BGH bejaht Abtretbarkeit von Auskunftsansprüchen zu Bankentgelten an Inkassounternehmen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass das Abtretungsverbot in § 399 Var. 1 BGB (Inhaltsänderung) der Abtretung von Auskunftsansprüchen zu Bankentgelten (§ 10 ZKG, § 675d Abs. 1 BGB und § 675c Abs. 1 BGB i. V. m. § 666 BGB) nicht entgegensteht. Das gilt auch dann, wenn diese Ansprüche an einen Inkassodienstleister abgetreten werden, dessen Geschäftsmodell darin besteht, die Auskünfte zu nutzen, um vermeintliche Ansprüche auf Erstattung überzahlter Entgelte im Rahmen einer Stufenklage zu beziffern (Az. XI ZR 111/23). Eine Stärkung des Geschäftsmodells von Inkassodienstleistern folgt aus dem Urteil jedoch nicht.
I. Hintergrund
Am 27.04.2021 urteilte der BGH (XI ZR 26/20), dass eine branchenübliche Klausel unwirksam ist, die die Zustimmung von Kunden zur Änderung von Entgelten bei fehlendem Widerspruch der Kunden fingiert. Das Urteil rief diverse Rechtsdienstleister auf den Plan, die Bankkunden niederschwellige Angebote machten, um Entgelte zurückzufordern, die auf der Grundlage der unwirksamen AGB-Klausel eingeführt oder erhöht wurden.
Die für die Begründung und Bezifferung des Anspruchs notwendigen Informationen forderten die Rechtsdienstleister jedoch nicht von ihren Kunden. Vielmehr erstreckte sich die Abtretung der Kunden auf bankrechtliche Auskunftsansprüche, etwa aus § 10 ZKG und § 675d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 248 §§ 4, 5 EGBGB. Auf deren Grundlage – so die Idee – sollte dann beurteilt werden, welche Entgelte zuletzt wirksam vereinbart und vom Kunden tatsächlich gezahlt wurden. Bei Auskunfts- und Zahlungsverweigerungen seitens der Banken erhoben die Rechtsdienstleister Stufenklagen gemäß § 254 ZPO.
Die Wirksamkeit einer Abtretung von Auskunftsansprüchen war – ebenso wie die Erfolgsaussichten des Geschäftsmodells insgesamt – umstritten (vgl. Überblick bei Lühmann/Taufmann/Fürbringer, NJW 2023, 3121). Das vorliegende BGH-Urteil betrifft die vom Landgericht Bonn noch bejahte Frage, ob der Wirksamkeit der Abtretung das Abtretungsverbot gemäß § 399 Fall 1 BGB entgegensteht. Nach dieser Vorschrift kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.
II. Entscheidung des BGH
1. Kein Abtretungsverbot gemäß § 399 Fall 1 BGB
Der BGH teilt die Auffassung des Landgerichts Bonn nicht und verneint das Abtretungsverbot vorliegend, weil sich der Inhalt der Leistungspflicht der Bank durch die Abtretung nicht ändere.
Ausschlaggebend ist dabei für den BGH, dass die Auskunftsansprüche nicht höchstpersönlich seien und sich ausschließlich auf Entgelte im Rahmen des Zahlungsdiensterahmenvertrags und des Zahlungskontos beziehen würden, ohne dass Rückschlüsse auf personenbezogene Daten ermöglicht würden (Rn. 25 ff.).
Der BGH verneint zudem ein besonderes schutzwürdiges Interesse der Bank, die entgeltbezogenen Informationen nur dem Kunden gegenüber offenzulegen, wenn der Kunde ausweislich der Abtretung wünscht, dass die Auskunft einem Dritten erteilt wird (Rn. 27 f.). Dass die Auskunftsansprüche teilweise eine Verbrauchereigenschaft voraussetzen (vgl. § 10 ZKG), ist für den BGH ohne Bedeutung, weil der Fortbestand des einmal entstandenen Anspruchs nicht von dem Fortbestand der Eigenschaft des Anspruchsinhabers als Verbraucher abhänge (Rn. 29 f.).
Dieses Ergebnis ist nach Auffassung des BGH auch vom Zweck der Auskunftsansprüche gedeckt. Dieser bestehe nicht allein in der Information des Kontoinhabers und der Möglichkeit, verschiedene Anbieter zu vergleichen, sondern auch darin, dem Kunden die Prüfung eigener Ansprüche zu ermöglichen (Rn. 31 ff.). Schließlich stehen der Wirksamkeit der Abtretung nach Ansicht des BGH auch datenschutzrechtliche Erwägungen nicht entgegen, wenn und weil der Kunde ausweislich der Abtretung keine Geheimhaltung wünscht.
2. Begrenzte Aussagekraft des Urteils
a) Keine Aussagen über weitere Unwirksamkeitsgründe
Der BGH überlässt die Prüfung weiterer Unwirksamkeitsgründe dem Berufungsgericht. Eine abschließende Aussage zur Wirksamkeit der Abtretung an den Inkassodienstleister folgt aus dem Urteil also nicht. Ausdrücklich verweist der BGH dabei auf die Unwirksamkeitsgründe in § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (unangemessene Benachteiligung) und § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit) (Rn. 37).
b) Akzessorischer Charakter von Auskunftsansprüchen ist zu beachten
Nach Ansicht des BGH können die hier relevanten Auskunftsansprüche zudem nicht isoliert abgetreten werden, das heißt nicht ohne den Hauptanspruch, dessen Vorbereitung und Berechnung sie dienen sollen (Rn. 37). Dieser Hinweis an das Berufungsgericht kann als Fingerzeig auf Entscheidungen verstanden werden, die die Abtretbarkeit des auf zweiter Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruchs verneint haben, weil aufgrund der Kontokorrentbindung der Kundenansprüche kein Zahlungsanspruch, sondern nur ein nicht abtretbarer Anspruch auf Saldokorrektur in Betracht kommt (vgl. AG München, Urt. v. 01.06.2022 – 171 C 21037/21; AG Marburg, 25.10.2022 – 9 C 279/22 (82)).
III. Folgen für die Praxis
Der BGH hat ein Abtretungsverbot gemäß § 399 Var. 1 BGB zwar verneint, zugleich aber die zahlreichen weiteren rechtlichen Hürden aufgezählt, denen sich das Geschäftsmodell von Rechtsdienstleistern bei der Erstattung von Bankentgelten gegenübersieht. Entscheidend dürfte dabei sein, dass der BGH nicht nur – wie schon bisher – eine isolierte Abtretbarkeit des aus dem Girovertragsverhältnis folgenden Anspruchs aus § 666 BGB verneint hat, sondern auch eine isolierte Abtretbarkeit der Ansprüche aus § 10 ZKG und § 675d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 248 § 5 EGBGB. Damit müssen Stufenklagen von Rechtsdienstleistern insgesamt scheitern, weil Kunden im laufenden Kontokorrentverhältnis keine auf Zahlung gerichteten Ansprüche (§ 812 Abs. 1 BGB) an den Rechtsdienstleister abtreten können und es damit an einer Abtretung des Hauptanspruchs fehlt, den die Auskunftsansprüche vorbereiten sollen.