Staatliche Fördermaßnahmen für Start-ups während der Corona-Krise
Junge Wachstumsunternehmen (Start-ups) sind von der Corona-Krise in besonderer Weise betroffen: Sie verfügen meist nur über geringe Liquiditätsreserven und haben keinen oder nur begrenzten Zugang zu traditionellen Bankenfinanzierungen. Eigenkapitalgeber wie VC-Fonds sind gegenwärtig zurückhaltend, was das Eingehen neuer Investments angeht, da die aktuellen wirtschaftlichen Verwerfungen die Validierung von Geschäftsmodellen und die Ermittlung einer angemessenen Bewertung erschweren.
Zwar haben auch Start-ups prinzipiell Zugang zu allen im Zuge der Corona-Krise auf den Weg gebrachten Fördermaßnahmen. Die im Einzelnen normierten Voraussetzungen, um die Förderung in Anspruch zu nehmen, können jedoch nur wenige Start-ups erfüllen. Die zur Verfügung stehenden Instrumente passen oft nicht für junge Wachstumsunternehmen. Hier wird nun nachgesteuert. Die nachfolgenden Fördermaßnahmen werden von einer wesentlich größeren Zahl Start-ups in Anspruch genommen werden können, da der Kreis der Begünstigten erweitert wurde – v.a. durch ein spezifisches Maßnahmenpaket für Start-ups.
EUR 2 Milliarden Unterstützung für Start-ups
Die Bundesregierung hat am 1. April 2020 ein spezielles Maßnahmenpaket für Start-ups mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro beschlossen. Dieses Volumen stellt eine erste Tranche des ohnehin geplanten Zukunftsfonds der staatlichen Förderbank KfW dar. Allerdings fließen die Fördermittel nicht unmittelbar den Start-ups zu. Vielmehr sollen bereits bestehende öffentliche Förderfonds wie KfW Capital und der Europäische Investitionsfonds EIF durch das Maßnahmenpaket zusätzliche Mittel zur Aufstockung von Investitionen privater Risikokapitalgeber erhalten. Die Investitionssumme kann somit erhöht werden und rückläufigen Investitionstendenzen entgegengewirkt werden.
Auch soll das Maßnahmenpaket verhindern, dass geplante Finanzierungsrunden verschoben oder abgesagt werden, was in der Start-up-Szene in den letzten Wochen bereits zu beobachten war. Eine weitere Zielsetzung des Hilfsfonds ist es ferner, öffentliche Förderfonds in die Lage zu versetzen, Anteile von Fondsinvestoren zu übernehmen.
Das Maßnahmenpaket umfasst somit insbesondere folgende Elemente:
- Öffentlichen Wagniskapitalinvestoren auf Dachfonds- und auf Fondsebene (z.B. KfW Capital, Europäischer Investitionsfonds, High-Tech Gründerfonds, coparion) werden kurzfristig zusätzliche öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt, zum Einsatz im Rahmen der Co-Investition zusammen mit privaten Investoren für Finanzierungsrunden von Start-ups.
- Die Dachfondsinvestoren KfW Capital und Europäischer Investitionsfonds (EIF) werden perspektivisch mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln in die Lage versetzt, Anteile von ausfallenden Fondsinvestoren zu übernehmen.
- Für junge Start-ups ohne Wagniskapitalgeber im Gesellschafterkreis und kleine Mittelständler soll die Finanzierung mit Wagniskapital und eigenkapitalersetzenden Finanzierungsformen erleichtert werden.
Die weiteren Einzelheiten und die nähere Ausgestaltung der vorstehenden Fördermaßnahmen sollen zeitnah bekanntgegeben werden.
Dass die Bundesregierung spezielle Maßnahmen zur Unterstützung von jungen, technologiegetriebenen Unternehmen ergreift, ist zu begrüßen. Bis zum Ausbruch der Corona-Krise profitierte die Start-up Branche von kontinuierlich steigenden Investitionsvolumina und einem wachsenden Kreis von Kapitalgebern (Venture Capital Fonds, Growth Capital Fonds, Corporate Venture Capital, Venture Debt Fonds etc.). Wichtigstes Ziel der staatlichen Maßnahmen muss nun sein, ein Austrocknen der Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups zu verhindern und die Investitionstätigkeit der privaten Kapitalgeber zu stimulieren.
Die Wirksamkeit und der praktische Nutzen der Maßnahmen wird von der konkreten Ausgestaltung und der Umsetzungsgeschwindigkeit abhängen. Die Maßnahmen stellen bewusst keine direkten Hilfen für Start-ups dar, sondern folgen den Empfehlungen von Branchenvertretern, die eine marktkonforme Umsetzung gefordert hatten. Nur Start-ups, denen private Investoren auch unabhängig von der gegenwärtigen Corona-Krise eine Eigenkapital-Finanzierung eingeräumt hätten, werden profitieren. Start-ups müssen also grundsätzlich weiterhin durch den Prozess von Finanzierungsrunden gehen, private Investoren finden und diese von einer Investition überzeugen. Die beschlossenen Maßnahmen fördern solche Investitionen dann vor allem durch Co-Investments öffentlicher Wagniskapitalfonds, Unterstützung von Fonds-Investoren auf Fonds-Ebene und die Flexibilisierung von Beteiligungsinstrumenten. Auch ohne die Corona-Krise kann die Verzögerung einer Finanzierungsrunde um wenige Wochen für ein Start-Up das Aus bedeuten. Gute Vorbereitung und eine effiziente Abwicklung von Finanzierungsrunden wird damit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor.
Parallel zur Umsetzung des Maßnahmenpakets stimmt die Bundesregierung derzeit noch die Ausgestaltung des (ohnehin geplanten) Zukunftsfonds für Start-ups ab, der mittelfristig den Weg aus der Corona-Krise unterstützen soll.
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Durch den neuen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) sollen die negativen Folgen der Corona-Krise für Unternehmen in Deutschland abgemildert werden (siehe hierzu unser Beitrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds v. 26. März 2020). Die gesetzlichen Regelungen zum WSF finden ihren Niederschlag in den §§ 15 ff. des Stabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG).
§ 16 Abs. 2 FMStFG sah ursprünglich vor, dass nur diejenigen Unternehmen der Realwirtschaft (d.h. Wirtschaftsunternehmen, die nicht Unternehmen des Finanzsektors bzw. Kredit- oder Brückeninstitute sind) Unterstützung erhalten können, die in den Geschäftsjahren 2018 und 2019 mindestens zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllt haben:
- Bilanzsumme mehr als 43 Millionen Euro
- mehr als 50 Millionen Euro Umsatz
- mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Ausschuss wird aber nunmehr auch über Anträge von einigen Start-ups entscheiden können. Mit der Erweiterung des FMStG durch § 22 Abs. 2 S. 3 FMStFG gelten Fördermaßnahmen nun auch für Start-ups, in einem der in § 55 Außenwirtschaftsverordnung genannten Sektoren (also z.B. Betrieb von sog. kritischer Infrastruktur oder die Erbringung von Cloud-Computing-Diensten) tätig oder „von vergleichbarer Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft“ sind, oder die seit dem 1. Januar 2017 in mindestens einer abgeschlossenen Finanzierungsrunde von privaten Kapitalgebern mit einem Unternehmenswert von mindestens 50 Millionen Euro bewertet wurden, einschließlich des durch diese Runde eingeworbenen Kapitals (also post money).
Die beiden erstgenannten Kriterien werden nur wenige Start-ups erfüllen. Zu denken ist v.a. an Unternehmen, die etwa im Bereich von Cyber-Technologie tätig sind. Die dritte Kategorie eröffnet zumindest etwas reiferen Start-ups – unabhängig von Branche und Geschäftsmodell – Zugang zu den Fördermaßnahmen des WSF. Für diese Start-Ups gelten dann allerdings auch die weiteren Zugangsvoraussetzungen nach § 25 Abs. 1 FMStG: Den antragstellenden Unternehmen dürfen anderweitige Finanzierungsmittel nicht zur Verfügung stehen und durch die Stabilisierungsmaßnahmen muss eine „klare eigenständige Fortführungsprognose nach Überwindung der Pandemie bestehen“. Zudem dürfen die antragstellenden Unternehmen nicht bereits zum 31. Dezember 2019 die europarechtliche Definition eines „Unternehmens in Schwierigkeiten“ erfüllt haben.
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds besteht aus folgenden Fördermaßnahmen:
- 400 Milliarden Euro Staatsgarantien für Verbindlichkeiten
- 100 Milliarden Euro für direkte staatliche Beteiligungen
- 100 Milliarden Euro für Refinanzierung durch die KfW.
Für Start-ups, welche die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen erfüllen, könnte vor allem die Fördermaßnahme in Form einer staatlichen Beteiligung in Betracht kommen, da die nach § 22 Abs. 1 FMStG möglichen Rekapitalisierungsmaßnahmen auch die Finanzierung über Wandelanleihen umfasst, was in einem weiteren, nicht auf aktienrechtliche Wandelschuldverschreibungen beschränkten Sinne zu verstehen und daher auch die bei Start-Up-Finanzierungen üblichen sog. Wandeldarlehen (Convertible Loans) erfassen dürfte. Jegliche Maßnahme der Rekapitalisierung soll dabei zu marktgerechten Bedingungen erfolgen.
Das KfW Sonderprogramm 2020
Für einige Start-ups könnten nunmehr auch herkömmliche Bankdarlehen in Betracht kommen. Der ERP-Gründerkredit als Teil des KfW Sonderprogramms 2020 steht Start-ups zur Verfügung, die mindestens drei Jahre aktiv am Markt sind und bis zum 31. Dezember 2019 keine Finanzierungsschwierigkeiten hatten. Seit dem 23. März 2020 eröffnet die KfW im Rahmen dieses Sonderprogramms die Möglichkeit, bei Banken oder Sparkassen zu einem Zinssatz von maximal 1,46 % p.a. einen Kredit aufzunehmen und garantiert gegenüber der kreditgebenden Bank eine Haftungsfreistellung von bis zu 90 %. Voraussetzung ist, dass der Kredit für Investitionen und Betriebsmittel bestimmt ist, wozu u.a. Miete, Personalkosten, Energiekosten oder Aufwendungen für Werbung zählen.
Der ERP-Gründerkredit mit garantierter Risikoübernahmedurch die KfW gilt (noch) nicht für Start-ups, die weniger als drei Jahre am Markt aktiv waren. Für viele Start-ups ist das Bankdarlehen mithin auch in hiesigen Zeiten keine Alternative.
Soforthilfen
Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium haben einen Schutzfonds zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht. Hier werden Soforthilfen als Zuschüsse gewährt, diese müssen nicht zurückgezahlt werden. Die finanziellen Soforthilfen stehen allen Start-ups zu, unabhängig davon, ob sie sich bereits drei Jahre am Markt betätigen oder nicht. Die Antragsteller müssen allerdings versichern, dass sie durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind und sich am 31. Dezember 2019 nicht bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden haben. Bis zu EUR 9.000 als Einmalzahlung für drei Monate bei bis zu fünf Beschäftigen und bis zu 15.000 Euro für drei Monate bei bis zu zehn Beschäftigten können beantragt werden.
Einige Start-ups können ergänzend auch länderspezifische Hilfsmaßnahmen, etwa das sog. Soforthilfe Paket II in Berlin, in Anspruch nehmen. Das Programm soll kurzfristig in ein Bundesprogramm überführt werden, die Antragstellung ist daher aktuell bis zum 6. April 2020 ausgesetzt. Mit dem Soforthilfe Paket I hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Finanzen Start-ups, deren Unternehmensgründung mehr als drei Jahre zurück liegt, zinslose Überbrückungskredite mit einer Laufzeit von bis zu sechs Monaten und einer Höhe von bis zu 500.000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Kredit ist bei der Investitionsbank Berlin zu beantragen. Die Antragstellung ist allerdings derzeit bis aus Weiteres ausgesetzt.
Weitere nützliche Hinweise für Start-ups
Da Auswirkungen und Dauer der Corona-Pandemie noch nicht abschätzbar sind, sollten Start-ups ihr Augenmerk besonders auf ihre Fixkosten lenken. Daher kann die Beantragung von Kurzarbeitergeld zumindest erwogen werden, um Kosten zu senken (siehe hierzu unser Beitrag v. 16. März 2020). Auch sollte bei einer behördlich angeordneten Ladenschließung geprüft werden, ob die Pflicht zur Mietzahlung weiterhin besteht (siehe hierzu unser Beitrag v. 19. März 2020).