besondere Relevanz für Online-Vermittlungsdienste von Gatekeepern und konkurrierenden Online-Vermittlungsdiensten haben.

Der DMA enthält in Art. 5-7 DMA über zwanzig Verpflichtungen, von denen viele unmittelbare Auswirkungen für als CPS benannte Online-Vermittlungsdienste entfalten. Daneben führen die Verpflichtungen aber auch und gerade für konkurrierende Online-Vermittlungsdienste zu durchsetzbaren Rechten. Im Folgenden beleuchten wir die beiden wichtigsten Verpflichtungen, die besonders weitreichende Änderungen der Rechte und Möglichkeiten von konkurrierenden Online-Vermittlungsdiensten bewirken dürften.

Verbot von Paritätsklauseln – Art. 5 Abs. 3 DMA

Gatekeeper müssen insbesondere erlauben, dass gewerbliche Nutzer ihre Produkte zu anderen und vor allem günstigeren Konditionen auf konkurrierenden Online-Vermittlungsdiensten bzw. über ihre eigenen Vertriebskanäle vertreiben dürfen.

Vom Verbot sind nicht nur sog. echte Meistbegünstigungsklauseln, also die Verpflichtung, über Online-Vermittlungsdienste Dritter keine günstigeren Konditionen als über die Online-Vermittlungsdienste der Gatekeeper anzubieten, erfasst. Das im Gesetzgebungsverfahren ausgeweitete Verbot bezieht sich vielmehr auch auf sog. unechte Meistbegünstigungsklauseln, die gewerbliche Nutzer verpflichten, über die Online-Vermittlungsdienste der Gatekeeper zumindest gleich günstige Konditionen wie über die Online-Vermittlungsdienste Dritter anzubieten. Darüber hinaus sind vom Verbot auch sog. enge Bestpreisklauseln erfasst, also die Verpflichtung, über die eigenen Vertriebskanäle keine anderen bzw. günstigeren Konditionen als über die Online-Vermittlungsdienste der Gatekeeper anzubieten.

Der DMA zielt damit darauf ab, Angebotsdifferenzierungen und damit maßgeblich Preiswettbewerb zugunsten von Endnutzern zu erhöhen und den Wettbewerb für konkurrierende Online-Vermittlungsdienste zu fördern.

Hintergrund der Regelung sind zahlreiche kartellrechtliche Fälle zu Paritätsklauseln, bei denen von einigen Gerichten Verstöße gegen Art. 101 AEUV angenommen wurden. Der europäische Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Reform der vertikalen Gruppenfreistellungsverordnung kürzlich dazu entschlossen, (nur) weite Bestpreisklauseln aus dem Schutzbereich der Gruppenfreistellung auszunehmen. Die Regelung des DMA geht darüber hinaus.

Bedeutung für Online-Vermittlungsdienste und gewerbliche Nutzer: Gewerbliche Nutzer haben einen Anspruch darauf ihre Angebote ohne Einschränkungen über andere Online-Vermittlungsdienste und eigene Vertriebskanäle zu vertreiben und sind – wie auch konkurrierende Online-Vermittlungsdienste – dazu angehalten, Verstöße der Gatekeeper im Rahmen einer Beschwerde oder durch das neu geschaffene Whistleblower-Tool an die Kommission zu melden.

Selbstbevorzugungsverbot – Art. 6 Abs. 5 DMA

Des Weiteren ist das sog. Selbstbevorzugungsverbot aus Art. 6 Abs. 5 DMA relevant. Gatekeepern ist es untersagt, eigene Produkte beim sog. Ranking und dem damit verbundenen Auffinden gegenüber ähnlichen Produkten zu bevorzugen. Ranking umfasst den algorithmischen Vorgang, welcher die optische Anzeige oder akustische Wiedergabe von angebotenen Waren und Dienstleistungen steuert. Durch die bewusst weite Formulierung ist sowohl die Anzahl angezeigter Ergebnisse als auch das gewählte Medium irrelevant. Außerdem sind Gatekeeper verpflichtet, das Ranking transparent, fair und diskriminierungsfrei auszugestalten.

Der DMA will mit der Vorschrift zu verhindern, dass Gatekeeper ihre starke Marktstellung auf den CPS-Märkten dazu nutzen können, um diese auch auf Märkte für nachgelagerte Dienstleistungen und Produkte zu übertragen, ohne sich hierbei dem normalen Leistungswettbewerb stellen zu müssen. Ferner soll die Absicherung der bereits bestehenden Marktstellungen durch Selbstbevorzugung vermieden werden.

Das Selbstbevorzugungsverbot des DMA ist an den prominenten kartellrechtlichen Google-Shopping-Fall angelehnt, der seit fast 15 Jahren andauert und die Kommission zu einer Rekordgeldbuße veranlasste. Der vom EuG durch Urteil bestätigte Vorwurf der Kommission bezieht sich darauf, bei Google Search den eigenen Preisvergleichsdienst Google Shopping zu bevorzugen. Das Selbstbevorzugungsverbot des DMA ist aber nicht auf Online-Suchmaschinen beschränkt, sondern gilt für alle CPS und damit insbesondere auch für Online-Vermittlungsdienste wie Online-Marktplätze, App-Stores, Preisvergleichsportale oder Hotel- oder Flugbuchungsportale.

Bedeutung für Online-Vermittlungsdienste: Gewerbliche Nutzer der CPS wie konkurrierende Online-Vermittlungsdienste haben einen Anspruch darauf, dass ihre Angebote fair gerankt und nicht gegenüber den eigenen Angeboten der Gatekeeper benachteiligt werden. Sie sind dazu angehalten, Verstöße der Gatekeeper im Rahmen einer Beschwerde oder durch das neu geschaffene Whistleblower-Tool an die Kommission zu melden.

Welche Mittel haben Online-Vermittlungsdienste zur Durchsetzung ihrer Rechte?

Online-Vermittlungsdienste können Beschwerden bei der Kommission oder dem Bundeskartellamt einreichen und sich aktiv ins Behördenverfahren einbringen, um die öffentliche Durchsetzung der DMA-Bestimmungen durch die Kommission zu fördern. Die Kommission ist zwar die alleinige Durchsetzungsbehörde des DMA und den nationalen Behörden kommt lediglich eine unterstützende Funktion zu. Allerdings können die nationalen Behörden bei entsprechender Ermächtigung durch die Mitgliedstaaten auch Vorermittlungen durchführen und daher als erste Anlaufstelle für Beschwerden Dritter dienen.

Die Kommission hat zusätzlich kürzlich ein Whistleblower Tool veröffentlicht, mit denen auch anonym Meldungen abgegeben werden können.

Neben der öffentlichen Durchsetzung des DMA durch die Kommission, besteht auch die Möglichkeit des Private Enforcement für Online-Vermittlungsdienste (weitere Hintergrundinformationen dazu finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News). Bei Verstößen gegen DMA-Verpflichtungen durch Gatekeeper können betroffene Akteure demnach zivilrechtlich vor den nationalen Gerichten in der EU Unterlassungsklagen (inkl. einstweiligen Rechtsschutz) und ggf. Schadensersatzklagen anstrengen.

Nach der Feststellung eines Verstoßes gegen den DMA durch die Kommission (und ggf. Gerichte) werden auch sog. Follow-On-Klagen auf Schadensersatz gegen Gatekeeper möglich sein. Der deutsche Gesetzgeber hat die aus dem Kartellrecht bekannte Bindungswirkung von Kommissionsentscheidungen mit der 11. GWB-Novelle auf Kommissionsentscheidungen zum DMA erstreckt.

Wie geht es weiter?

Die Kommission hat zwischenzeitlich Non-Compliance Verfahren gegen Alphabet, Apple und Meta eingeleitet, die sie innerhalb von 12 Monaten abschließen sollte (dazu unser Beitrag auf Noerr News). Für Online-Vermittlungsdienste besonders relevant ist dabei die Frage, ob bzw. inwiefern Alphabet im Rahmen der Anzeige von Google Search gegen das Selbstbevorzugungsverbot des DMA verstoßen hat. Außerdem ist mit Spannung abzuwarten, ob die Kommission nach Auswertung der einzuholenden Informationen ein Verfahren gegen Amazon wegen der im Raum stehenden Selbstbevorzugung ihrer eigenen Markenprodukte auf dem Amazon Marketplace einleitet.

Darüber hinaus besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Online-Vermittlungsdienste und andere betroffene Akteure auch vor Abschluss der Kommissionsverfahren aktiv werden und sich ins Behördenverfahren einbringen oder eigenständig im Wege des Private Enforcement vor den nationalen Gerichten gegen die Gatekeeper vorgehen.

Das Buch "Das neue Recht der digitalen Märkte – Digital Markets Act (DMA)", das kürzlich von Dr. Jens Peter Schmidt und Dr. Fabian Hübener veröffentlicht wurde, ist unsere Einschätzung zu den Hintergründen, der Umsetzung und der Compliance mit dem DMA. Für eine weitere Beratung und individuelle Lösungen zum DMA und damit verbundenen wettbewerbsrechtlichen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.