Corona-Tests in Unternehmen: Wann müssen und wann dürfen Arbeitgeber einen Corona-Test verlangen?
Mit Bund-Länder-Beschluss zur Eindämmung des Corona-Virus vom 22.03.2021 haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder festgestellt, dass angesichts der steigenden Infektionszahlen eine Teststrategie in allen Unternehmen notwendig sei. Unternehmen sollten zunächst auf Basis einer rein freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft angehalten werden, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nicht im Homeoffice arbeiten, einen Corona-Test „anzubieten“.
Nachdem die Wirtschaft ihrer Selbstverpflichtung aus Sicht der Bundesregierung nicht hinreichend nachgekommen ist, hatte das Bundeskabinett am Dienstag, den 13.04.2021, seine Teststrategie mit der „Zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung“ rechtlich verankert. Seit dem 20.04.2021 mussten Arbeitgeber jedem Mitarbeiter einmal pro Woche einen Corona-Test anbieten. Nur für besondere Beschäftigtengruppen mit einem tätigkeitsbedingt erhöhten Infektionsrisiko waren mindestens zwei wöchentliche Corona-Tests erforderlich. Mit der „Dritten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung“ vom 21.04.2021, die mit Wirkung zum 23.04.2021 in Kraft getreten ist, wurde die Teststrategie dahingehend modifiziert, dass nun allen Mitarbeitern mindestens zweimal pro Woche ein Corona-Test angeboten werden muss.
Die beschlossenen Änderungen der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung werfen zwei zentrale Fragen auf:
(1) In welchem Umfang sind Arbeitgeber verpflichtet, Corona-Tests durchzuführen?
(2) Können Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Durchführung eines Corona-Tests verlangen?
I. Gibt es eine Corona-Test-Pflicht für Arbeitgeber?
1.1 Angebotspflicht statt Test-Pflicht auf Bundesebene
Auf Bundesebene besteht derzeit weiterhin keine Pflicht für Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter auf das Corona-Virus testen zu lassen. Arbeitgeber sind lediglich verpflichtet, Corona-Tests anzubieten. Den Arbeitnehmern steht es frei, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Erklärtes Ziel des Verordnungsgebers ist es, symptomfreie Corona-Infizierte in Unternehmen frühzeitig zu identifizieren und Infektionsketten rasch zu unterbrechen.
1.2 Was bestimmt die Arbeitsschutzverordnung konkret?
Konkret besteht mit § 5 Abs. 1 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ab dem 23.04.2021 für alle Betriebe, Einrichtungen und Verwaltungen in Deutschland, deren Mitarbeiter nicht im Homeoffice arbeiten, die Pflicht eingeführt, jedem Mitarbeiter mindestens zweimal in der Woche einen Corona-Test anzubieten. Die bisherige Regelung für besondere Beschäftigungsgruppen in § 5 Abs. 2 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wurde ersatzlos gestrichen.
1.3 Welcher Corona-Test ist anzubieten?
Die Verordnung trifft keine Vorgaben hinsichtlich der Art des Corona-Tests. Nach der Begründung zum Referentenentwurf können PCR-Tests oder Antigen-Schnelltests zur professionellen oder zur Selbstanwendung angeboten werden.
1.4 Wer trägt die Kosten für die Tests?
Anders als einige Landesregelungen – siehe hierzu unter Ziffer I. 2. – trifft § 5 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung keine Regelung zur Kostentragung. Allerdings folgt aus der Begründung des Referentenentwurfs, dass der Arbeitgeber die Kosten zu tragen hat.
1.5 Welche Aufbewahrungspflichten treffen Arbeitgeber?
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung bestimmt in § 5 Abs. 2, dass Arbeitgeber den Nachweis über die Beschaffung der Corona-Tests oder Vereinbarungen mit Dritten über die Testung für vier Wochen aufzubewahren haben. Diese Aufbewahrungspflicht soll den Arbeitsschutzbehörden und Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger eine Überprüfung der Test-Angebote ermöglichen. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Corona-Test-Angebot angenommen haben, ist hingegen nicht zu dokumentieren.
1.6 Können Corona-Tests bestehende Arbeitsschutzmaßnahmen ersetzen?
Nein. Nach der Intention des Verordnungsgebers sollen diese verpflichtenden Testangebote als zusätzliche Maßnahme des betrieblichen Infektionsschutzes neben bestehende Arbeitsschutzmaßnahmen treten. Corona-Tests können also nicht bestehende Infektionsschutzmaßnahmen wie z. B. die Maskenpflicht oder die Einhaltung des Mindestabstands ersetzen.
2. (Partielle) Corona-Test-Pflicht auf Landesebene
Neben der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung existieren auf Landesebene bereits unterschiedliche Regelungen zu Corona-Tests in Unternehmen, so z. B. in Berlin, Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Diese Landesregelungen gehen teilweise über die Anforderungen der neuen Arbeitsschutzverordnung hinaus:
2.1 Angebot von Corona-Tests
In Anlehnung an den Bund-Länder-Beschluss vom 22.03.2021 haben einige Bundesländer Arbeitgeber dazu verpflichtet, bestimmten Arbeitnehmergruppen einen Corona-Test anzubieten. So hat beispielsweise das Bundesland Sachsen beschlossen, dass Arbeitgeber allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die am Arbeitsplatz präsent sind, einmal pro Woche ein „Angebot“ auf einen kostenlosen Corona-Test unterbreiten müssen (§ 3a Abs. 1 SächsCoronaSchVO). Das Bundesland Berlin verlangt zwei kostenlose Corona-Tests pro Woche in Form eines Point-of-Care (PoC)-Antigen-Tests (§ 6a Abs. 1 2. InfSchMV).
2.2 Corona-Test-Pflicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Einige Bundesländer haben darüber hinaus eine Corona-Test-Pflicht für bestimmte Branchen oder Wirtschaftszweige eingeführt. So müssen etwa Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen das Angebot des Arbeitgebers auf einen Corona-Test annehmen, wenn sie „direkten“ Kundenkontakt haben (§ 3a Abs. 2 SächsCoronaSchVOVerordnung). In Berlin hingegen müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Angebot nur annehmen, wenn sie „körperlichen“ Kontakt zu Kunden oder Dritten haben (§ 6a Abs. 2 Satz 2 2. InfSchMV). In anderen Bundesländern – wie z. B. in Bayern und in Hessen – besteht eine Test-Pflicht nur für Personal in Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Altenheimen (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 12. BayIfSMV und § 1b Abs. 2 und § 1c Hessische Corona-Einrichtungsschutzverordnung).
II. Können Arbeitgeber einen Corona-Test verbindlich anordnen?
Während der Gesetz- und Verordnungsgeber augenscheinlich eine Veranlassung sah, Arbeitgebern verpflichtende Testangebote aufzuerlegen, wird Handlungsbedarf mit Blick auf eine etwaige Annahmepflicht solcher Tests durch Mitarbeiter derzeit anscheinend nicht gesehen. Insofern stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter verbindlich zur Durchführung eines von ihm angebotenen Corona-Tests anweisen kann.
1. (Derzeit) kein anlassloses Recht zu Corona-Tests
Grundsätzlich ist eine arbeitgeberseitige Weisung, vor Arbeitsbeginn einen Corona-Test durchzuführen, denkbar. Allerdings wird eine entsprechende Weisung – trotz der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung – wohl nur im Ausnahmefall zulässig sein. Die Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen Test-Weisung hängt nach § 106 Satz 1 GewO i. V. m. § 315 BGB davon ab, dass sie billigem Ermessen entspricht. Billigem Ermessen entspricht die Weisung nur dann, wenn die arbeitgeberseitigen Interessen an einem Corona-Test die Interessen des Arbeitnehmers an der Nichtdurchführung überwiegen. Maßgeblich sind stets die Umstände im jeweiligen Einzelfall.
Auf Seiten des Arbeitgebers ist insofern zu berücksichtigen, dass dieser nach den Prinzipien der Risikovermeidung und -minimierung (§ 4 Nr. 1 ArbSchG) die Arbeit so zu gestalten hat, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden wird. Verbleibende Gefahren muss er möglichst gering halten. Dieser Schutzpflicht kann der Arbeitgeber besonders wirksam nachkommen, wenn er von einer möglichen Corona-Infektion seiner Mitarbeiter Kenntnis hat. Gleichzeitig sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit Dritter (d. h. von Arbeitskollegen und externen Dritten) nach Möglichkeit Sorge zu tragen (§ 15 Abs. 1 ArbSchG).
Diesen arbeitgeberseitigen Schutzinteressen stehen allerdings gewichtige, grundrechtlich geschützte Interessen der Mitarbeiter gegenüber, namentlich das allgemeine Selbstbestimmungsrecht sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Ein allgemeines, anlassloses Recht des Arbeitgebers, „flächendeckend“ Corona-Tests anzuweisen, besteht daher nicht – jedenfalls solange eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht existiert. Eine Test-Pflicht oder ein Test-Recht des Arbeitgebers sieht die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung gerade nicht vor. Die arbeitgeberseitigen Interessen haben nicht per se Vorrang. Die vorzunehmende Interessenabwägung kann allerdings im Einzelfall zu Gunsten des Arbeitgebers ausfallen – jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte den Verdacht einer Infektion nahelegen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Mitarbeiter (in engem zeitlichen Zusammenhang) typische Krankheitssymptome zeigt, positiv auf Corona getestet worden ist oder aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist. Ggf. kann auch die Etablierung eines arbeitgeberseitigen Schutzkonzepts für bestimmte Arbeitssituationen (etwa Arbeiten, die zwingend auf engem Raum und ohne Ausweichmöglichkeit durchzuführen sind) eine ausreichende Rechtfertigung für Test-Weisungen ohne konkreten Krankheitsverdacht sein.
2. Corona-Tests durch Betriebsvereinbarung
Will ein Arbeitgeber für seine Mitarbeiter eine Testpflicht – etwa aufgrund eines konkret entwickelten Schutzkonzepts etablieren – ist das Mitbestimmungsrecht eines etwaig vorhandenen Betriebsrats zu beachten (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG).
Bislang nicht gerichtlich geklärt ist, ob eine Betriebsvereinbarung eine Rechtsgrundlage für anlasslose Corona-Tests sein kann, d.h. ob eine Betriebsvereinbarung in jedem Fall einen angeordneten Corona-Test rechtfertigt. Mit dieser Frage hatte sich das Arbeitsgericht Offenbach zu beschäftigen. Mit Beschluss vom 04.02.2021 (Az. 4 Ga 1/21) hat es den Eilantrag eines Arbeitnehmers zurückgewiesen, der ohne einen (anlasslosen) Corona-Schnelltest seine Arbeit aufnehmen wollte, obwohl ein solcher nach dort geltender Betriebsvereinbarung erforderlich war. Nach Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach – der derzeit nur als Pressemitteilung vorliegt – fehle es „unter anderem“ an der Eilbedürftigkeit einer sofortigen Entscheidung. Ob das Arbeitsgericht die gegenständliche Betriebsvereinbarung für wirksam hielt, lässt sich der Pressemitteilung nicht entnehmen. Eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht noch aus.
In diesem Zusammenhang wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass auch die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1 BetrVG an Recht und Billigkeit (und mittelbar auch an die Grundrechte) gebunden sind. Eine anlasslose Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer könnte mithin nur dann wirksam vereinbart werden, wenn die Betriebsparteien aufgrund einer durchgeführten Interessenabwägung zu dem Schluss kommen, dass vor bestimmten Arbeiten zwingend ein Corona-Test durchzuführen ist, insbesondere weil auf anderem Wege keine hinreichenden Schutzmaßnahmen getroffen werden können. Sofern Betriebsparteien die Etablierung einer Corona-Testpflicht beabsichtigen, sollte idealerweise auf eine Dokumentation der vorgenommenen Interessenabwägung in der Betriebsvereinbarung selbst geachtet werden.
III. Fazit
Ein verpflichtendes Testangebot durch den Arbeitgeber ohne korrespondierende Testpflicht der Mitarbeiter wird die Infektionsbekämpfung nicht wirklich voranbringen. Die Verordnungsgeber einzelner Bundesländer gehen dementsprechend weiter als der Bund. Effektive Pandemiebekämpfung im Betrieb bleibt damit dennoch eine Aufgabe der Betriebsparteien, die – jedenfalls mit der Vereinbarung eines differenzierten Testkonzepts – Infektionsketten im Betrieb aktiver vorbeugen können, als dies Unternehmen einseitig können.