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Krypto-Vollstreckung: Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung

06.09.2024

Die Zwangsvollstreckung in Kryptovermögen bleibt rechtlich bis auf weiteres herausfordernd, weil es an darauf zugeschnittenen gesetzlichen Regelungen fehlt. Zwar erhalten Kryptowerte mit den spätestens ab 30.12.2024 geltenden Bestimmungen der Verordnung (EU) 2023/1114 über Märkte für Kryptowerte (Markets in Crypto-Assets Regulation – MiCAR) einen umfassenden europäischen Regulierungsrahmen. Konkrete Reformbestrebungen im Bereich des Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrechts sind allerdings noch nicht in Sicht.

Im Ausgangspunkt ist anerkannt, dass Kryptovermögen dem Zugriff durch die Zwangsvollstreckung nicht entzogen sein soll, es also keine „Flucht ins Kryptovermögen“ gibt. Welche konkreten Mittel für die Zwangsvollstreckung verfügbar sind, war bislang aber noch weitgehend ungeklärt. Erste obergerichtliche Entscheidungen geben mittlerweile eine Richtung vor. Dabei ist zunächst danach zu unterscheiden, ob Gläubiger wegen einer Geldforderung die Zwangsvollstreckung in Kryptovermögen betreiben oder eine Forderung vollstrecken möchten, die auf Übertragung von Kryptowerten gerichtet ist.

I. Vollstreckung in Kryptovermögen wegen Geldforderungen

Hat ein Gläubiger einen Zahlungstitel gegen einen Schuldner erlangt, dessen Vermögen (auch) in Kryptowerten gehalten wird, kann hierin wegen der Geldforderung vollstreckt werden.

Für die rechtliche Einordnung ist hierbei maßgeblich, ob die Kryptowerte von einem Schuldner oder einem Dritten, etwa einem Kryptoverwahrer, gehalten werden. Oftmals wird diese Frage nicht ohne weiteres zu beantworten sein, weil es auf die konkrete Ausgestaltung der Kryptoverwahrung ankommen kann und die vertraglichen Details im Verhältnis zwischen Schuldner und Kryptoverwahrer sich regelmäßig der Kenntnis des Gläubigers entziehen. Im Einzelfall kann es sich daher anbieten, zunächst parallel die Vollstreckung in „eigene“ Kryptowerte des Schuldners und zugleich die Vollstreckung in mögliche Forderungen gegen Drittschuldner, die Kryptowerte für den Schuldner halten könnten, zu verfolgen.

1. Pfändung von „eigenen“ Kryptowerten des Schuldners

Handelt es sich um „eigene“ Kryptowerte des Schuldners, wird in der Literatur überwiegend vertreten, dass die Kryptowerte als „andere Vermögensrechte“ gemäß oder analog § 857 ZPO i. V. m. §§ 829 ff. ZPO gepfändet werden können. Veröffentlichte Rechtsprechung gab es dazu bislang noch nicht.

In einem von Noerr erstrittenen Beschluss (Az. 24 W 36/23) vom 06.12.2023 hat das Kammergericht – soweit ersichtlich – erstmalig obergerichtlich bestätigt, dass Kryptowerte wie „andere Vermögensrechte“ nach § 857 ZPO pfändbar sind. Da es bei Kryptowerten keinen Drittschuldner gebe, erfolge die Pfändung laut Kammergericht gemäß § 857 Abs. 2 ZPO durch Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner mit dem Gebot, sich jeder Verfügung darüber zu enthalten. Soweit für die Verwertung der Kryptowerte der Private Key und weitere Informationen benötigt werden, sei der Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO zur Auskunft hierüber verpflichtet.

Sollte der Schuldner den Pfändungsbeschluss missachten und die gepfändeten Kryptowerte weitertransferieren, kann dies eine strafbare Vollstreckungsvereitelung (§ 288 Abs. 1 StGB) sein.

2. Pfändung von Ansprüchen auf Übertragung von Kryptowerten

Ist das Kryptovermögen nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten („Drittschuldner“) zugeordnet, kommt ebenfalls eine Pfändung über § 857 ZPO i. V. m. § 829 ff. ZPO in Betracht. Gegenstand der Pfändung sind dann nicht die Kryptowerte selbst, sondern der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe bzw. Übertragung der Kryptowerte gegen den Drittschuldner.

Anders als bei der Pfändung „eigener“ Kryptowerte des Schuldners wird die Pfändung hier erst mit Zustellung an den Drittschuldner bewirkt (§ 857 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 829 Abs. 3 ZPO). In der Praxis kann dies zu Schwierigkeiten führen, weil sich die rechtliche Identität des Drittschuldners mitunter nicht immer zweifelsfrei feststellen lässt und/oder der Drittschuldner häufig außerhalb der Bundesrepublik ansässig ist, so dass der Pfändungsbeschluss im Ausland zugestellt werden muss. Aus Gläubigerperspektive ist die Vollstreckung in Kryptowerte, die von Drittschuldnern gehalten werden, allerdings insoweit vorteilhaft, als der Drittschuldner die Kryptowerte nach erfolgter Pfändung nicht mehr an den Schuldner übertragen darf (vgl. § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Transferiert der Drittschuldner die Kryptowerte trotzdem an den Schuldner, hat dies gegenüber dem Gläubiger keine befreiende Wirkung (vgl. § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Verwertung von Kryptovermögen

Im Anschluss an die Pfändung kann der Gläubiger die Verwertung der gepfändeten Kryptowerte bzw. -forderungen beantragen. Hierfür dürfte sich im Regelfall die Verwertung durch freihändige Veräußerung (vgl. § 857 Abs. 5 ZPO, ggf. i. V. m. § 844 ZPO) anbieten. Das Vollstreckungsgericht kann anordnen, dass die Kryptowerte auf ein Treuhandkonto des Gerichtvollziehers überwiesen werden und anschließend vom Gerichtsvollzieher auf einer der üblichen Kryptobörsen in Euro umgetauscht werden, die danach an den Gläubiger ausgezahlt werden.

II. Vollstreckung von Forderungen auf Übertragung von Kryptowerten

Anders verhält es sich, wenn der Gläubiger keinen Zahlungstitel durchsetzen möchte, sondern stattdessen einen Titel, der direkt auf die Übertragung von Kryptowerten gerichtet ist. In solchen Fällen ist zu klären, ob es sich bei der Übertragung von Kryptowerten um eine sog. vertretbare Handlung (§ 887 ZPO) oder eine unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO) handelt. Die Unterscheidung hat sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner weitreichende Konsequenzen.

Bei einer vertretbaren Handlung kann sich der Gläubiger auf Antrag ermächtigen lassen, die geschuldeten Kryptowerte auf Kosten des Schuldners – etwa über eine der üblichen Kryptobörsen – selbst zu erwerben (vgl. § 887 Abs. 1 ZPO). Zugleich kann der Gläubiger beantragen, dass der Schuldner hierfür eine Vorauszahlung leisten muss (§ 887 Abs. 2 ZPO).

Bei einer unvertretbaren Handlung steht dem Gläubiger diese Option nicht zur Verfügung. Stattdessen ist der Gläubiger auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen, der die Kryptowerte an den Gläubiger herauszugeben hat. Zur Durchsetzung der Transaktion kann gegen den Schuldner ein Zwangsgeld oder Zwangshaft angeordnet werden (§ 888 Abs. 1 ZPO). Da das Zwangsgeld auf EUR 25.000,00 begrenzt ist (§ 888 Abs. 1 Satz 2 ZPO), lässt sich bei wertmäßig höheren Kryptoforderungen bezweifeln, ob das Zwangsgeld zur Durchsetzung noch ausreichend erscheint, so dass gegebenenfalls nur noch Zwangshaft in Betracht kommt. Angesichts dieser Nachteile wird es für alle Beteiligten oftmals vorteilhaft sein, wenn die Übertragung der Kryptowerte als vertretbare Handlung eingeordnet wird.

Ob die Übertragung von Kryptowerten auf eine vertretbare Handlung gerichtet ist, hängt davon ab, ob sie auch durch einen Dritten vorgenommen werden kann (§ 887 Abs. 1 ZPO). In welchen konkreten Konstellationen diese Voraussetzung bei Kryptoforderungen erfüllt ist, ist bislang umstritten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in der ersten veröffentlichten Entscheidung hierzu mit Beschluss vom 19.01.2021 (Az. 7 W 44/20) erkannt, dass die Verpflichtung, Kryptowerte zu übertragen, im dortigen Fall eine vertretbare Handlung (§ 887 ZPO) sei. Dabei hat das Oberlandesgericht Düsseldorf maßgeblich darauf abgestellt, dass es im dortigen Sachverhalt für den Gläubiger wirtschaftlich ohne Bedeutung gewesen sei, durch wen und auf welche Weise die Kryptowerte übertragen werden. Da keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Kryptowerte gerade aus der Wallet des Schuldners übertragen werden müssten, könnten diese nach dem Oberlandesgericht Düsseldorf auch anderweitig, etwa über eine Krypto-Plattform, erworben werden.

Zu einem anderen Ergebnis kam dagegen kürzlich das Oberlandesgericht Köln und hat mit Beschluss vom 26.06.2024 (Az. 11 W 15/24) die Übertragung von Kryptowerten im dortigen Fall als unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO) eingeordnet. Dem Fall lag ein Treuhandvertrag zugrunde, der vorsah, dass der Schuldner für den Gläubiger Kryptowerte in Treuhandwallets verwahren sollte. Der Gläubiger hat daraufhin einen Titel auf Herausgabe der Kryptowerte aus den Treuhandwallets erwirkt. Das Oberlandesgericht Köln vertrat die Auffassung, dass diese konkrete Verpflichtung nicht von einem Dritten vorgenommen werden könne, weil nur der Schuldner auf die konkreten Wallets zugreifen könne.

Die bisherige Rechtsprechung macht deutlich, dass es für die spätere Vollstreckung wichtig ist, schon bei der Geltendmachung und gerichtlichen Durchsetzung von Kryptoforderungen klarzustellen, ob ein bestimmtes Interesse daran besteht, die Kryptowerte gerade von einer bestimmten Wallet oder Person zu erhalten. Im Regelfall dürfte das zu verneinen sein und es nur auf den Betrag der Kryptowerte ankommen. In solchen Konstellationen bietet es sich an, bei der Geltendmachung entsprechend hervorzuheben, dass gleichgültig ist, von welcher Wallet die Kryptowerte übertragen werden. Als Alternative kann je nach Fallgestaltung in Betracht kommen, bei einer verweigerten Übertragung der geschuldeten Kryptowerte diese ersatzweise selbst an einer Kryptobörse zu beschaffen und anschließend einen Titel zu erwirken, der auf Erstattung desjenigen Geldbetrages gerichtet ist, der erforderlich war, um die geschuldeten Kryptowerte ersatzweise zu beschaffen. Es empfiehlt sich daher, die zur Verfügung stehenden Rechte und Optionen in solchen Fällen sorgfältig rechtlich prüfen zu lassen.

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