News

Sektor­untersuchung im Kraft­stoffgroß­handel und das „New Competition Tool“ des Bundes­kartell­amtes

17.03.2025

Mit der 11. GWB-Novelle erhielt das Bundeskartellamt mit dem neuen § 32f Abs. 3 GWB die Befugnis, die im Rahmen einer Sektoruntersuchung festgestellten Störungen des Wettbewerbs mittels geeigneter Abhilfemaßnahmen zu beseitigen. Diese neuen Eingriffsbefugnisse erleben jetzt ihren ersten Einsatz.

Grundlage bzw. Auslöser hierfür ist die kürzlich abgeschlossene Sektoruntersuchung von Raffinerien und im Kraftstoffgroßhandel, welche die komplexen Strukturen und Preissetzungsmechanismen der Mineralölwirtschaft untersucht hat. In dem am 19.02.2025 veröffentlichten Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung stellte das Bundeskartellamt fest, dass die Struktur und Handhabung der im Kraftstoffgroßhandelsmarkt meistgenutzten Preisindizes kartellrechtliche Bedenken aufwirft.

Mit Pressemitteilung vom 06.03.2025 gab das Bundeskartellamt bekannt, die erstmalige Anwendung ihrer neuen Eingriffsbefugnisse – auch als „New Competition Tool“ bezeichnet – im Bereich des Kraftstoffgroßhandels zu prüfen. Danach hat das Bundeskartellamt die Möglichkeit, bei „erheblichen und fortwährenden Störungen des Wettbewerbs“ auch ohne festgestellten Kartellrechtsverstoß Maßnahmen gegenüber Unternehmen anzuordnen. Mit § 32f GWB wurden die Kompetenzen des Bundeskartellamts um Instrumente mit niedrigerer Eingriffsschwelle ergänzt, um gezielt gegen Wettbewerbsstörungen in konzentrierten Märkten vorgehen zu können (dazu bereits unsere Noerr Insights und unser Competition Outlook 2025).

Preisindizes im Fokus

Aufgrund der in der Sektoruntersuchung gewonnenen Erkenntnisse sieht das Bundeskartellamt Anhaltspunkte für eine strukturelle Störung des Wettbewerbs im Bereich Kraftstoffgroßhandel. Im Fokus stehen hierbei die in der Branche verwendeten Preisindizes, da sie eine zentrale Rolle bei der Preissetzung in der gesamten Wertschöpfungskette spielen. Diese Indizes werden durch Informationsdienstleister auf Basis von Meldungen der Marktteilnehmer zu Kauf- und Verkaufsgeboten und abgeschlossenen Transaktionen tagesaktuell errechnet und ihren Abonnenten kostenpflichtig zur Verfügung gestellt.

Hinweise auf konkrete Kartellrechtsverstöße im Zusammenhang mit Preisinformationsdiensten haben sich aus der Sektoruntersuchung zwar nicht ergeben. Das Bundeskartellamt hat jedoch Zweifel, dass die aktuelle Ausgestaltung der Berechnung von Preisindizes bzw. ihre Anwendung in der Praxis einen ausreichenden Schutz vor etwaigen Störungen des Wettbewerbs gewährleistet. Je nach Gestaltung können Preisindizes zu hoher Markttransparenz führen und dadurch das Risiko der Kollusion zwischen den Marktteilnehmern erhöhen. Zudem besteht das Risiko, dass einzelne Marktteilnehmer Preisindizes gezielt manipulieren.

Strukturelle Störung des Wettbewerbs im Bereich Kraftstoffgroßhandel?

Aus diesem Grund hat das Bundeskartellamt in Bezug auf den Kraftstoffgroßhandel nun erstmalig ein Verfahren nach § 32f Abs. 3 GWB eingeleitet. Dabei soll insbesondere untersucht werden, wie sich die beiden in Deutschland am häufigsten genutzten Preisindizes von Argus Media und S&P Global auf den Wettbewerb auswirken. Sollte eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs auf dem Markt festgestellt werden, kann das Bundeskartellamt anschließend die Marktteilnehmer zu bestimmten Abhilfemaßnahmen verpflichten, selbst wenn ein konkreter Verstoß gegen das Kartellrecht nicht identifiziert werden konnte. In Betracht kämen beispielsweise Vorgaben zu Geschäftsbeziehungen, zu Vertragsgestaltungen oder ob und wie Informationen offengelegt werden dürfen, aber gegebenenfalls auch strukturelle Maßnahmen (siehe § 32f Abs. 3 Satz 6 und 7 GWB).

Nach Darstellung des Bundeskartellamtes deuten die bisherigen Erkenntnisse darauf hin, dass ihre herkömmlichen Befugnisse nicht ausreichend sein könnten, um die vermuteten Wettbewerbsstörungen effektiv beseitigen zu können. Aus diesem Grund entschloss sich die Wettbewerbsbehörde, diesen Fall für die Premiere des „New Competition Tools“ zu nutzen.

Laut Gesetz soll das Bundeskartellamt ihre Eingriffsbefugnisse innerhalb von 18 Monaten nach Veröffentlichung des Abschlussberichts zur Sektoruntersuchung ausüben, einschließlich der Entscheidung über etwaige, als erforderlich angesehene Abhilfemaßnahmen. Verglichen mit beispielsweise Kartellverfahren ist dieser Zeitraum relativ kurz. Da auch das Bundeskartellamt mit diesem Verfahren „Neuland“ betritt, dürfte hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Nicht auszuschließen ist, dass das Bundeskartellamt in der Branche tätige Unternehmen (erneut) zur Erteilung von Auskünften auffordern wird, beispielsweise wenn die im Rahmen der Sektoruntersuchung gesammelten Informationen nicht ausreichend erscheinen oder ihre Aktualisierung als erforderlich angesehen wird. Für im Kraftstoffgroßhandelsmarkt tätige Unternehmen ist zu empfehlen, sich lieber frühzeitig zu den möglichen Ergebnissen des Verfahrens und ihren möglichen Auswirkungen für die eigene Geschäftstätigkeiten kartellrechtlich beraten zu lassen.