Novelle der Anreizregulierungsverordnung
Am 08.07.2016 hat der Bundesrat der Zweiten Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) zugestimmt. Die für die Netzwirtschaft wirtschaftlich so wichtigen Effizienzvorgaben sind damit neugefasst. Das gilt auch für § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV: Danach gelten Kosten oder Erlöse aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen nun dann als dauerhaft nicht beeinflussbar (und sind damit den Effizienzvorgaben der ARegV entzogen), wenn sie in der Zeit "vor dem 31.12.2016" abgeschlossen worden sind. Damit wurde die ursprünglich maßgebliche Frist (31.12.2008) um acht Jahre verlängert.
Wirtschaftlich ist dies für viele Unternehmen von großer Bedeutung. Denn die genannten Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen können bis zu einem Drittel der gesamten Personalkosten ausmachen. Die bereits in der Vergangenheit bestehenden Fragen zu Inhalt und Reichweite der Norm sind damit allerdings nicht gelöst. Das zeigen die jüngsten Entscheidungen des OLG Düsseldorf.
Was sind Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen?
Die Begriffe Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen sind „Typusbegriffe“ – eine trennscharfe Einordnung ist deshalb nicht allgemeingültig möglich. Maßgeblich ist richtigerweise insbesondere, wie die Tarif- bzw. Betriebsparteien die von ihnen geregelte Leistung verstanden wissen wollen.
Aber was kennzeichnet nun eine typische Lohnzusatzleistung? Im Allgemeinen hat sie nicht den Charakter einer unmittelbaren Gegenleistung für geleistete Arbeit, sondern verfolgt vornehmlich andere Zwecke. Sie dient z.B. der Belohnung von Betriebstreue oder sozialen Zwecken. Ebenfalls möglich ist selbstverständlich, dass sie – entsprechend dem Sinn der ARegV – der Effizienzsteigerung dient. Da der Arbeitgeber im Zweifel allerdings „nur“ Arbeitsleistung vergüten will, muss sich ein davon abweichender Zweck entsprechend deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. Deshalb ist für die Einordnung insbesondere der im Tarifvertrag bzw. einer betrieblichen Regelung zum Ausdruck gekommene Wille der Tarif- bzw. Betriebsparteien wichtig.
Als „Versorgungsleistungen“ werden demgegenüber allgemein solche Leistungen bezeichnet, die nicht im unmittelbaren Austausch für Arbeit gezahlt werden, sondern zur Deckung von Risiken wie Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit bwz. in vergleichbaren Situationen.
Die BNetzA schärft nach und erhält Schützenhilfe durch Bundesregierung und BMWi
Allerdings sind nach Interpretation der Bundesnetzagentur (BNetzA) schon seit längerem nur Lohnzusatz- bzw. Versorgungsleistungen für diejenigen Mitarbeiter von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV erfasst, die einen Arbeitsvertrag direkt mit dem Netzbetreiber geschlossen haben. Kosten für Fremdpersonal bleiben außen vor – und damit effizienzrelevant.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV lässt sich dieses Verständnis allerdings nicht unbedingt entnehmen. Die BNetzA erhält jetzt dennoch prominente Schützenhilfe: Bundesregierung und BMWi haben sie jüngst ohne große Diskussion offenbar bestätigt. In der Begründung zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung heißt es nämlich: „Kosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen, die in Dienstleistungsverträgen des Netzbetreibers enthalten sind, sind weiterhin vom Anwendungsbereich der Regelung nicht umfasst“ (Hervorhebung hinzugefügt). Dass sich die Rechtsprechung dem anschließen wird, ist spätestens jetzt zu erwarten. Sie arbeitet derzeit ohnehin an einer Präzisierung des Geltungsbereichs. Vorreiter ist das OLG Düsseldorf, das zu klären begonnen hat, was tarifvertragliche und betriebliche Vereinbarungen i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV sind.
Was sind tarifvertragliche und betriebliche Vereinbarungen?
„Tarifvertragliche Vereinbarungen“ sind zunächst alle wirksamen und normativ geltenden Tarifverträge (Firmen- und Verbandstarifverträge). Erfasst sind – wie das OLG Düsseldorf richtigerweise bestätigt hat – aber auch arbeitsvertragliche Inbezugnahmen tariflicher Regelungen. Ungnädiger ist das OLG Düsseldorf in Bezug auf „betriebliche Vereinbarungen“:
Klar ist zunächst einmal, dass damit jedenfalls Betriebsvereinbarungen (auch Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen), Dienstvereinbarungen mit dem Personalrat sowie Vereinbarungen mit dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten gemeint sind. Formlose Regelungsabreden, betriebliche Einheitsregelungen, Gesamtzusagen oder betriebliche Übungen will das OLG Düsseldorf – mit einer arbeitsrechtlich durchaus angreifbaren Begründung – indes nicht als betriebliche Vereinbarungen anerkennen: Dabei handele es sich um Individualvereinbarungen, die von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV nicht erfasst seien. Wie sich diese Bewertung mit der Anerkennung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmen auf Tarifverträge vertragen soll, ist arbeitsrechtlich nicht erkennbar. Das OLG Düsseldorf wäre gut beraten, diese Rechtsprechung zu ändern. Sie leidet an einem unverkennbaren inneren Widerpruch.
„Vor dem 31.12.2016“ ist eigentlich „vor dem 01.01.2017“
Eine Präzisierung und Richtigstellung wird indes auch in einem anderen Kontext erneut der Praxis überlassen: Für die bisherige Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV, die „vor dem 31.12.2008“ abgeschlossene Vereinbarungen regelte, war man sich einig: Gemeint war eigentlich „vor dem 01.01.2009“. Entsprechendes dürfte auch für die neue Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 ARegV gelten. Ein irgendwie gearteter Grund, wieso der Verordnungsgeber ausgerechnet solche Vereinbarungen, die (genau) am 31.12.2016 abgeschlossen werden, aus dem Anwendungsbereich der Norm ausnehmen wollte, ist schlicht nicht erkennbar. Deutlich wird nur: Soweit energiewirtschaftlich motiviert arbeitsrechtliche Regelungen getroffen werden, wäre für alle Beteiligten eine stärkere Harmonisierung vorteilhaft.
Ausführlich hierzu demnächst Mückl/Krause, Besonderes Arbeitsrecht in der Energiewirtschaft, in: Säcker (Hrsg.), Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2. Aufl.), im Erscheinen.
Bestens
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