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BFH erleichtert Schen­kung von Unter­nehmens­anteilen an ver­diente Mit­ar­beiter

21.03.2025

Zum Hintergrund

Im Vorfeld einer Schenkung von Gesellschaftsanteilen sind bekanntlich die schenkungsteuerlichen Folgen des Vorgangs zu prüfen. Ist der Bedachte in der Gesellschaft tätig, darf zudem nicht übersehen werden, dass die Schenkung stattdessen (ggf. sogar zusätzlich) zu steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG führen und somit (auch) der Einkommensteuer unterliegen könnte. Vor diesem Hintergrund hat bereits die Entscheidung der Vorinstanz (FG Sachsen-Anhalt v. 27.4.2022 – 3 K 161/21, RFamU 2022, 530 mAnm Daragan) in der Fachliteratur viel Beachtung erfahren (vgl. etwa Görg DB 2024, 2049; Gluth ErbStB 2024, 165). Dies vor allem aus zwei Gründen:

Zum einen hatte das FG Sachsen-Anhalt in weitgehender Übereinstimmung mit einer Entscheidung des FG Bremen (RFamU 2022, 327 mAnm Daragan) Abgrenzungskriterien zur Beurteilung der Frage herausgearbeitet, ob eine verbilligte bzw. gänzlich unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Mitarbeiter (i) im Arbeitsverhältnis veranlasst ist (und damit zu steuerbaren Einkünften iSd § 19 EStG führen kann), (ii) auf einem Sonderrechtsverhältnis beruht (das Einkünfte aus anderen Einkunftsarten als § 19 EStG begründen kann) oder (iii) dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzuordnen ist (und damit allenfalls der Schenkungsteuer unterliegt). Zum anderen rückte erneut die grundsätzliche Frage in den Fokus, ob und in welchen Konstellationen derselbe Lebenssachverhalt gleichzeitig der Einkommensteuer und der Schenkungsteuer unterliegen kann (dazu näher Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gebel, 9/2024, ErbStG Anh. zu § 7 Rn. 417 ff. mwN).

Es schien, als seien zwei Finanzgerichte in ähnlich gelagerten Fällen zu vergleichbaren Ergebnissen gelangt und hätten durch ihre Entscheidungen eine praktikable Grundlage für rechtssichere Beurteilungen bereitgestellt. Die Entscheidung der Finanzverwaltung, Revision gegen das Urteil des FG Sachsen-Anhalt einzulegen, wurde daher vielfach mit Überraschung zur Kenntnis genommen. Die Revision ließ überwunden geglaubte Rechtsunsicherheit wieder aufleben.

Die Revisionsentscheidung des BFH war mit großer Spannung erwartet worden, nicht zuletzt weil die langfristige Bindung von Mitarbeitern mit besonderer fachlicher Expertise, Branchen- und ggf. Leitungserfahrung in zahlreichen Unternehmen ein wesentliches Element der Nachfolgeplanung darstellt. Dies gilt auch, wenn zu verdienten Mitarbeitern keine familiäre Beziehung besteht, und sei es – wie im Besprechungsfall – dergestalt, dass familienfremde Mitarbeiter unentgeltlich zumindest eine Sperrminorität erhalten sollen, um mit ihrer Expertise und Erfahrung Einfluss auf grundlegende Weichenstellungen im Unternehmen zu nehmen. Es liegt auf der Hand, dass Verhandlungen über ein Nachfolgekonzept auch maßgeblich davon beeinflusst werden, ob den involvierten Mitarbeitern in belastbarer Form versichert werden kann, dass lediglich eine Schenkungsteuerbelastung im Raum steht, etwa wenn die Betriebsvermögensverschonung nach den §§ 13a ff. ErbStG nicht wie angestrebt gewährt wird, oder ob alternativ (ggf. sogar kumulativ) mit einer möglicherweise deutlich höheren Einkommensteuerbelastung gerechnet werden muss. Denn den betroffenen Mitarbeitern würden zwar unentgeltlich (oder verbilligt) Gesellschaftsanteile überlassen, Liquidität für (zusätzliche) Steuerzahlungen wird ihnen in der Regel jedoch nicht bereitgestellt.

Die Entscheidung

Der VI. Senat des BFH hatte zu beurteilen, ob die schenkweise Übertragung einer Beteiligung an einer GmbH auf die Klägerin, die seit vielen Jahren bei der GmbH als Arbeitnehmerin beschäftigt war, als geldwerter Vorteil einkommensteuerbaren Arbeitslohn der Klägerin begründet (so die Finanzverwaltung) oder nicht (so die Vorinstanz). Der VI. Senat hat das Urteil des FG Sachsen-Anhalt bestätigt und die Revision der Finanzverwaltung als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe zu Recht entschieden, dass der in der schenkweisen Übertragung der Beteiligung an der GmbH liegende Vorteil keinen Arbeitslohn der Klägerin darstelle.

Zunächst bestätigte der VI. Senat zentrale Elemente seiner ständigen Rechtsprechung zur einkommensteuerlichen Behandlung der verbilligten Überlassung von Gesellschaftsanteilen an Mitarbeiter: Der in der Verbilligung liegende Vorteil (Preisnachlass), nicht aber die übertragene Beteiligung selbst, kann als geldwerter Vorteil einkommensteuerbarer Arbeitslohn sein, und zwar auch dann, wenn die Beteiligung nicht durch den Arbeitgeber sondern durch einen Dritten überlassen wird. Eine Überlassung zum Marktpreis (das heißt ohne Preisnachlass) bewirkt demgegenüber keinen geldwerten Vorteil. Aber auch wenn ein Preisnachlass gewährt wird, begründet der darin liegende geldwerte Vorteil nur dann einkommensteuerbaren Arbeitslohn, wenn der Preisnachlass durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Erforderlich ist damit, dass der Preisnachlass als Gegenleistung „für“ in der Vergangenheit erbrachte oder künftig zu erbringende Dienste gewährt wird und nicht im Rahmen eines parallel bestehenden Sonderrechtsverhältnisses oder wegen sonstiger nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen. Die Beurteilung dieser Abgrenzungsfrage erfolgt in erster Linie durch eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls in der Tatsacheninstanz und ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar.

Im Besprechungsfall gelangte der VI. Senat zu dem Ergebnis, dass die Anteilsübertragung zwar mit dem Arbeitsverhältnis der Klägerin zusammenhänge, jene aber nicht (maßgeblich) durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sei. Das FG habe zutreffend darauf abgestellt, dass entscheidendes Motiv für die Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung für alle Beteiligten erkennbar nicht die Entlohnung für bereits erbrachte oder künftig zu erbringende Dienste der Klägerin im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, sondern die Regelung der Unternehmensnachfolge war.

Als entscheidende Kriterien für diese Beurteilung (Regelung der Unternehmensnachfolge als maßgeblicher Sachgrund) betonte der VI. Senat insbesondere folgende Umstände:

  • Die vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin sehen eine erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Rückfallklausel vor, wonach die geschenkte Gesellschaftsbeteiligung zurückverlangt werden kann, falls die Verschonung des überlassenen betrieblichen Vermögens von der Erb- bzw. Schenkungsteuer (§§ 13a ff. ErbStG) versagt wird.
  • Die in der Geschäftsleitung des Unternehmens erfahrene Klägerin verfügt gemeinsam mit den anderen beschenkten Angestellten über eine Sperrminorität, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherstellt.
  • Die Einbindung fähiger Mitarbeiter in den Gesellschafterbestand indiziere, dass vorwiegend der Fortbestand und die Weiterentwicklung des Unternehmens im Wege der Unternehmensnachfolge gesichert werden soll, weil die Erhaltung fachlicher Kompetenz und Erfahrung von (jahrelangen) Mitarbeitern regelmäßig ein essenzielles Element von Nachfolgekonzepten sei.
  • Die Anteilsübertragungen wurden nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht. Bei klassischen Mitarbeiterbeteiligungen übliche Regelungen zum „Vesting“ oder zu einem „Cliff“ sowie „Leaver-Bedingungen“ waren nicht vorgesehen.
  • Bei der Klägerin und den anderen beschenkten Mitarbeitern bestand ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Wert der geschenkten Beteiligungen und den (bisherigen sowie künftig zu erwartenden) Bruttoarbeitslöhnen.
  • Trotz unterschiedlich langer Betriebszugehörigkeit sowie unterschiedlicher Gehälter der beschenkten Mitarbeiter waren die überlassenen Beteiligungen jeweils gleich groß.

Bewertung und Praxisimplikation der Entscheidung

Der Entscheidung des VI. Senats trägt zur Rechtssicherheit bei und ist insgesamt zu begrüßen.

Für die Praxis ist davon auszugehen, dass sie die Rahmenbedingungen für eine Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung verbessert, auch familienfremden Mitarbeitern jenseits einer Entlohnung für vergangene oder künftige Arbeitsleistungen eine Beteiligung am Unternehmen unentgeltlich oder verbilligt zuzuwenden und diese in der Rolle des Gesellschafters (nicht des Arbeitnehmers) zu gewinnen. Anhand der durch das FG Sachsen-Anhalt und das FG Bremen entwickelten sowie nunmehr durch den VI. Senat des BFH bestätigten Kriterien sollten im Regelfall vertragliche Ausgestaltungen möglich sein, welche für die Anteilsübertragung rechtssicher den Anwendungsbereich der Schenkungsteuer einschließlich der Möglichkeit zur Verschonung von Betriebsvermögen nach den §§ 13a ff. ErbStG eröffnen, ohne einkommensteuerliche Konsequenzen hervorzurufen. Es empfiehlt sich, die Motive der verbilligten bzw. unentgeltlichen Zuwendung klar zu dokumentieren.

Der VI. Senat musste sich hingegen nicht mit der Frage befassen, ob ein Lebenssachverhalt gleichzeitig der Einkommen- und der Schenkungsteuer unterliegen kann, da einkommensteuerbarer Arbeitslohn vorliegenden abgelehnt wurde. Unseres Erachtens schließen sich bei einer unentgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen Einkünfte gemäß § 19 EStG (Arbeitslohn) sowie eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG regelmäßig aus, weil Einkünfte nach § 19 EStG eine Veranlassung im Dienstverhältnis erfordern und diese einer Freigebigkeit iSd § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entgegensteht (vgl. hierzu etwa Herrmann/Heuer/Raupach/Lammers, Stand 12/2024, EStG, § 19 Anm. 63; Gluth ErbStB 2024, 165 (167)). Offen bleibt, ob bei anderen Motivlagen eine gemischte Veranlassung zu einer Aufteilung in einkommensteuerbare Einkünfte nach § 19 EStG und in eine freigebige Zuwendung iSd § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führen könnte (vgl. Wighardt/Perpetua ZEV 2025, 130 (132 f.)). Entsprechend bedeutsam ist es, die bei Mitarbeiterbeteiligungen im Unternehmensnachfolgekontext auftretende Steuerartenkonkurrenz (Schenkungsteuer bzw. Einkommensteuer) einerseits und Einkunftsartenkonkurrenz (Arbeitslohn bzw. Kapitaleinkünfte) andererseits zu erkennen und die durch den VI. Senat bestätigten Abgrenzungskriterien bei der rechtlichen Ausgestaltung zu berücksichtigen.

Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Fachzeitschrift RFamU.