BFH: Carried Interest ist Gewinnanteil und keine Tätigkeitsvergütung
Erfreuliche Nachrichten für Fondsmanager und Investoren. In einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 16.04.2024 (Az. VIII R 3/21) hat der BFH seine Sichtweise, wonach der Carried Interest einen Gewinnanteil und keine Tätigkeitsvergütung darstellt, bestätigt. Bereits 2018 hatte der BFH dies zu einem Fonds in Form einer gewerblichen Personengesellschaft so entschieden (Az. VIII R 11/16). Der Fall nun betraf eine vermögensverwaltende Personengesellschaft. Zwar hat der BFH die Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen an das Finanzgericht München zurückverwiesen, so dass noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Die Hinweise des BFH an das Finanzgericht München zur steuerlichen Behandlung des Carried Interest fallen jedoch eindeutig zugunsten der Einordnung als Gewinnanteil aus.
Hintergrund
Die steuerliche Behandlung des Carried Interest ist seit Jahrzehnten umstritten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob es sich hierbei um eine Tätigkeitsvergütung oder um einen kapitaldisproportionalen Gewinnanteil handelt.
Die Finanzverwaltung ging lange Zeit von einer Tätigkeitsvergütung aus (so z.B. schon im sog. Private Equity Erlass vom 16.12.2003, BStBl. I 2004, 40). Als solche wäre der Carried Interest grundsätzlich voll steuerpflichtig und nur unter den Voraussetzungen der Sonderregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG bei vermögensverwaltenden Fonds nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 40% steuerfrei. Den Investoren würde der gesamte Gewinn des Fonds entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung zugerechnet werden und der Carried Interest wäre als Aufwandsposition zu behandeln. Dies wäre für Privatanleger in vermögensverwaltenden Fonds ungünstig, da sie die Aufwendungen aufgrund des Werbungskostenabzugsverbots bei Einkünften aus Kapitalvermögen nicht abziehen können (stattdessen nur der sog. Sparer-Pauschbetrag), was zu einer Übermaßbesteuerung führen würde.
Nach der Gegenauffassung stellt der Carried Interest einen kapitaldisproportionalen Gewinnanteil dar. Die Besteuerung richtet sich in diesem Fall wie bei einem normalen Gewinnanteil nach den Einkünften des Fonds. Soweit der Fonds Beteiligungserträge erzielt, wird der Carried Interest beim Fondsmanager regelmäßig begünstigt besteuert. Soweit der Fonds Zinserträge erzielt, wird der Carried Interest voll besteuert. Sind die Voraussetzungen der Sonderregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG bei vermögensverwaltenden Fonds erfüllt, wird dieses Prinzip ausnahmsweise durchbrochen und der Carried Interest beim Fondsmanager unabhängig von den Einkünften des Fonds nach dem Teileinkünfteverfahren besteuert (siehe oben). Das Problem des Werbungskostenabzugsverbots bei Privatanlegern stellt sich nicht, weil ihnen von Vornherein nur der nach dem Carried Interest noch verbleibende Gewinn steuerlich zugewiesen wird.
Zu einer gewerblich geprägten Personengesellschaft als Fondsvehikel hatte sich der BFH bereits mit Urteil vom 11.12.2018 (VIII R 11/16, BFHE 263, 418) der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Ein wesentliches Argument gegen die Behandlung des Carried Interest als Tätigkeitsvergütung war dabei, dass der Carried Interest im Verlustfall nicht zu zahlen ist. Die Finanzverwaltung hat das Urteil leider bis heute nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht oder sich in anderer Weise zu dem Urteil geäußert, was zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt.
Das Finanzgericht München hat im Urteil vom 17.11.2020 (12 K 2334/18, EFG 2021, 755) zum Carried Interest bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft als Fondsvehikel die Ansicht des BFH geteilt. Das unterlegene Finanzamt hatte gegen das Urteil Revision eingelegt. Die Entscheidung des BFH ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags.
Entscheidung des BFH
Die wesentlichen Aussagen des BFH zur steuerlichen Behandlung des Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fonds lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung
Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob der im Gesellschaftsvertrag geregelte Carried Interest eine Gewinnverteilungsabrede oder eine verdeckte Tätigkeitsvergütung darstellt. Dabei stellt die tatsächliche Handhabung der Vereinbarung bei der Gesellschaft ein gewichtiges Indiz dar. Von einer Tätigkeitsvergütung ist dabei nur auszugehen, wenn die Vergütung nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags als (handelsrechtliche) Ausgabe zu behandeln und auch zu zahlen ist, wenn kein Gewinn erwirtschaftet wird. Fehlt es an einer derartigen unmissverständlichen Vereinbarung, liegt im Zweifel eine Gewinnverteilungsabrede vor.
In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Gewinnverteilungsabrede im Gesellschaftsverhältnis begründet ist und einem Fremdvergleich standhält. Grundsätzlich steht es den Gesellschaftern einer Personengesellschaft frei, ihre Rechtsverhältnisse und mithin auch die Verteilung des Gewinns so zu regeln, wie es ihnen richtig zu sein scheint, wenn diese Bedingungen im natürlichen Interessengegensatz ausgehandelt worden sind. Eine solche fremdübliche Gewinnverteilung ist in der Regel auch steuerlich anzuerkennen. Etwas anderes gilt nur, wenn für die Gewinnverteilung nicht allein die Verhältnisse der Gesellschafter in der Gesellschaft und insbesondere ihre Beiträge zum Gesellschaftszweck maßgebend sind, sondern wenn die Verteilung von anderen (wirtschaftlichen) Beziehungen außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses abhängt. In der Praxis ist diese Abgrenzung insbesondere dann sorgfältig vorzunehmen, wenn die Fondsmanager neben ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafterstellung beim Fonds noch in einer Management- oder Beratungsgesellschaft des Fondssponsors angestellt sind.
Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO
Liegen die o.g. Voraussetzungen vor, ist die kapitalmäßige Beteiligung am Fonds und die anteilige Zurechnung der Wirtschaftsgüter des Fonds zu den Gesellschaftern nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO für die steuerliche Zurechnung der Einkünfte irrelevant. Maßgeblich ist ausschließlich die Gewinnverteilungsabrede im Gesellschaftsvertrag (sog. Waterfall).
Kein anderes Ergebnis durch § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG
Die Sonderregelung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, wonach der Carried Interest bei den Berechtigten zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gezählt und dem Teileinkünfteverfahren unterworfen wird, führt nach Ansicht des BFH nicht dazu, dass der Carried Interest auf Fondsebene in eine Tätigkeitsvergütung umqualifiziert wird.
Zurückverweisung an das Finanzgericht München
Der BFH hat die Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen an das Finanzgericht München zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es war nämlich versäumt worden, sämtliche inländischen Gesellschafter des Fonds zum Verfahren beizuladen. Dies muss nun nachgeholt werden. Das Finanzgericht München ist zwar formal nicht an die Ausführungen des BFH zur Besteuerung des Carried Interest gebunden. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass das Finanzgericht München inhaltlich anders entscheidet, zumal es ja schon im ersten Rechtsgang zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden hat.
Fazit und Ausblick
Die Ausführungen des BFH waren allgemein so erwartet worden und das Urteil des Finanzgerichts München steht noch aus. Gleichwohl schafft die BFH-Entscheidung nun die erhoffte Klarheit zur steuerlichen Behandlung des Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fonds. Für Fondsmanager und Investoren sind dies erfreuliche Nachrichten.
Die Finanzverwaltung ist aufgerufen, nun endlich auf die BFH-Rechtsprechung zu reagieren und die Entscheidungen allgemein anzuwenden.