Auswirkungen der Foreign Subsidies Regulation auf Private Equity-Unternehmen und andere institutionelle Investoren
Auswertung des Konsultationsprozesses zur Durchführungsverordnung
M&A-Transaktionen, die ab dem 12. Juli 2023 unterzeichnet (Signing) und am 12. Oktober 2023 noch nicht abgeschlossen (Closing) wurden, müssen bei Überschreitung der Schwellenwerte nach der neuen EU-Verordnung zur Kontrolle drittstaatlicher Subventionen (Foreign Subsidies Regulation – „FSR“) bei der Europäischen Kommission („Kommission“) angemeldet werden (siehe unsere Meldung hier).
Um die formellen Anforderungen an solche Anmeldungen für betroffene Unternehmen zu klären, veröffentlichte die Kommission im Februar 2023 den Entwurf einer sogenannten Durchführungsverordnung (Implementing Regulation – „IR“) zur Klärung verfahrenstechnischer Fragen (siehe unsere Meldung hier). Bis zum 6. März 2023 hatten Betroffene und andere Interessierte die Möglichkeit, im Rahmen eines Konsultationsprozesses eine Stellungnahme zu diesem Entwurf der IR bei der Kommission einzureichen.
Insgesamt erhielt die Kommission im Rahmen dieser Konsultation 74 Stellungnahmen, insbesondere von Unternehmen (32) und Unternehmensverbänden (29). Im Folgenden gehen wir auf die Kritik und die Änderungsvorschläge ein, die Private Equity-Unternehmen und andere institutionelle Investoren wie staatliche Rentenfonds in dem Entwurf der IR und der FSR als solcher laut den Stellungnahmen an die Kommission äußern. In den Stellungnahmen wird insgesamt deutlich, dass die FSR erhebliche administrative Auswirkungen – vor allem für institutionelle Investoren – mit sich bringt.
I. Kritik und Änderungsvorschläge von institutionellen Investoren
1. Begriff der „finanziellen Zuwendung“ zu weit definiert
Institutionelle Investoren kritisieren ausnahmslos, dass der Begriff der „finanziellen Zuwendung“ im Rahmen der FSR unklar und zu weit definiert sei. Diesen Kritikpunkt teilen auch alle anderen Konsultationsteilnehmer.
Die weite Definition des Begriffs der „finanziellen Zuwendung“ ist kritisch, weil davon u.a. die Anmeldepflicht einer M&A-Transaktion maßgeblich abhängt.
Während im EU-Beihilferecht nur „Beihilfen“ bei der Kommission angemeldet werden müssen, reichen unter der FSR „finanzielle Zuwendungen“ aus. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass eine „Beihilfe“ nur vorliegt, wenn eine finanzielle Zuwendung den betreffenden Unternehmen auch einen selektiven Vorteil vermittelt. Die FSR berücksichtig dies erst im Rahmen der materiellen Prüfung.
Die weite Definition der „finanziellen Zuwendung“ zeigt sich an folgenden Beispielen besonders deutlich: Zum einen kann jeder von einem Drittstaat gewährte Steuervorteil als „finanzielle Zuwendung“ verstanden werden. Zum anderen kann auch der bloße Kauf oder Verkauf von Waren und Dienstleistungen an Drittstaaten – unabhängig von der Marktüblichkeit der Konditionen – Unternehmen eine „finanzielle Zuwendung“ verschaffen.
Dementsprechend stünden Unternehmen vor der Herausforderung, faktisch jedwede wirtschaftliche Interaktion mit Drittstaaten zu monitoren und zu erfassen. Dazu zählten grundsätzlich auch Investitionen und Einlagen in Fonds von Limited Partnern, die – wie beispielsweise Pensionsfonds – als staatliche Akteure angesehen werden könnten. Denn nur wenn ein Unternehmen weiß, welche „finanziellen Zuwendungen“ von Drittstaaten kamen, kann die Anmeldepflicht einer M&A-Transaktion überhaupt geprüft werden.
Institutionelle Investoren schlagen in ihren Stellungnahmen zur Lösung daher auch einheitlich vor, die Definition der finanziellen Zuwendungen im Rahmen der FSR auf solche zu begrenzen, die auch einen selektiven Vorteil an bestimmte Unternehmen darstellen. Auch eine deutliche Anhebung der De-minimis-Schwelle für finanzielle Zuwendungen wird vorgeschlagen.
Der EU-Gesetzgeber hat den Begriff „finanzielle Zuwendungen“ gezielt weit definiert, um eine umfassende Überprüfung des Einflusses von Drittstaaten auf den EU-Binnenmarkt zu ermöglichen. Wenn dieser Begriff eingeschränkt wird, besteht das Risiko, dass diese Überprüfungsmöglichkeit umgangen wird. Die Kommission steht daher vor der Herausforderung, einen Ausgleich zwischen dem gesetzlichen Prüfungsinteresse und den praktischen Bedürfnissen der Unternehmen zu finden.
Eine Möglichkeit für die Kommission könnte darin bestehen, Ausnahmen für zu berücksichtigende „finanzielle Zuwendungen“ festzulegen. Zum Beispiel könnten Interaktionen mit Drittstaaten, die infolge eines wettbewerblichen Bieterverfahrens entstanden sind, grundsätzlich nicht als „finanziellen Zuwendungen“ in Betracht gezogen werden. Auf diese Weise könnten eine Reihe von marktüblichen Interaktionen mit Drittstaaten unberücksichtigt bleiben.
2. Verständnis der anmeldenden Partei zu weit
Institutionelle Investoren kritisieren zudem das weite Verständnis der Kommission, wer als anmeldende Partei anzusehen ist. Damit hängen die Fragen zusammen, wer als Empfänger einer finanziellen Zuwendung anzusehen ist und welche Informationen folglich bei einer Anmeldung von den Parteien offengelegt werden müssen.
Nach aktuellem Stand gilt jeweils die gesamte Unternehmensgruppe (die sogenannte „wirtschaftliche Einheit“) als anmeldende Partei und zugleich als Empfänger finanzieller Zuwendungen. Vereinfacht gesagt zählen hierzu also alle Gesellschaften eines Unternehmens (einer wirtschaftlichen Einheit), die gemeinsam kontrolliert werden.
Für institutionelle Investoren hat dieses Verständnis besonders weitreichende Folgen. Denn häufig werden unterschiedliche Fonds und die von diesen gehaltenen Portfoliogesellschaften von einer Management-Gesellschaft kontrolliert. Demzufolge muss sich jeder Fonds und jede Portfoliogesellschaft finanzielle Zuwendungen von anderen Fonds und Portfoliogesellschaften zurechnen lassen, die von der gleichen Management-Gesellschaft kontrolliert werden. Somit müssten bei jeder Anmeldung immer sämtliche „finanzielle Zuwendungen“ aller Fonds und Portfoliogesellschaften aufgelistet werden.
Institutionelle Investoren schlagen zur Eingrenzung ihres diesbezüglichen administrativen Aufwands vor, den Begriff der „anmeldenden Partei“ auf die jeweils agierende Portfoliogesellschaft selbst oder zumindest auf den jeweiligen Fonds zu beschränken.
Damit würde das Verständnis der anmeldenden Partei bei Beteiligungen von institutionellen Investoren vom allgemein geltenden Verständnis abweichen. Vertreter der Kommission haben in öffentlichen Stellungnahmen aber auch selbst schon darauf hingewiesen, dass für institutionelle Investoren wie Private Equity-Unternehmen gewisse Ausnahmen gelten müssten. Ansonsten könnte der administrative Aufwand der FSR zu einem Investitionshemmnis werden. Insofern ist durchaus zu erwarten, dass die Kommission diesem Kritikpunkt institutioneller Investoren in der finalen IR Rechnung tragen wird.
3. Entbehrliche Offenlegungspflichten über M&A-Bieterverfahren
Ein weiterer Kritikpunkt institutioneller Investoren besteht in der Pflicht zur Offenlegung von Informationen über das Bieterverfahren, das zur anzumeldenden Transaktion geführt hat. Der Entwurf des Anmeldungsformulars der Kommission für M&A-Transaktionen sieht vor, dass der Erwerber Details wie die Anzahl der Teilnehmer am Bieterverfahren, Anzahl an vom Verkäufer kontaktierte potenzielle Erwerber und eine detaillierte Beschreibung der anderen Teilnehmer des Bieterverfahrens angeben muss.
Problematisch dabei ist aus Sicht von institutionellen Investoren vor allem, dass solche Informationen den Teilnehmern an einem Bieterverfahren in der Regel selbst nicht bekannt sind. Stimmen aus der Industrie haben daher vorgeschlagen, dass Informationen über Bieterverfahren – wenn überhaupt – vom Verkäufer gegenüber der Kommission offengelegt werden müssten.
Allerdings könnte die Offenlegung solcher Informationen die Ergebnisse von (zukünftigen) Bieterverfahren beeinflussen. Dadurch könnten Verkäufer einen Anreiz haben, potenzielle Bieter, die in den Anwendungsbereich des FSR fallen, von Bieterverfahren auszuschließen. Damit könnte die Problematik grundsätzlich umgangen werden. Darüber hinaus könnte die Offenlegung von Informationen auch kartellrechtliche Probleme aufwerfen.
Angesichts dieser erheblichen Kritikpunkte dürfte die Kommission diese sorgfältig prüfen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Kommission die Funktionsweise von wettbewerblich organisierten M&A-Bieterverfahren durch die FSR grundsätzlich behindern und gegebenenfalls selbst kartellrechtliche Probleme schaffen möchte. Insofern sind an dieser Stelle durchaus Anpassungen im Anmeldungsformular der Kommission für M&A-Transaktionen zu erwarten.
4. Unklarheiten bei Zurechnung zu Drittstaaten
Schließlich bemängeln institutionellen Investoren, dass die Zurechnung einer finanziellen Zuwendung zu einem Drittstaat im Einzelfall nur mit erheblichem Aufwand zu ermitteln sei. So sei es häufig nicht ohne Weiteres zu ermitteln, wer hinter einem Investor steht, der Geld in einen Fonds einzahlt.
Dazu schlagen einige institutionelle Investoren wiederum vor, Ausnahmen in der IR zu verankern. Beispielsweise könnten Einlagen von (staatlichen) Rentenfonds pauschal nicht dem jeweiligen Drittstaat zugerechnet werden. Außerdem könnten auch Interaktionen mit Investoren mit Sitz in Jurisdiktionen, mit denen die EU ein Freihandelsabkommen geschlossen hat (etwa Kanada), nach Ansicht institutioneller Investoren nicht als drittstaatlich angesehen werden.
Das Problem von Investitionen, die Drittstaaten nur mittelbar zugerechnet werden könnten, stellt die Kommission vor eine besondere Herausforderung. Denn einerseits könnten Drittstaaten bei dahingehenden Ausnahmen die Regelungen der FSR durch entsprechende Konstruktionen gezielt umgehen. Andererseits ist es für institutionelle Investoren sehr aufwendig, den staatlichen Ursprung jeder Einlage zu identifizieren. Ob die Kommission eine Lösung für dieses Problem in der IR finden wird, oder ob sich eine Lösung erst durch die Praxis herausbildet, ist unklar.
II. Ausblick
Die geäußerten Änderungsvorschläge institutioneller Investoren zielen im Kern darauf ab, administrativen Aufwand zu reduzieren und somit potenzielle Verzögerungen bei M&A-Transaktionen zu vermeiden. Zudem fürchten institutionelle Investoren hohe Geldbußen, wenn sie die Kommission nicht hinreichend über drittstaatliche Subventionen informieren können. Daher ist der Ruf dieser Unternehmen nach klaren und einfach handhabbaren Anforderungen verständlich.
Die Kommission muss hingegen den Zielen der FSR gerecht werden und gleichzeitig gute Investitionsbedingungen im EU-Binnenmarkt sicherstellen. Dementsprechend wird die Kommission nicht jeder Forderung institutioneller Investoren gerecht werden können.
Gleichwohl hat auch die Kommission selbst bereits auf den erheblichen Arbeitsaufwand hingewiesen, der durch die Anmeldevoraussetzungen der FSR entsteht. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass dies auch die personellen Kapazitäten der Kommission an ihre Grenzen bringt.
Zu begrüßen wäre, wenn die Kommission in der für das zweite Quartal 2023 angekündigten finalen Fassung der IR einen Großteil der Kritikpunkte verarbeiten kann. Angesichts der weitreichenden Auswirkungen der FSR auf das Investitionsklima im EU-Binnenmarkt ist es zudem erstrebenswert, dass die Kommission schnell Klarheit über ihre Herangehensweise in der Fallpraxis schafft. Dies würde auch dazu dienen, sicherzustellen, dass für alle im EU-Binnenmarkt tätigen Unternehmen tatsächlich das angestrebte „level playing field“ erreicht werden kann.