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Aktuelles zum Entzug der Arbeit­nehmer­überlassungs­erlaubnis

26.02.2019

Widerrufsgründe haben viele überraschende Gesichter und Behörden relativ leichtes Spiel

Die Arbeitnehmerüberlassung ist ein rechtlich schwieriges Gebiet, auf dem selbst langjährige Verleiher umsichtig agieren müssen. Mit der Einholung einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG oder gar der Erteilung der unbefristeten Erlaubnis ist die rechtliche Arbeit für Verleiher bei weitem nicht getan. Wie das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen in seinem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 21.12.2018 (Az.: L 7 AL 163/18 B ER) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren klargestellt hat, unterliegen Inhaber einer solchen Erlaubnis sogar einer besonders strengen Compliance-Kontrolle im Hinblick auf sämtliche arbeitsrechtliche Vorschriften. Angesichts des hohen Standards, den die Rechtsprechung fordert, sollten sich Inhaber einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung deren fragiler Natur beim tagtäglichen Geschäft stets bewusst sein.

Widerruf hat sofortige Wirkung

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG kann die Agentur für Arbeit eine bereits erteilte Erlaubnis bei Vorliegen eines Grundes, der ursprünglich die Nicht-Erteilung gerechtfertigt hätte, widerrufen. Ein einmal erfolgter Widerruf wirkt nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AÜG unmittelbar:

  • Von diesem Zeitpunkt an ist die Arbeitnehmerüberlassung illegal.

  • Lediglich für bereits bestehende Verträge gilt unter Umständen die in § 2 Abs. 4 S. 4 AÜG gewährte Abwicklungsfrist von zwölf Monaten.

Inhaltlich wird mit der Widerrufsentscheidung von der Behörde eine Prognose für die Zukunft aufgestellt.

Widerrufsgründe haben viele (überraschende) Gesichter

Die Gründe, die in diesem Rahmen eine negative Prognose rechtfertigen können, sind äußerst vielfältig. Ob ein Widerrufsgrund vorliegt, kann deshalb nur eine Einzelfallprüfung ergeben. Vom LSG Niedersachsen im aktuellen Beschluss als Grund angeführt sind etwa

  • Verstöße gegen das Equal-Pay-Gebot nach neunmonatiger Überlassungsdauer,

  • Verstöße gegen den anwendbaren (Mantel-)Tarifvertrag, bis hin zu

  • Verstößen gegen untergeordnete arbeitsrechtliche Verpflichtungen wie solchen aus dem Nachweisgesetz, das in § 2 die Pflicht zur schriftlichen Ausfertigung des Arbeitsvertrags für den Arbeitnehmer niederlegt.

  • Ebenso erfasst sind - für den Verleiher eventuell schwieriger zu erkennende – Verstöße im Entleiherbetrieb gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

Erleichterter Nachweis von Verstößen für die Behörde

Das LSG Niedersachsen hat sich in zweiter – im hiesigen Eilverfahren letzter – Instanz damit auseinandergesetzt, welchen Nachweisstandard die handelnde Behörde bei solchen Prognoseentscheidungen bei Widerrufen erbringen muss. Nach der Ansicht des Senates ist nicht einmal der Nachweis einzelner schwerwiegende Verstöße notwendig, um ein Widerrufsverfahren einzuleiten. Das Gericht gesteht zwar ein, dass es sich in der Regel in Widerrufsfällen um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich - z. B. Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub bzw. auf sonstige geldwerte Leistungen - handeln wird. Für die Behörde ist es allerdings nicht erforderlich, alle Verstöße auch umfassend beweisen zu können. Vielmehr reicht für die negative Prognose nach Ansicht des Gerichts bereits eine Gesamtschau von Umständen und kleinen Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften, die für sich allein noch keinen Versagungsgrund bieten könnten. Im konkreten Fall rechtfertigte der Senat seine Bestätigung der Widerrufsentscheidung damit, dass neben diversen anderen Übertretungen (wie rechtswidrigen Probezeitvereinbarungen) Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb nachweislich gesetzeswidrig mit den Kosten für persönliche Arbeitsschuhe belastet worden waren. Die Einlassung der klagenden Verleiherin, solche Verstöße seien vom Entleiher verschuldet worden, wurde vom Gericht abgewiesen.

Dringender Bedarf für Compliancemaßnahmen – spätestens im Widerspruchsverfahren

Darüber hinaus machten die Richter deutlich, dass spätestens in dem Moment, in dem die Aufsichtsbehörde tätig wird, penibelste Mitarbeit seitens des Erlaubnisinhabers notwendig ist, um einen Erlaubnisverlust noch zu verhindern. Die klagende Verleiherin hatte sich damit verteidigt, eine einzelne Niederlassungsleiterin sei verantwortlich und Verstöße seien „höchstens in geringem Umfang verbleibend“. Diese pauschale Einlassung der Verfügungsklägerin sah das Gericht schon an sich geeignet, eine Unzuverlässigkeit für eine weitere Verleihtätigkeit zu indizieren. Es könne - so der Senat - nicht angehen, dass zwar einzelne Verstöße, etwa gegen das Arbeitszeitgesetz, zugegeben würden, im Gegenzug aber keine personellen und organisatorischen Gegenmaßnahmen präsentiert würden. Die für die Erlaubnis notwendige Zuverlässigkeit des Verleihers setze die Einrichtung und Überwachung einer Organisationsstruktur voraus, die geeignet ist, zu Lasten der Leiharbeitnehmer gehende Verstöße gegen bestehende rechtliche Vorschriften zu vermeiden.

Fazit

Verleiher sind auf Grundlage dieser Entscheidung in Zukunft gehalten, bereits im Rahmen eines Widerrufsverfahrens eine umfassende Compliance-Analyse mit – bestenfalls bereits umgesetzten – überzeugenden neuen Strukturen zu präsentieren, um dem drohenden Entzug ihrer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und damit ihrer Geschäftsgrundlage wirksam entgegenzusteuern. Im Zweifel sollte schon bevor es zu einem formellen Widerrufsverfahren kommt, (fach-)anwaltlicher Rat zur arbeitsrechtlichen Compliance eingeholt werden. In dieser Hinsicht ist der Beschluss vom Dezember 2018 für Verleiher auch ermutigend: Die erste behördliche Überprüfung der Antragstellerin – die bereits als Warnung hätte dienen können – war bereits im Jahr 2011 erfolgt, so dass zeitlich durchaus Handlungspotenzial bestanden hätte.

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