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14. Sanktionspaket gegen Russland: Erneut Handlungsbedarf für Unternehmen

01.07.2024

Am 24. Juni 2024 hat die EU mit dem 14. Sanktionspaket weitere Sanktionen gegen Russland verabschiedet (Änderungsverordnungen (EU) 2024/1739 und 2024/1745 sowie Durchführungsverordnungen (EU) 2024/1746 und 2024/1776). Damit wurden die beiden zentralen Sanktionsverordnungen der EU – Verordnung (EU) Nr. 269/2014 und Nr. 833/2014 – erneut geändert und erweitert. Die Neuerungen sind bereits am 24. bzw. 25. Juni 2024 in Kraft getreten und fielen deutlich umfangreicher aus als zunächst erwartet.

A.   116 neue Listungen von Personen und erweiterte Liste sanktionierter Güter

Die Sanktionsliste in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 („VO 269/2014“) wurde um 116 Einträge erweitert – darunter 69 Einzelpersonen und 47 Organisationen. Diese unterliegen nun insbesondere einem Einfriergebot sowie einem Bereitstellungsverbot.

Ebenso wurden die Listen der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen erweitert. Anhang VII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 („VO 833/2014“) wurde um bestimmte Werkzeugmaschinen und geländegängige Fahrzeuge erweitert, die nun gem. Art. 2a VO 833/2014 einem Ausfuhrverbot unterliegen. Ferner unterliegt Helium nunmehr einem Importverbot (Art. 3i VO 833/2014 iVm Anh. XXI). Zudem werden Liechtenstein und Island zum Kreis der Partnerländer der EU hinzugefügt und sind von einigen Bestimmungen ausgenommen (Anh. VIII der VO 833/2014).

B.   Verhinderung von Sanktionsumgehung: Neue Compliance-Maßnahmen erforderlich

Der Fokus des 14. Sanktionspakets liegt bei der Verhinderung von Umgehungen. Es bringt abermals Änderungen mit sich, die die Komplexität des Regelwerkes erhöhen. Entsprechend wachsende Anforderungen werden den EU-Unternehmen aufgebürdet. Flankiert wird dies durch eine Ausweitung des Umgehungsverbots.

I.   Sorgfaltspflichten für EU-Unternehmen zur Kontrolle ihrer Tochterunternehmen

Art. 8a VO 833/2014 führt für EU-Unternehmen neue Sorgfaltspflichten ein. Betroffene EU-Unternehmen müssen sich von nun an „nach besten Kräften bemühen“, sicherzustellen, dass ihre Tochterunternehmen in Drittstaaten die Russland-Sanktionen der EU nicht umgehen. Der neue Art. 8a VO 833/2014 als „Best-Effort“-Klausel bleibt hinter der ursprünglich geplanten Ausweitung der „No-Russia“-Klausel in Art. 12g VO 833/2014 auch auf Tochterunternehmen in Drittstaaten zurück. Dies war vor allem in der deutschen Exportwirtschaft aufgrund der erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten vorab stark kritisiert worden. Dennoch stellt die Klausel einen weiteren Paradigmenwechsel im Sanktionsrecht dar. Faktisch werden (Teile) der EU-Russland-Sanktionen auf Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen weltweit ausgeweitet. Ähnlich weitreichende Sanktionen hatten in der Vergangenheit die USA gegenüber Iran und Kuba verhängt und waren dafür von der EU kritisiert worden.

Besondere Herausforderungen bringt Art. 8a VO 833/2014 für Unternehmen mit sich, die noch Beteiligungen in Russland halten, denn einerseits sind EU-Mutterunternehmen gehalten, für die Beachtung von – für das russische Tochterunternehmen EU-Sanktionen zu sorgen, andererseits dürfen Geschäftsleiter der Tochterunternehmen nach russischem Recht diese - ohnehin schon nach der VO nicht geltenden Sanktionen nicht beachten.

II.   „No-Russia“-Klausel in Bezug auf geistiges Eigentum und Geschäftsgeheimnisse

Mit Art. 12ga Abs. 1 VO 833/2014 führt das 14. Sanktionspaket eine weitere „No-Russia“-Klausel ein. EU-Unternehmen müssen ihren Geschäftspartnern aus Drittländern ab dem 26. Dezember 2024 die Nutzung von Rechten, Geschäftsgeheimnissen und Informationen vertraglich untersagen, die unmittelbar oder mittelbar für Russland bestimmt sind. Ausgenommen sind hingegen Verträge, die vor dem 25. Juni 2024 geschlossen wurden und bis zum 26. Juni 2025 erfüllt werden. Zudem enthält Art. 12ga Abs. 3 VO 833/2014 die Verpflichtung, Abhilfemaßnahmen für etwaige Vertragsverstöße in die Vertragsvereinbarung aufzunehmen. Art. 12ga Abs. 4 VO 833/2014 enthält die Verpflichtung, die zuständigen nationalen Behörden von Verstößen des Vertragspartners zu unterrichten.

III.   Risikobewertung von Ausfuhren nach Russland und Risikomanagement

Ab dem 26. Dezember 2024 müssen EU-Unternehmen in Bezug auf kriegswichtige Güter Risikoermittlungen und Risikobewertungen hinsichtlich einer potenziellen Ausfuhr nach Russland bzw. der Verwendung in Russland vornehmen (Art. 12gb Abs. 1 lit. a VO 833/2014). Zudem müssen sie Maßnahmen zur Risikominderung und zum Risikomanagement ergreifen (Art. 12gb Abs. 1 lit. b VO 833/2014). Die Risikobewertung soll dokumentiert und laufend auf dem neuesten Stand gehalten werden. Auch müssen geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Minderung und zum wirksamen Management der Risiken umgesetzt werden. EU-Unternehmen müssen zudem sicherstellen, dass sich ihre Tochterunternehmen in Drittländern ebenfalls an die genannten Vorgaben zur Risikobewertung und zum Risikomanagement halten. Die Verpflichtung greift auch, wenn die EU-Mutter selbst keine kriegswichtigen Güter exportiert, sondern nur die Tochter. Auch hierin liegt eine deutliche Erweiterung des Anwendungsbereiches der EU-Russland-Sanktionen aus territorialer Sicht.

IV.   Ausweitung des Umgehungsverbot

Das 14. Sanktionspaket sichert sein Ziel, die Sanktionsumgehung zu unterbinden, ferner mit einer Ausweitung des allgemeinen Umgehungsverbot ab. Bisher untersagte das Umgehungsverbot in Art. 9 VO 269/2014 und Art. 12 VO 833/2014 lediglich die wissentliche und vorsätzliche Beteiligung an der Sanktionsumgehung. Das Verbot wurde nun dahingehend ausgeweitet, dass bereits die billigende Inkaufnahme der Sanktionsumgehung genügt.

C.   "No-Claims"-Regelung: Schadensersatzanspruch für EU-Unternehmen

Der neue Art. 11a in VO 833/2014 und VO 269/2014 hat einen eigenständigen Schadensersatzanspruch (inkl. Rechtskosten) für EU-Unternehmen eingeführt. Voraussetzung hierfür ist, dass gegen EU-Unternehmen in einem Drittland wegen Einhaltung der EU-Sanktionen Ansprüche geltend gemacht wurden und die EU-Unternehmen keinen effektiven Rechtsschutz in diesen Drittstaaten haben. In diesem Fall können sie auf Abwehr solcher Ansprüche im Drittland gerichtete Schadensersatzansprüche vor Gerichten der EU-Mitgliedstaaten geltend machen. Zusätzlich wurde mit Art. 11b VO 833/2014 ein Schadensersatzanspruch eingefügt, der es EU-Unternehmen vor europäischen Gerichten ermöglicht, Schadenersatz von denjenigen zu verlangen, die von der Zwangsverwaltung profitieren, die die russische Regierung diesen EU-Unternehmen in Russland auferlegt hat. Die Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten dieser Schadensersatzansprüche müssen im Einzelfall geklärt werden.

D.   Nutzungsverbot des russischen Systems für Finanzmitteilungen „SPFS“ und Genehmigung für eingefrorene Gelder

Die EU-Sanktionen wurden auch auf den Finanzbereich ausgeweitet. Mit den neuen Verboten soll die Umgehung der bisherigen Russland-Sanktionen im Finanzbereich unterbunden werden.

I.   Nutzungsverbot des russischen Systems für Finanzmitteilungen „SPFS“

Von besonderer Relevanz sind die neu eingeführten Maßnahmen gegen das System zur Übermittlung von Finanzmitteilungen („SPFS“). Dieses hatte die russische Zentralbank zur Abmilderung der EU-Sanktionen eigens eingeführt.

Für EU-Unternehmen, die außerhalb Russlands tätig sind, besteht seit dem 25. Juni 2025 ein Verbot, sich mit dem SPFS oder mit gleichwertigen spezialisierten Nachrichtenübermittlungsdiensten für den Zahlungsverkehr der Zentralbank zu verbinden (Art. 5ac Abs. 1 VO 833/2014). Verboten ist ebenfalls, sich an Transaktionen mit Personen und Einrichtungen zu beteiligen, die das SPFS oder ähnliche Systeme nutzen (Art. 5ac Abs. 2). Auch auf diese Weise soll die finanzielle Widerstandsfähigkeit Russlands gemindert und die Umgehung der EU-Sanktionen gegen Russland verhindert werden. Allerdings bestehen Ausnahmen, etwa für unbedingt erforderliche Transaktionen für den Kauf oder die Beförderung bestimmter Ressourcen.

II. Zusätzliche Genehmigungsmöglichkeiten für eingefrorene Gelder

Die neuen Absätzen 5h und 5i in Art. 6b VO 269/2014 schaffen zusätzliche Genehmigungsmöglichkeiten für die Freigabe von Geldern, die nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung eingefroren wurden. Die neuen Regelungen erlauben der Bundesbank die Freigabe von eingefrorenen Geldern bei Überweisungen, wenn die Zahlung zwischen zwei nicht sanktionierten Personen erfolgt ist und allein aufgrund der Beteiligung einer sanktionierten Person oder der Zwischenschaltung einer sanktionierten Bank eingefroren wurde.

E.   Neuerungen im Energie- und Transportsektor

Des Weiteren wurden punktuelle Regelungen im Zusammenhang mit russischem LNG verhängt. Z.B. wurde ein Verbot für das Umladen von russischem LNG an europäischen Häfen für den Weitertransport in Drittländer sowie für Investitionen in russische LNG-Projekte eingeführt (Art. 3a bzw. 3r VO 833/2014). Es wurde etwa ein Verbot der Zugangsgewährung zu europäischen Häfen in Bezug auf gelistete Schiffe eingeführt (Art. 3s Abs. 1 VO 833/2014 iVm Anh. XLII).

Zugleich wurden die bestehenden Start-, Lande- und Überflugverbote für Luftfahrtzeuge auf Charterflüge ausgeweitet (Art. 3d Abs. 1 VO 833/2014). Das Verbot für russische Kraftfahrtunternehmen, Güter im Gebiet der Union zu befördern, gilt nun auch für alle EU-Unternehmen, die zu mindestens 25 % in russischem Eigentum stehen (Art. 3l Abs. 1 VO 833/2014).

F.   Geistiges Eigentum

Das 14. Sanktionspaket hat ferner Verschärfungen im Bereich des geistigen Eigentums eingeführt. Art. 5s VO 833/2014 untersagt den zuständigen Stellen für geistiges Eigentum der EU und der Mitgliedstaaten, Anträge auf Eintragung zB von neuen Marken und Patenten von russischen Personen und in Russland ansässigen Personen anzunehmen. Ausgenommen sind Anträge von Staatsangehörigen der EU, des EWR und der Schweiz, sowie von Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis in einem dieser Staaten.

G.   Ausblick

Das 14. Sanktionspaket deckt erneut eine weite Bandbreite an Themengebieten ab. Zurückzuführen ist dies auf Bemühungen, bisherige Wirksamkeitsdefizite der Russlandsanktionen zu beheben. Das aktuelle Sanktionspaket zielt daher vor allem darauf, Regelungslücken zu schließen und festgestellte Sanktionsumgehungen zu unterbinden. Handlungsbedarf für EU-Unternehmen lösen dabei vor allem die mit Art. 8a VO 833/2014 eingeführten Sorgfaltspflichten, die zusätzliche „No-Russia“-Klausel im Bereich des geistigen Eigentums und die Verpflichtung zur Risikobewertung und Risikoüberwachung bei Tochterunternehmen in Drittländern nach Art. 12gb Abs. 3 VO 833/2014 aus.