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ARUG II – Das müssen Institutionelle und Family Offices jetzt wissen

08.07.2020

Das ARUG II trat bereits zu Jahresbeginn in Kraft und enthält auch Neuerungen für die Aktionärskommunikation und -identifikation sowie erhöhte Transparenzvorgaben. Aus dem Blickwinkel institutioneller Anleger, Vermögensverwalter und Family Offices sind unterschiedliche Punkte zu beachten.  

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie, kurz ARUG II, ist seit Jahresbeginn in Kraft und hat für die Praxis im Wesentlichen vier neue Regelungsbereiche hervorgebracht. Zwei dieser Themenfelder lösen vor allem für die angesprochenen börsennotierten Emittenten unmittelbaren Handlungsbedarf aus: die Zustimmungs- und Transparenzpflichten für die Geschäfte mit nahestehenden Personen und Unternehmen (related party transactions) sowie die gesteigerte Mitwirkung und Information der Aktionäre in Bezug auf die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat (say-on-pay).

Daneben hat der Gesetzgeber aber auch neue Regeln zur Erhöhung der Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern sowie zur Verbesserung der Kommunikation mit und Identifikation von Aktionären (know-your-shareholder) im Aktiengesetz festgeschrieben. In der breiten Wahrnehmung führen diese bisweilen noch ein Schattendasein. Sie sollen deshalb im Folgenden in das Blickfeld gerückt werden. Denn die Transparenzpflichten gelten bereits seit dem 1. Januar 2020.

Außerdem ist nun klar, dass auch die Neuerungen für die Aktionärskommunikation und -identifikation planmäßig ab dem 3. September 2020 zu beachten sind und nicht, wie verschiedentlich gefordert, nochmals verschoben werden. Da die Hauptversammlungen infolge der Corona-Pandemie in den Herbst verschoben werden können, gewinnt dies durchaus an Relevanz.

Institutionelle Anleger haben eine herausragende Bedeutung für börsennotierte Gesellschaften in Deutschland und insbesondere für die Dax-Unternehmen. Empirische Daten belegen dies eindrücklich. Durch die Steigerung der Rechenschaftspflichten der institutionellen Investoren und Vermögensverwalter gegenüber ihren eigenen Anlegern beziehungsweise Endbegünstigten erwartet sich der (europäische) Gesetzgeber mittelbar einen positiven Effekt auch auf die Corporate Governance der börsennotierten Portfoliogesellschaften, deren Strategie und langfristigen Unternehmenserfolg. 

Für wen gelten die neuen Transparenzpflichten?

Die neuen Transparenzvorgaben richten sich an institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater. Zur Gruppe der institutionellen Anleger gehören Anbieter von Lebens- und Rückversicherungen sowie Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung wie Pensionskassen und Pensionsfonds. Zu den Vermögensverwaltern zählen Finanzdienstleistungsinstitute mit Erlaubnis zur Finanzportfolioverwaltung sowie Kapitalverwaltungsgesellschaften mit KAGB-Erlaubnis. Erfasst sind demnach vor allem Verwalter von AIF- oder OGAW-Strukturen und Investmentgesellschaften. 

Nicht von den Vorschriften erfasst werden sonstige Versicherungsanbieter sowie berufsständische Versorgungswerke und Zusatzversorgungseinrichtungen. Auch für ausländische institutionelle Anleger und Vermögensverwalter, sofern sie nicht in Deutschland zugelassen sind, besitzen die Regeln keine Geltung. Lediglich bei Kapitalverwaltungsgesellschaften finden die Vorschriften auch dann Anwendung, wenn nur der Fonds oder der Verwalter seinen Zulassungsort Deutschland hat. Mit Blick auf das enorme Gewicht gerade außereuropäischer Hedge- und Investmentfonds bleibt daher eine nicht unerhebliche Regelungslücke. Für Stiftungen und Family Offices sind die Vorschriften damit nur dann (mittelbar) von Bedeutung, wenn sie sich von Vermögensverwaltern mit deutscher Geschäftserlaubnis betreuen lassen.

Was ist offenzulegen? 

Die angesprochenen institutionellen Investoren und Vermögensverwalter haben eine Beschreibung ihres Mitwirkens in den börsennotierten Portfoliogesellschaften (Mitwirkungspolitik) zu veröffentlichen und jährlich über die Umsetzung ihrer Mitwirkungspolitik zu berichten (Mitwirkungsbericht). In diesem Zuge müssen sie unter anderem offenlegen, wie sie im Rahmen ihrer Anlagestrategie ihre Stimmrechte ausüben und jährlich über ihr Abstimmungsverhalten Bericht erstatten. Außerdem haben sie zu beschreiben, wie sie ihre Portfoliogesellschaften unter anderem hinsichtlich Strategie, finanzieller und nicht-finanzieller Leistung, Risiko, Kapitalstruktur, umwelt-, sozial- und governance-bezogener Aspekte, den ESG-Kriterien, sowie sonstiger wichtiger Angelegenheiten überwachen. Und wie sie mit tatsächlichen und potenziellen Interessenkonflikten umgehen.

Offenzulegen sind auch die Investorengespräche, die mit Vorstand und/oder Aufsichtsrat und den sonstigen Stakeholdern – insbesondere Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Kreditgeber – der Portfoliogesellschaften geführt werden. Sofern die institutionellen Anleger und Vermögensverwalter mit anderen Aktionären der Portfoliogesellschaft zusammenarbeiten, haben sie dies nun transparent zu machen. Diese Information kann von besonderem Interesse sein, da ein „Acting in Concert“ von Aktionären im Rahmen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zu einer wechselseitigen Zurechnung der Stimmrechte führen und dadurch unter Umständen Stimmrechtsmeldepflichten oder gar ein Pflichtangebot nach sich ziehen kann.

Anzugeben ist jeweils die Art und Weise der Mitwirkung, nicht hingegen der Zweck. Wer die Vorgaben nicht oder nicht vollständig erfüllen will, muss nach dem Grundsatz „comply-or-explain“ klar und verständlich erklären, warum dies nicht erfolgt. Die Mitwirkungspolitik ist für drei Jahre im Internet kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen.

Im Übrigen haben institutionelle Anleger und Vermögensverwalter für den Zeitraum von mindestens drei Jahren offenzulegen, inwieweit die Hauptelemente ihrer Anlagestrategie dem Profil und der Laufzeit ihrer Verbindlichkeiten entsprechen und wie sie zur mittel- bis langfristigen Wertentwicklung ihrer Vermögenswerte beitragen. Im Gegensatz zu den Transparenzvorgaben zur Mitwirkungspolitik können sich die Verpflichteten von dieser Offenlegungspflicht nicht durch entsprechende Erklärung befreien. Da sich die Publikationspflichten teilweise mit aufsichtsrechtlichen Berichts- und Offenlegungspflichten überschneiden, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die neuen Vorgaben insoweit bereits durch bestehende Pflichtveröffentlichungen erfüllt werden können. 

Wie werden Verstöße sanktioniert?

Verstöße gegen die neuen Publikationspflichten, allerdings nur die Nichtabgabe, nicht jedoch die inhaltlich unrichtige Erklärung, kann das Bundesamt für Justiz mit einem Bußgeld in einer moderat gefassten Maximalhöhe von 25.000 Euro sanktionieren. Eine aktive Überwachung der Pflichterfüllung durch die Bafin erfolgt hingegen nicht. Auch eine zivilrechtliche Haftung wird in der Praxis zumeist am Nachweis eines kausalen Schadens scheitern und daher voraussichtlich keine Relevanz haben. Börsennotierten Gesellschaften soll es künftig erleichtert werden, ihre Aktionäre zu identifizieren und dementsprechend auch besser zu informieren, um so die Mitwirkung der Aktionäre im Sinne einer langfristigen Unternehmensentwicklung zu fördern. Dieses Konzept des „Know your Shareholder“ stellt vor allem bei Inhaberaktien eine wesentliche Neuerung dar.

Die Emittenten haben gegenüber Intermediären, da vor allem den Depotbanken, einen Anspruch auf Übermittlung von Informationen über die Identität der Aktionäre, deren Aktien sie verwahren. Das heißt: Namen, Postanschrift, E-Mail-Adresse, Anzahl der gehaltenen Aktien, Gattung und Datum, seit dem die Aktien gehalten werden. Ist der Letztintermediär zu dieser Information nicht in der Lage, weil ihm die erforderlichen Daten nicht bekannt sind, trifft ihn insoweit keine Nachforschungspflicht.

Ebenso besteht keine gesetzliche Pflicht des Aktionärs zur Mitteilung dieser Daten an den Intermediär. Bei Namensaktien besteht eine solche Verpflichtung gleichwohl unmittelbar gegenüber der Gesellschaft. Für Treuhandverhältnisse und sonstige Vereinbarungen zwischen demjenigen, dem die Aktien gehören und Dritten, bleibt es allerdings bei der für die Praxis wichtigen Einschränkung, dass die Gesellschaft darüber keine Auskunft verlangen kann.

Die börsennotierten Gesellschaften sind ihrerseits künftig verpflichtet, Informationen über Unternehmensereignisse zu übermitteln – bei Namensaktien an die im Aktienregister eingetragenen Aktionäre, im Übrigen an die Intermediäre. Das umfasst Maßnahmen, die die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Rechte enthalten und die zugrunde liegende Aktie beeinflussen können, wie beispielsweise eine Gewinnausschüttung oder Kapitalerhöhung. Sie können dazu Mediendienstleister wie Bundesanzeiger oder WM-Service nutzen. Die Intermediäre haben diese Informationen grundsätzlich durch die Kette, das heißt vom Zentralverwahrer bis zum Letztintermediär, der die Aktien der Gesellschaft für einen Aktionär verwahrt, weiterzuleiten.

Letztintermediäre sind verpflichtet, dem Aktionär die erhaltenen Informationen auf elektronischem oder schriftlichem Wege weiterzuleiten. Die Informationen sind in der Kette jeweils unverzüglich, spätestens jedoch bis zum Ende des Geschäftstages beziehungsweise bei Erhalt nach 16 Uhr bis 10 Uhr am folgenden Geschäftstag weiterzuleiten. 

Umgekehrt sind Intermediäre künftig angehalten, die vom Aktionär übermittelten Informationen über die Ausübung seiner Aktionärsrechte (beispielsweise Stimmrecht, Bezugsrecht) entweder direkt an die Gesellschaft oder an den jeweils nächsten Intermediär in der Kette zu übermitteln, gegebenenfalls nach Maßgabe entsprechender Anweisung des Aktionärs. 

Auch Aktionäre erhalten neue hauptversammlungsbezogene Informationsrechte: Bei elektronischer Stimmabgabe, wie sie aktuell im Rahmen der virtuellen Hauptversammlungen typischerweise erfolgt, ist der Eingang dieser Stimmabgabe von der Gesellschaft elektronisch zu bestätigen. Darüber hinaus kann künftig jeder Aktionär von der Gesellschaft innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung eine Bestätigung darüber verlangen, ob und wie seine Stimme gezählt wurde. 

Fazit: Sowohl für institutionelle Anleger als auch für (sonstige) Aktionäre ergibt sich aus dem ARUG II eine gesteigerte Transparenz über ihre Inhaberschaft an Aktien und die Ausübung der Aktionärsrechte. Ob damit die Corporate Governance der börsennotierten Zielunternehmen verbessert wird, bleibt abzuwarten. Zudem wird bei der Vielzahl der Transparenzrechte und Transparenzpflichten, sowohl auf Emittenten- als auch auf Anlegerseite, eine Fokussierung auf die wesentlichen Informationen zunehmend wichtig.

Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Private Banking Magazins.