Potenziale der Energiewende für Investoren in Deutschland – Noerr-Insight No 8: Neuausrichtung nach Ampel-Aus
In unserem Briefing „Deutsche Energiewende: Potenziale für Investoren“ haben wir einen umfassenden Überblick über die Chancen und Risiken der Energiewende in Deutschland für in- und ausländische Investoren gegeben. In unser daran anschließenden Themenreihe haben wir uns ausführlich mit den Möglichkeiten und Herausforderungen im Bereich Offshore Wind, Onshore Wind, Photovoltaik, Speicher, Stromnetze, Wasserstoff und Geothermie beschäftigt und auch Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung beleuchtet. Mit dem Aus der Ampel steht nun jedoch die Umsetzbarkeit vieler der bereits angestoßenen oder in Planung befindlichen Gesetzgebungsvorhaben in Frage.
1. Bruch der Ampelkoalition
Am 6. November 2024 ist die Ampelkoalition zerbrochen. Für Gesetzesvorhaben fehlen Bundeskanzler Scholz nunmehr die Stimmen der FDP und damit die erforderliche Mehrheit im Bundestag. Auch ein Bundeshaushalt für 2025 ist nicht aufgestellt worden, zumal wesentlicher Streitpunkt zwischen den Koalitionspartnern die Einhaltung der Schuldenbremse war.
2. Entwurf EnWG-Novelle
Am 13. November 2024 – also nach dem Bruch der Ampelkoalition – hat das Bundeskabinett noch den Entwurf einer EnWG-Novelle beschlossen. Der Gesetzesentwurf fällt mit 453 Seiten sehr umfangreich aus und enthält Änderungen an einer Vielzahl von Gesetzen.
So sieht dieser unter anderem eine Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes vor, die 60 zusätzliche und acht geänderte Netzausbauvorhaben beinhaltet. Ein zentrales Element der geplanten Änderungen ist die Feststellung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit und des vordringlichen Bedarfs für die neuen und geänderten Netzausbauvorhaben. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Identifizierung länderübergreifender und grenzüberschreitender Netzausbauvorhaben, auf die die Regelungen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) Anwendung finden. Hierbei soll eine Bundesfachplanung sowie ein bundeseinheitliches Planfeststellungsverfahren etabliert werden, um Verzögerungen bei Projekten, die mehrere Länder betreffen, zu vermeiden.
Des weiteren sind Maßnahmen vorgesehen, die den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) helfen sollen, eine sichere und zuverlässige Stromversorgung für Letztverbraucher zu garantieren. Der neu eingeführte § 13l EnWG ermöglicht es den ÜNB, von Betreibern von Erzeugungsanlagen zu verlangen, dass diese ihre Anlagen für die Bereitstellung von Blind- und Kurzschlussleistung sowie zur Unterstützung der lokalen Netzstabilität (Momentanreserve) umrüsten. Der Entwurf enthält auch Regelungen zur Sicherstellung und Überprüfung der Steuerbarkeit und Sichtbarkeit von Stromerzeugungsanlagen, einschließlich Stromspeichern, für die Systemsicherheitsmaßnahmen der Netzbetreiber.
Auch in Bezug auf die Problematik der temporären Erzeugungsüberschüsse enthält der Entwurf der EnWG-Novelle zahlreiche Regelungen. Insbesondere ist vorgesehen, dass die Direktvermarktungsschwelle schrittweise über drei Jahre auf 25 Kilowatt installierter Leistung abgesenkt werden soll.
Ob das Gesetzgebungsvorhaben noch vor der Bundestagswahl abgeschlossen werden kann, bleibt jedoch fraglich, denn hierfür wäre die verbliebene Regierungskoalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf die Mitwirkung der Opposition angewiesen. Zum Teil enthält der Gesetzesentwurf auch Anpassungen an die novellierte Strombinnenmarktrichtlinie, die bis zum 17. Januar 2025 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Es ist daher denkbar, dass gegebenenfalls eine abgespeckte Version des Gesetzespakets, die sich beispielsweise auf die Umsetzung der EU-Vorgaben fokussiert, noch eine Mehrheit findet, auch wenn es diesbezüglich derzeit noch keine konkreten Hinweise gibt.
3. Weitere geplante Gesetzesvorhaben
Neben der EnWG-Novelle befinden sich derzeit noch weitere Gesetzesvorhaben im Gesetzgebungsverfahren, deren Abschluss nunmehr ungewiss ist.
Einige der Gesetzgebungsvorhaben sind europarechtlich getrieben und müssten daher auch von der nächsten Bundesregierung wieder verfolgt werden. So ist die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) grundsätzlich bis zum 21. Mai 2025 in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung hatte diesbezüglich am 29. April 2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie in den Bereichen Windenergie und Stromnetze sowie zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes und am 24. Juli 2024 den Entwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der RED III in den Bereichen Windenergie an Land und Solarenergie einschließlich zugehöriger Energiespeicher vorgelegt. Beide Gesetzgebungsvorhaben sind noch nicht abgeschlossen.
Im September hatte die Bundesregierung außerdem Eckpunkte für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz zur Umsetzung der Kraftwerksstrategie vorgelegt, das unter anderem Ausschreibungen für Bau und Umrüstung von Gaskraftwerken zu wasserstofffähigen Gaskraftwerken enthält. Da der Bau eines Gaskraftwerks einige Zeit in Anspruch nimmt, wird die neue Bundesregierung vor der Herausforderung stehen, Ausschreibungen zügig zu ermöglichen, wenn die (wasserstofffähigen) Gaskraftwerke rechtzeitig als Übergangstechnologie zur Verfügung stehen sollen. Der Referentenentwurf soll bereits vorliegen und die Bundesregierung plante, dass die Kabinettsbefassung noch in diesem Jahr stattfindet.
Ein Entwurf zur Änderung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes wurde bereits in öffentlicher Ausschussanhörung diskutiert. Auch der Entwurf des Wasserstoffbeschleunigungsgesetz wurde bereits im Ausschuss für Klimaschutz und Energie angehört.
4. Ausblick
Sowohl für das Erreichen der Klimaziele als auch für die Umsetzung einiger EU-Vorgaben in diesem Bereich drängt die Zeit. Bis eine neue Regierung nach den voraussichtlich am 23. Februar 2025 stattfindenden Neuwahlen die drängenden Herausforderungen angehen kann, wird jedoch noch Zeit vergehen. Insbesondere vor dem Hintergrund des für das Gelingen der Energiewende notwendigen erheblichen Investitionsbedarfs, wird die neue Bundesregierung vor der Herausforderung stehen, zügig entsprechende Gesetzesvorhaben sowie die Aufstellung des Bundeshaushalts 2025 voranzutreiben und den Finanzierungsbedarf mit der im Grundgesetz vorgesehenen Schuldenbremse in Einklang zu bringen.