News

Deutsche Fusions­kontrolle: neue Eingriffs­befugnisse und Warten auf Bundestags­wahlen

Competition Outlook 2025

29.01.2025

Mit der Ende 2023 in Kraft getretenen 11. GWB-Novelle erhielt das Bundeskartellamt erweiterte Eingriffsbefugnisse im Anschluss an Sektoruntersuchungen (dazu bereits unsere Noerr Insights und unser Competition Outlook 2024). Seitdem können gemäß § 32f GWB unter bestimmten Voraussetzungen nach einer Sektoruntersuchung gezielte Maßnahmen angeordnet werden, um festgestellte Wettbewerbsstörungen abzustellen. Diese Neuerung steht auch weiterhin im Mittelpunkt der Diskussionen über die Rolle und Effektivität der deutschen Fusionskontrolle.

Behutsames Vorgehen bei der Anwendung neuer Eingriffsbefugnisse

Das Bundeskartellamt führte zuletzt Sektoruntersuchungen in den Bereichen Siedlungsabfälle und E-Ladeinfrastruktur durch.

Anlass der Sektoruntersuchung im Bereich Siedlungsabfälle war unter anderem die Gefahr, dass durch die Anhebung der Umsatzschwellen in § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB Übernahmen zahlreicher kleinerer Unternehmen durch größere Unternehmen der Branche im mittelständisch geprägten Entsorgungssektor unkontrolliert bleiben. Die Sektoruntersuchung ergab, dass die Rethmann-Gruppe sowohl bundesweit als auch regional Marktführer mit beachtlichen Marktanteilen ist. Mit Veröffentlichung des Abschlussberichts gab das Bundeskartellamt bekannt, nach Auswertung von Stellungnahmen aus interessierten Wirtschaftskreisen zu prüfen, ob Rethmann gemäß § 32f Abs. 2 GWB zur Anmeldung von Zusammenschlussvorhaben verpflichtet werden soll. Für den Erlass einer solchen Verfügung hätte das Bundeskartellamt zumindest bis zum 28.06.2025 Zeit.

Im Bereich der E-Ladeinfrastruktur hingegen liegen die Voraussetzungen für den Erlass derartiger Verfügungen nicht vor, wie das Bundeskartellamt in seiner Pressemitteilung zum Abschlussbericht anmerkte.

Diese beiden Beispiele indizieren, dass das Bundeskartellamt die neuen Eingriffsbefugnisse mit Augenmaß zu handhaben gedenkt. Die Anwendungspraxis steht aber noch am Anfang. Ein klareres Bild darüber, wie vorsichtig oder aggressiv das Bundeskartellamt von seinen Befugnissen Gebrauch machen wird, werden erst zukünftige Sektoruntersuchungen zeigen können.

Themen der Zukunft in der deutschen Fusionskontrolle

Bereits vor dem Bruch der Ampel-Koalition war aus Regierungskreisen zu vernehmen, dass die für 2025 geplante 12. GWB-Novelle wohl nicht kommen werde. Offenbar lagen auch in diesem Bereich die Vorstellungen der Koalitionspartner zu weit auseinander. Die Debatte über eine Weiterentwicklung der deutschen Fusionskontrolle geht hingegen weiter. Die Richtung und das Ausmaß möglicher Gesetzesänderungen werden sich frühestens dann abschätzen lassen, wenn die Ergebnisse der für den 23.02.2025 terminierten Bundestagswahl vorliegen und sich abzeichnet, welche Parteienkoalition die nächste Bundesregierung stellen wird.

Eine allgemeine Absenkung der Schwellenwerte des § 35 GWB, um Übernahmen kleinerer, innovativer Unternehmen in die Fusionskontrolle einzubeziehen, ist wenig wahrscheinlich. Hierdurch würden viele unproblematische Transaktionen erfasst und dadurch allgemein die Bürokratielasten für Unternehmen erhöht.

Denkbar wäre dagegen eine Weiterentwicklung der transaktionswertbezogenen Aufgreifschwelle, um den Erwerb potenziell wettbewerbsstarker Start-ups durch Großunternehmen – sogenannte Killer Acquisitions und auch andere Kooperationsformen wie etwa die Übernahme hochqualifizierten Personals mit speziellem Know-how – sogenannte Acqui-hires – (näheres zum Fall Microsoft/Inflection in unseren Noerr Insights) noch passgenauer erfassen zu können."

Dieser Artikel ist Teil des Competition Outlook 2025. Alle Artikel des Competition Outlooks finden Sie hier.