CSRD-Umsetzungsgesetz auf der Kippe – Folgen für deutsche Unternehmen
Die Richtlinie (EU) 2022/2464 vom 14. Dezember 2022 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) hätte eigentlich bis zum 06.07.2024 durch den deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden müssen.
Zwar liegt seit dem 22. März 2024 ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vor. Am 24. Juli 2024 hat das Bundeskabinett auch den Regierungsentwurf beschlossen, jedoch sind die Chancen aufgrund der Uneinigkeit im Bundestag und aufgrund der aktuellen Regierungskrise sehr gering.
Nach einer ersten Lesung im Oktober, bei dem auch Verbände und Unternehmen angehört worden hatten sich SPD und Bündnis 90/Die GRÜNEN auf eine geänderte Fassung geeinigt. In der vergangenen Woche wurde die Entscheidung hierüber jedoch nochmals vertagt. Die CDU/CSU ist der Auffassung, dass die Richtlinie auf europäischer Ebene nachverhandelt werden müsse, da sie eine unverhältnismäßige Belastung für Unternehmen bedeute und zu einer überbordenden Bürokratie führe. Nach dem Ende der Ampelkoalition ist also der Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens in dieser noch laufenden Legislaturperiode daher mehr als ungewiss und es gilt als wahrscheinlich, dass das Gesetzgebungsverfahren bis zum 21. Dezember 2024 nicht abgeschlossen wird.
Die Europäische Kommission hat bereits am 26. September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 16 weitere Mitgliedsstaaten eingeleitet (wir berichteten) und wird eine Antwort von der Bundesregierung erwarten.
CSRD-Umsetzungsstand
Am 6. Dezember 2023 setzte Frankreich als erstes europäisches Land die neue Richtlinie in nationales Recht um. Der aktuelle Stand der Umsetzung ist im EU-Rechtsportal EUR-Lex einsehbar (Richtlinie - 2022/2464 - EN - EUR-Lex).
In den folgenden weiteren Ländern wurde die CSRD bereits umgesetzt: Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Ungarn, Irland, Italien, Liechtenstein, Litauen, Norwegen, Rumänien, Slowakei, Schweden, wobei die Kommission dennoch gegen einige Staaten (z.B. Schweden und Tschechien) wegen einer Verzögerung der Anwendung Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat.
Andere Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sind dabei, ihre Umsetzungspläne an die Anforderungen der CSRD anzupassen, wobei es durchaus Unterschiede in der Umsetzung gibt.
Folgen für Unternehmen angesichts fehlender Umsetzung
Eine nicht fristgerechte Umsetzung führt nicht dazu, dass die Unternehmen unmittelbar aus der CSRD heraus verpflichtet werden, einen CSRD-Bericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Für die betroffenen Unternehmen ist aktuell somit nur der derzeitige Rechtsstand maßgeblich, auch wenn dieser nicht CSRD-compliant ist.
Rechtliche Grenzen einer Rückwirkung eines künftigen Umsetzungsgesetzes
Eine rückwirkende Anwendung eines Umsetzungsgesetzes für 2024, ist wegen des verfassungsrechtlich verankerten Rückwirkungsverbot nach Art. 20 GG nicht zu erwarten (Verbot „echter Rückwirkung“). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist eine echte Rückwirkung grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt auch für die Umsetzung von EU-Richtlinien. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht auch in Fällen einer echten Rückwirkung Ausnahmen zugelassen, insbesondere wenn mit Änderungen der Gesetzeslage zu rechnen war. Dies alleine genügt jedoch nicht. Es müssen zudem überragende Gründe des Gemeinwohls dafür vorliegen.
Möglicherweise werden betroffene Unternehmen jedoch bereits für 2025 einen Bericht erstellen und veröffentlichen müssen, auch wenn das Umsetzungsgesetz erst im Laufe des Jahres 2025 erlassen wird. Denn – auch dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – soweit belastende Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber an einen Sachverhalt anknüpfen, der noch nicht abgeschlossen ist (Ereignisse des laufenden Geschäftsjahres), liegt eine „unechte“ Rückwirkung vor, die nicht grundsätzlich unzulässig. Aber auch an die Zulässigkeit eines Gesetzes mit unechter Rückwirkung sind hohe Anforderungen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Interessen der Allgemeinheit, die mit dem Umsetzungsgesetz verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelunternehmens auf die Fortgeltung der Rechtslage ablegen. Dabei muss auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.
Zu diesem Ergebnis kommt wohl auch ein vom IDW in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten.
Weitergeltung der bislang geltenden Berichtspflicht
Solange das Umsetzungsgesetz also nicht in Kraft tritt, gelten für Unternehmen die bislang geltenden Regelungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung, d.h. kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen mit ihm Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmern werden auch für das Geschäftsjahr 2024 noch zu einer nichtfinanziellen Berichterstattung Erklärung nach den geltenden Regeln des HGB verpflichtet.
Im Gesetzesentwurf sollte für die ganz großen Unternehmen auch die Berichtspflicht ab 01. Januar 2024 am 08. November 2024 verabschiedet werden. Die Frage nach der verfassungsmäßigen Zulässigkeit hat trotz der fehlenden Zeitnähe der Aufzeichnungen niemand gestellt. Davon ist auch nächstes Jahr auszugehen.
Allerdings unterliegen diese Berichte keiner externen Pflichtprüfung. Von den Abschlussprüfern ist formell nur zu prüfen, ob der nichtfinanzielle Bericht vorliegt (§ 317 Abs. 2 HGB). Die materielle Prüfungspflicht obliegt allenfalls dem Aufsichtsrat des berichtspflichtigen Unternehmens (§ 171 Abs. 1 AktG). Es bleibt dem Aufsichtsrat dabei möglich, eine externe inhaltliche Überprüfung im Hinblick auf die Plausibilität des Berichts (eine Vollprüfung ist rechtlich nicht erforderlich) in Auftrag zu geben.
Erstellung eines freiwilligen Berichts?
Falls das Gesetz 2024 nicht mehr verabschiedet wird (und damit weiterhin die bisherigen Regelungen bestehen bleiben), wird diskutiert, ob Unternehmen immer noch freiwillig einen vollständigen Bericht nach den europäischen Berichtsstandards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, kurz ESRS, (Delegierte Verordnung (EU) 2023/2772 vom 31. Juli 2023) erstellen sollten und diesen prüfen lassen, um zumindest ihre Tochterunternehmen auch im Ausland zu befreien.
Wenn kein zentraler freiwilliger CSRD-Bericht erstellt wird, müssten die betreffenden Tochterunternehmen in denjenigen Ländern, in denen die CSRD bereits umgesetzt wurde jedenfalls selbst einen Bericht erstellen, sofern diese in den Anwendungsbereich fallen.
Zu beachten ist allerdings, dass die CSRD Unternehmen in den ersten Berichtsjahren die Möglichkeit eröffnet, von bestimmten Angabepflichten vorübergehend abzuweichen. Wird jedoch freiwillig ein vollständig CSRD-konformer Bericht erstellt und veröffentlicht, so könnte möglicherweise das entsprechende Geschäftsjahr als erstes Berichtsjahr im Sinne der Richtlinie gewertet werden. Dies könnte dann zur Folge haben, dass die Übergangsfristen für die vorgesehenen Erleichterungen bereits mit der freiwilligen Berichterstattung zu laufen beginnen. Unternehmen, die einen solchen Schritt erwägen, sollten daher sorgfältig prüfen, wenn sie auf freiwilliger Basis einen CSRD-Bericht erstellen.
Auswirkungen im Hinblick auf die Berichterstattung nach dem LkSG
Der Regierungsentwurf zum CSRD-Umsetzungsgesetz (Art. 3) sah eine Änderung des § 10 LkSG vor, wonach Unternehmen die entweder verpflichtend oder auch freiwillig einen CSRD-Bericht veröffentlichen nicht zusätzlich einen LkSG-Bericht aufstellen und an das BAFA übermitteln müssen. Dies wäre eine durchaus begrüßenswerte Erleichterung der bislang geltenden Rechtslage.
Ohne die Umsetzung der CSRD müssen Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, nach wie vor einen LkSG-Bericht erstellen, auch wenn das BAFA in den FAQ (Ziffer 13.3) mitgeteilt hat, dass es die LkSG-Berichte erst erstmalig zum Stichtag 1. Januar 2026 das Vorliegen des Berichts nach dem LkSG sowie dessen Veröffentlichung prüfen werde (wir haben darüber berichtet). Demgemäß ist nach wie vor der LkSG-Bericht zu erstellen. Eine Einreichung und Veröffentlichung des Berichts für das Jahr 2023 respektive für das Jahr 2024 ist indessen ausreichend bis zum 31. Dezember 2025.
Das BAFA betont allerdings, dass die Erfüllung der übrigen Sorgfaltspflichten gemäß der §§ 4 bis 10 Absatz 1 LkSG sowie deren Kontrolle und Sanktionierung durch das BAFA, für welche auch Angaben aus einem Bericht Anlass geben können, von dieser Stichtagsregelung nicht berührt werden. Mithin bleibt es dabei, dass zumindest die Grundsatzerklärung nach § 6 Abs. 2 LkSG zu veröffentlichen ist. Das BAFA hat insoweit bereits begonnen, risikobasiert Unternehmen anzuschreiben, um Fragen zu stellen hinsichtlich der Durchführung der Risikoanalyse und der Erstellung der Grundsatzerklärung.
Künftiges Umsetzungsgesetz und Reformpläne der EU Kommission
Mit einem neuen CSRD-Umsetzungsgesetz ist voraussichtlich erst nach der Neuwahl des Bundestags, frühestens im Herbst 2025 zu rechnen. Sollte dies so kommen, müssten alle großen Unternehmen iSd § 267 HGB einen Nachhaltigkeitsbericht für 2025 aufstellen und prüfen lassen.
Die Präsidentin der EU Kommission Ursula von der Leyen hat indessen im Rahmen einer Pressekonferenz angekündigt, in einem regulierungsübergreifenden Gesetzgebungsakt (sog. „Omnibus-Verordnung“) die Regelungen der CSRD, CSDDD und der EU Taxonomie zu streamlinen, ohne jedoch die grundsätzlichen Pflichten aufzuheben. Dies ist eine Reaktion auf die europaweiten Beschwerden der Wirtschaftsakteure, die vor allem eine überbordende Bürokratie monieren. Es wird zwar möglicherweise einfacher entsprechende Berichte zu erstellen, indessen werden Unternehmen auch künftig zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung verpflichtet sein.
Sprechen Sie uns gerne dazu an.