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Die Novelle des Bau­gesetzbuchs – Beschleunigung von Energie­wende und Wohnungsbau?

29.08.2024

Vergangene Woche endete die seit Juli laufende Verbändeanhörung zur geplanten Novelle des Baugesetzbuchs („BauGB“) durch das Gesetz zur integrierten Stadtentwicklung. Laut Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ist ein Kabinettsbeschluss bereits für den 4. September 2024 geplant.

Im Jahr 2023 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 94.100 Wohnungen weniger genehmigt als im entsprechenden Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das entspricht einem Minus von 26,6 %. Damit erreichte die Zahl der neu genehmigten Wohnungen den niedrigsten Stand seit 2012. Insbesondere in urbanen Gebieten trifft dieses sinkende Angebot an bezahlbarem Wohnraum auf eine erhöhte Nachfrage. Das Bauplanungsrecht sieht sich nicht zuletzt deshalb einem hohen Reformdruck ausgesetzt.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen Maßnahmen zur Senkung der Baukosten und zur Stärkung des Wohnungsneubaus umgesetzt werden. Diese waren zentraler Bestandteil des im November 2023 von Bund und Ländern geschlossenen „Bau-Turbo-Pakts“ sowie der im Juli 2024 von der Bundesregierung beschlossenen „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik in Deutschland“. Die Bundesregierung will Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren stark vereinfachen und die Umsetzung von Bauvorhaben dadurch weiter beschleunigen. Zudem sollen durch weitere Flexibilisierungen des Baurechts im Geltungsbereich von Bebauungsplänen sowie im unbeplanten Innenbereich bestehende Potentiale genutzt und gefördert werden.

Auch die Energiewende soll weiteren Schwung erhalten. So nimmt sich der Gesetzentwurf zusätzlich des Themas der Geothermie an.

A. Die wichtigsten Regelungen des Gesetzentwurfs im Überblick

1. Nachverdichtung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 31 Abs. 3 BauGB n.F.)

Die Bundesregierung will die Nachverdichtung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB erleichtern. Bereits durch das Baulandmobilisierungsgesetz vom 14. Juni 2021 wurden die Voraussetzungen gesenkt, um Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans für diese Gebiete zu erteilen, wenn die Befreiung zugunsten des Wohnungsbaus erfolgte. Der seinerzeit eingefügte § 31 Abs. 3 BauGB sieht bislang jedoch vor, dass eine solche Befreiung nur einzelfallbezogen erfolgen kann. Der Entwurf der Bundesregierung will dieses Einzelfallerfordernis nun für die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gebäudes und für die Errichtung eines Gebäudes, das nach seiner Art nach dem Bebauungsplan zulässig wäre, abschaffen.

Die Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zu diesen Zwecken also künftig generell möglich sein. Der Gesetzentwurf nennt beispielhaft die Aufstockung oder Erweiterung zugunsten von neuen Wohnungen für ganze Straßenzüge.

Praktisch führt die Flexibilisierung zu erweiterten Investitionsmöglichkeiten in den 1061 Kommunen (Stand 31.12.2023) mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne des § 201a BauGB. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie extensiv von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Denn die Entscheidung über die einzelfallübergreifende Befreiung steht im Ermessen der Behörde.

2. Nachverdichtung im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 3a BauGB n.F.)

Auch im unbeplanten Innenbereich sollen weitere Nachverdichtungspotenziale gehoben werden. Dies betrifft insbesondere die Hinterlandbebauung. Der Gesetzentwurf will die Anforderungen an deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit senken.

Nach derzeitiger Rechtslage sieht § 34 Abs. 3a S. 1 Nr. 1 lit. b BauGB vor, dass vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung im Einzelfall bei einer Erweiterung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes abgewichen werden kann. Dies betrifft lediglich die Erweiterung bestehender Gebäude. Durch Einfügung eines neuen Buchstaben d soll eine Abweichung künftig auch bei der Errichtung einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken möglich sein, wenn sich das Vorhaben nach seiner Art in die nähere Umgebung einfügt. Dies erweitert die Möglichkeiten, hinterliegende Grundstücke oder Grundstücksteile in zweiter Reihe oder Freiflächen – z.B. Höfe – innerhalb von Wohnblöcken zu bebauen.

Durch die Einfügung des § 34 Abs. 3a S. 1 Nr. 1 lit. d BauGB erwartet die Bundesregierung im Zuge der Nachverdichtung eine Erhöhung der absoluten Zahl der Baugenehmigungen um jährlich etwa fünf Prozent. Dies entspräche circa 3.000 Baugenehmigungen pro Jahr.

3. Privilegierung für Geothermie-Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB n.F.)

Um die Transformation der Energieversorgung weiter voranzubringen und die Ausbauziele für Erneuerbare Energien in der gebotenen Geschwindigkeit zu erreichen, beabsichtigt die Bundesregierung eine Privilegierung von Geothermie-Vorhaben. Bislang bedarf es zur Verwirklichung von Geothermie-Anlagen regelmäßig der vorherigen Aufstellung eines Bebauungsplans. Nun sollen die Regelungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit im unbeplanten Außenbereich in § 35 Absatz 1 Nr. 5 BauGB ergänzt werden. Bislang werden dort Vorhaben zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Wind- und Wasserenergie privilegiert. Künftig sollen auch Vorhaben zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung von Geothermie privilegiert zugelassen werden. Die Bundesregierung verspricht sich hierdurch eine Planungsbeschleunigung und Kosteneinsparungen.

Die bauplanungsrechtliche Stärkung von Geothermie fügt sich in eine breitere Offensive von Bund und Ländern zur Genehmigungsbeschleunigung und verstärkten Förderung von Geothermie ein. Hierzu haben wir bereits an anderer Stelle im Rahmen einer dreiteiligen Reihe ausführlich berichtet:

Teil 1: Masterplan Geothermie NRW vorgestellt – Genehmigungsrechtliche Rahmenbedingungen der klimaneutralen Wärmeversorgung der Zukunft

Teil 2: Masterplan Geothermie NRW vorgestellt – Vergabe- und subventionsrechtliche Rahmenbedingungen der klimaneutralen Wärmeversorgung der Zukunft

Teil 3: Update Geothermie: Beschleunigungsgesetz für die Wärmewende vorgestellt

4. Sozialer Flächenbeitrag (§ 58a BauGB n.F.)

Im Rahmen der sog. Baulandumlegung will der Gesetzentwurf den sozialen Wohnungsbau durch die Kommune stärken. Zum Hintergrund: Die Baulandumlegung gemäß §§ 45 ff. BauGB ermöglicht Gemeinden die Neuordnung einer Fläche durch Umlegung von Grundstücken. Die Grundstückseigentümer erhalten wert- oder flächengleiche Grundstücke innerhalb der Verteilmasse als Kompensation. Da die Eigentümer durch die Umlegung regelmäßig einen erheblichen Wertvorteil erlangen – die Umlegung dient der Erschließung oder Neugestaltung eines Gebiets zu Bauzwecken – sieht das Gesetz einen Vorteilsausgleich zugunsten der Gemeinde vor. Dieser Vorteilsausgleich kann als Geld oder Flächenbeitrag erfolgen.

Der Gesetzentwurf sieht nun für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB vor, dass der Vorteilsausgleich auch in Form eines sozialen Flächenbeitrags erfolgen kann. Die Gemeinde erhält eine Fläche, die sie zweckgebunden innerhalb angemessener Frist für den sozialen Wohnungsbau nutzen muss. Dieser soziale Flächenbeitrag soll in einem neuen § 58a geregelt werden.

5. Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte (§ 24 Abs. 2, 2a BauGB n.F.)

Die Novelle des BauGB soll zudem kommunale Vorkaufsrechte stärken und bestehende Gesetzeslücken schließen.

Gemäß § 24 Abs. 1 BauGB verfügt die Gemeinde in bestimmten Fällen über ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken. Zwei wichtige Fallgestaltungen sind hiervon aber nicht erfasst: Erstens kann der Kauf sämtlicher Wohnungen eines Grundstücks nach dem Wohnungseigentumsgesetz wirtschaftlich dem Kauf des gesamten Grundstücks gleichkommen. Zweitens kann die Einbringung von Grundstücken in eine Gesellschaft wirtschaftlich zu demselben Ergebnis führen. Für beide Fälle sieht der Gesetzentwurf Regelungen vor, die eine Umgehung des gemeindlichen Vorkaufsrechts erschweren sollen.

§ 24 Abs. 2 BauGB soll dahingehend angepasst werden, dass das Vorkaufsrecht der Gemeinde auch dann besteht, wenn durch den Kauf von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz sämtliche auf einem Grundstück liegende Wohnungseigentumsrechte in einer Person vereinigt werden. Der Kauf einzelner Wohnungen soll das Vorkaufsrecht weiterhin nicht auslösen.

Zudem soll ein neuer Absatz 2a eingefügt werden, der eine langjährige Diskussion bezüglich der Umgehung des gemeindlichen Vorkaufsrechts in Konstellationen des sog. Share Deals aufgreift. Wird nicht das Grundstück (asset), sondern werden die Anteile einer grundstückshaltenden Gesellschaft (shares) verkauft, wechselt nicht der Eigentümer des Grundstücks, sondern nur der Gesellschafter. Folglich liegt formal kein Grundstückskauf vor, auch wenn der Verkauf der Gesellschaftsanteile bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichwertig ist. Zwar kann das Vorkaufsrecht im Falle eindeutiger Umgehungsgeschäfte auch nach geltender Rechtslage ausgeübt werden. Die Hürden an die Annahme eines solchen Umgehungsgeschäfts sind in der Praxis aber hoch. Der Entwurf des § 24 Abs. 2a BauGB sieht deshalb vor, dass dem Kauf eines Grundstücks die Verpflichtung gleichsteht, ein Grundstück in eine Gesellschaft einzubringen.

Flankierend soll § 28 Abs. 1 BauGB um Mitteilungspflichten des Verkäufers von Gesellschaftsanteilen sowie um entsprechende Prüfpflichten des Grundbuchamtes ergänzt werden.

B. Ausblick

Fest steht: Die Bundesregierung beschreitet den Weg der Beschleunigung auf allen Ebenen weiter. Die Erleichterungen für die bauplanungsrechtliche Zulassung von Geothermie reihen sich in bereits beschlossene Privilegierungen für andere Zukunfts- und Brückentechnologien ein. Genannt seien die vielfältigen Planungs- und Genehmigungserleichterungen für Windkraft, Photovoltaik, Wasserstoff, LNG, Biomasse und Biomethan. Auch bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum geht die Novelle weitere wichtige Schritte.

Ob die geplante Novellierung des BauGB jedoch die erhoffte Beschleunigung für die Energiewende und den Wohnungsbau bringt, bleibt abzuwarten. In jedem Fall werden die neuen Regelungen weiteren Beratungsbedarf bei Energieerzeugern, Unternehmen aus der Baubranche und den Planungs- und Genehmigungsbehörden auslösen.