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Die Lizenzierung von standard­essentiellen Patenten: Werden sich Licensing Negotiation Groups auf dem Markt durchsetzen?

14.08.2024

Es ist allgemein bekannt, dass die Lizenzierung von standardessentiellen Patenten („SEP") zu zahlreichen Kontroversen und Rechtsstreitigkeiten zwischen SEP-Inhabern und Patentnutzern geführt hat. Dies hat in jüngster Zeit zu gesetzgeberischen Bemühungen in der EU in Form von Diskussionen über die Einführung einer SEP-Verordnung geführt, mit der bestimmte Probleme auf dem Markt angegangen werden sollen, einschließlich der von SEP-Inhabern geforderten Lizenzkonditionen, die vermeintlich nicht fair, vernünftig und nicht diskriminierend („FRAND“) sind (siehe hierzu unsere Noerr Insight).

Ein Instrument, das in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit vorgeschlagen wurde, aber nicht Teil der legislativen Bemühungen ist, ist der Einsatz von Lizenzverhandlungsgruppen („Licensing Negotiation Groups“ oder „LNG“), die Lizenzbedingungen für mehrere Patentnutzer aushandeln. Sie sind praktisch das Gegenstück zu Patentpools, die im Auftrag von SEP-Inhabern Lizenzbedingungen aushandeln. Bisher haben sich LNGs auf dem SEP-Lizenzierungsmarkt nicht durchgesetzt, nicht zuletzt wegen kartellrechtlicher Bedenken. Insbesondere hatte das Konzept von LNGs Bedenken aufgeworfen, dass sie Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern darstellen, die den Wettbewerb einschränken können und damit gegen das Kartellverbot (Art. 101 AEUV und § 1 GWB) verstoßen. Eine vor kurzem erschienene Erklärung des Bundeskartellamtes zur sogenannten Automotive Licensing Negotiation Group („ALNG“) (eine LNG für SEP für Mobilfunktechnologien) hat nun die Möglichkeit eröffnet, dass sich LNGs bald doch auf dem Markt durchsetzen könnten.

Die Mitteilung des Bundeskartellamts im Fall ALNG

Am 10. Juni 2024 gab das Bundeskartellamt durch Mitteilung bekannt, dass es die Gründung der ALNG durch mehrere namhafte SEP-Nutzer (BMW, Mercedes-Benz, Thyssenkrupp und VW) tolerieren wird. Die Mitteilung des Bundeskartellamt erfolgte in Form eines Schreibens des Vorsitzenden der zuständigen Beschlussabteilung (Vorsitzendenschreiben), nachdem die Mitglieder des ALNG selbst eine kartellrechtliche Prüfung ihrer Pläne (gemäß § 32c GWB) beantragt hatten.

Nach einer umfassenden Prüfung, die auch eine Marktuntersuchung umfasste, beschloss das Bundeskartellamt, die ALNG bei Erfüllung bestimmter Kriterien und unter strengen Auflagen zu tolerieren:

  • Marktanteile: Bei gemeinsamen Einkaufsaktivitäten (z. B. gemeinsamen Lizenzverhandlungen) sieht das europäische Kartellrecht für einen gemeinsamen Marktanteil einen Schwellenwert von 15 % vor. Wird dieser Schwellenwert nicht überschritten, so wird davon ausgegangen, dass die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft nicht über so viel Marktmacht verfügen, dass ihre Bemühungen zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen. Wichtig ist, dass die Schwelle sowohl für den Einkaufs-/Lizenzierungsmarkt als auch für den nachgelagerten Absatzmarkt für Endprodukte gilt.

Im Falle der ALNG vertrat das Bundeskartellamt die Auffassung, dass der gemeinsame Anteil der (derzeitigen und potenziellen künftigen) Teilnehmer an der Erteilung von Lizenzen für allgemeine Mobilfunktechnologien 15 % nicht überschreiten wird, während dieser Schwellenwert bei der Erteilung von Lizenzen für automobilspezifische SEP überschritten werden kann. Dementsprechend ist die ALNG ausdrücklich auf die Lizenzierung von allgemeinen Mobilfunk-SEP beschränkt.

Bei den nachgelagerten Märkten für den Verkauf von Endprodukten (Fahrzeuge) sah das Bundeskartellamt den Schwellenwert ebenfalls als überschritten an. Da die Kosten für SEP-Lizenzen für allgemeine Mobilfunktechnologien jedoch vergleichsweise gering sind, kam das Bundeskartellamt zu dem Schluss, dass eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs auch auf diesen Märkten unwahrscheinlich ist.

  • Offenheit: Das Bundeskartellamt hielt es auch für notwendig und forderte daher, dass die ALNG auch für Zulieferer der Automobilbranche offen bleibt, die ebenfalls Anspruch auf und Interesse an der Lizenzierung der jeweiligen SEP haben könnten.
  • Freiwillige Verhandlungen: Das Bundeskartellamt forderte die Mitglieder der ALNG außerdem auf, auch bilaterale Verhandlungen mit SEP-Inhabern und Patentpools anzubieten, um die möglichen Auswirkungen der Bündelung der Kaufkraft weiter abzumildern.
  • Maßnahmen zur Begrenzung des Informationsaustauschs: Um einen unzulässigen Austausch von wettbewerblich sensiblen Informationen zwischen den ALNG-Mitgliedern auszuschließen, verlangte das Bundeskartellamt die Umsetzung von zuvor von der ALNG angebotenen vorsorglichen organisatorischen Maßnahmen. Durch diese Maßnahmen soll der Informationsaustausch auf das beschränkt werden, was für die gemeinsamen Lizenzierungsbemühungen unbedingt erforderlich ist.
  • Mitteilung künftiger Änderungen: Schließlich verpflichtete das Bundeskartellamt die ALNG, dem Bundeskartellamt jede künftige Erweiterung des Tätigkeitsbereichs und jede andere wesentliche Änderung mitzuteilen.

Die Mitteilung hindert das Bundeskartellamt zwar nicht daran, die Bemühungen der ALNG in Zukunft erneut zu prüfen, doch gibt sie den beteiligten Unternehmen eine gewisse Rechtssicherheit, dass die ALNG (in ihrer derzeitigen Form) mit dem europäischen/deutschen Kartellrecht vereinbar ist.

Was dies für die Zukunft bedeuten kann

Es bleibt abzuwarten, ob die Aktivitäten der ALNG-Mitglieder und die entsprechende Erklärung des Bundeskartellamts zu weiteren Bemühungen von Patentnutzern um die Bildung von LNGs führen werden. In jedem Fall müssten solche Bemühungen auch mit dem Kartellrecht in anderen Rechtsordnungen übereinstimmen, soweit die Verhandlungen globale Lizenzen betreffen (was häufig der Fall ist).

Angesichts der vermeintlichen Probleme hinsichtlich der SEP-Lizenzierung und da LNGs in der Vergangenheit als eine von vielen Lösungen vorgeschlagen wurden (siehe z.B. Vorschlag 75 in diesem Bericht einer von der Europäischen Kommission einberufenen Expertengruppe), könnte es sich für die Patentnutzer sehr wohl lohnen, Pläne für eigene LNGs ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die Mitteilung des Bundeskartellamtes gibt weitere Hinweise zur kartellrechtskonformen Organisation und Strukturierung solcher LNGs. Insbesondere die Tatsache, dass die Marktanteilsschwelle von 15 % trotz der Größe der ALNG-Mitglieder keine unüberwindbare Hürde darstellte, dürfte die Anreize für solche Bemühungen in Zukunft verstärken.

Für SEP-Inhaber und Patentpools wiederum könnte es weniger aufwändig sein, mit einer einzigen LNG zu verhandeln als mit vielen einzelnen Patentnutzern. Andererseits könnte die kombinierte Verhandlungsmacht der LNG auch zu negativen Ergebnissen bei den tatsächlichen Lizenzbedingungen auf Seiten der Lizenzgeber führen. In dieser Hinsicht wird es interessant sein zu beobachten, wie die von den Kartellbehörden auferlegten Beschränkungen (z. B. Beschränkungen, welche Art von SEP Teil der Verhandlungen sein können, und die obligatorische Option für bilaterale Verhandlungen mit einzelnen Patentnutzern) in der Praxis funktionieren werden. In jedem Fall sind SEP-Inhaber und Patentpools gut beraten, Strategien für Verhandlungen mit LNGs zu entwickeln, sollten diese tatsächlich auf dem SEP-Lizenzierungsmarkt Fuß fassen.