Kommunale Maßnahmen gegen Lachgas-Missbrauch: Dortmund macht in NRW den Anfang
Der Rat der Stadt Dortmund hat am gestrigen Donnerstag, 13.02.2025, ein kommunales Verbot der Ab- und Weitergabe von Distickstoffmonoxid (allgemein bekannt als „Lachgas“) beschlossen. Ziel ist es, den missbräuchlichen Konsum durch Minderjährige zu unterbinden. Die Stadt reagiert damit auf das Scheitern einer bundeseinheitlichen Lösung, die nach dem Ende der Ampel-Koalition in der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr zustande gekommen war. Das Vorgehen könnte zum Vorbild für andere Kommunen werden, wirft jedoch auch kompetenzrechtliche Fragen auf.
A. Lachgas als Freizeitdroge unter Jugendlichen verbreitet
Distickstoffmonoxid ist eine chemische Verbindung aus Stick- und Wasserstoff, die bei Raumtemperatur im gasförmigen Zustand vorliegt. Lachgas hat eine Reihe gewerblicher Verwendungen. Unter anderem kommt es bei medizinischen Behandlungen mitunter als Narkosemittel zum Einsatz, da es eine schmerzstillende, entspannende und euphorisierende Wirkung hat. Aufgrund dieser bewusstseinsverändernden Effekte wird Lachgas jedoch auch missbräuchlicherweise als Rauschmittel verwendet. In Deutschland hat der Konsum insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, wie eine Studie der Goethe-Universität zum Drogenkonsum Frankfurter Jugendlicher nahelegt. Demnach hatten im Jahr 2022 17 % der befragten 15- bis 18-Jährigen in ihrem Leben bereits Lachgas konsumiert. 6 % der Jugendlichen gaben an, innerhalb der vergangenen 30 Tage Lachgas zu sich genommen zu haben. Im Jahr 2020 lag die Lebenszeit-Prävalenz unter den Frankfurter Jugendlichen noch bei 7 % und die 30-Tage-Prävalenz bei 0,3 %.
Zu diesem Anstieg dürfte die leichte Verfügbarkeit des Rauschmittels beitragen. In Folge der steigenden Nachfrage nach Lachgas als Freizeitdroge werden an Kiosken, Automaten oder auch im Online-Versandhandel Lachgas-Kartuschen zum Verkauf angeboten, die wesentlich mehr Distickstoffmonoxid als herkömmliche Sahnespenderkapseln enthalten, die typischerweise für den Konsum der Droge zweckentfremdet werden.
Dabei birgt der Konsum nicht unerhebliche Gesundheitsgefahren. So kann die Einnahme unmittelbar zu starken Ausfallerscheinungen führen, welche das Unfallrisiko signifikant erhöhen. Überdies kann der regelmäßige Konsum zu langfristigen neurologischen Schäden führen.
B. Bislang kein bundesgesetzliches Abgabeverbot für „technisches“ Lachgas
Dass der Erwerb von Lachgas trotz dieser Gesundheitsgefahren sogar für Kinder und Jugendliche ohne weiteres möglich ist, liegt an einer gesetzgeberischen Differenzierung zwischen „medizinischem“ und „technischem“ Lachgas. Medizinisches Lachgas, das als Narkosemittel zum Einsatz kommt, ist als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes („AMG“) zu qualifizieren und unterliegt bestimmten Qualitätsanforderungen gem. § 54 ff. AMG. Das Inverkehrbringen und die Anwendung von medizinischem Lachgas sind gem. § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG strafbar. Demgegenüber unterliegt technisches Lachgas diesen gesetzlichen Beschränkungen nicht. Es findet sich in zahlreichen Gegenständen des täglichen Lebens und wird beispielsweise als Lebensmittelzusatzstoff in Spraydosen für Sprühsahne verwendet. Verkäufer von Lachgas machen sich diese Unterscheidung zunutze, indem sie das Gas in technischer Qualität als Kartusche für Sahnespender vermarkten. Diese Widmung zu Haushaltszwecken führt dazu, dass der Verkauf von der Verbotsnorm des AMG nicht erfasst wird. Auch das Neue-psychoaktive-Stoffe Gesetz („NpSG“) und das Betäubungsmittelgesetz verbieten den Verkauf von Lachgas in technischer Qualität nicht. Vor dem Hintergrund dieser Regelungslücke sah das Bundesgesundheitsministerium gesetzlichen Handlungsbedarf und plante im vergangenen Jahr ein bundesweites Erwerbs- und Besitzverbot, um die missbräuchliche Verwendung von Lachgas als Rauschmittel zu unterbinden. Ausnahmen waren u.a. für Verwendungen zu gewerblichen, industriellen und wissenschaftlichen Zwecken vorgesehen. Eine entsprechende Gesetzesvorlage wurde im November 2024 auch vom Bundeskabinett beschlossen. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen nach dem Aus der Ampelkoalition kam die Gesetzesänderung jedoch nicht mehr in der aktuellen Legislaturperiode zustande.
C. Scheitern bundesgesetzlicher Regulierung veranlasst kommunale und landesrechtliche Verkaufs- und Abgabeverbote
Auf die gescheiterte bundesgesetzliche Regulierung reagieren nun sowohl Gemeinden als auch Bundesländer, welche nunmehr selbst auf kommunaler und auf Landesebene eigene Verkaufs- und Abgabeverbote schaffen möchten.
Als erste größere Kommune hat der Rat der Stadt Osnabrück in der Sitzung vom 03.12.2024 eine Verordnung zum Verbot von Verkauf und Weitergabe von Lachgas an Minderjährige in der Stadt beschlossen. Diese ist am 20.12.2024 im Amtsblatt der Stadt Osnabrück veröffentlicht worden und gilt seit dem 01.01.2025. Vom Verbot umfasst ist zugleich der Betrieb von Automaten, die Lachgas als Ware anbieten und keinen ausreichenden Schutz vor minderjährigen Käufern bieten. Ein Verstoß gegen diese Verordnung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße bis zu EUR 5.000,00 geahndet werden.
Den jüngsten Schritt in Nordrhein-Westfalen ging nun die Stadt Dortmund mit einer ordnungsbehördlichen Verordnung vom 13.02.2025, welche am 14.02.2025 im Amtsblatt der Stadt Dortmund veröffentlicht wurde. Der Rat der Stadt beschloss ein für das gesamte Stadtgebiet geltendes Verbot des Verkaufs sowie der entgeltlichen und unentgeltlichen Ab- und Weitergabe von Lachgas an Minderjährige. Das Verbot der Weitergabe soll insbesondere verhindern, dass volljährige Personen das Lachgas für Minderjährige erwerben. Vom Verbot ist auch der Betrieb von Automaten umfasst, mit denen Lachgas als Ware angeboten wird und die keinen ausreichenden technischen Schutz vor Gebrauch des Automaten durch Minderjährige bieten. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß kann mit einem Bußgeld von bis zu EUR 1.000,00 geahndet werden. Die Stadt Dortmund begründet die Regelungen mit dem Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen.
Rechtlich stützt sich die Verordnung auf § 27 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden („OBG NRW“). Während § 27 Abs. 1 OBG NRW der Gemeinde als örtlicher Ordnungsbehörde den Erlass von Verordnungen zur Gefahrenabwehr ermöglicht, erlaubt § 31 Abs. 1 OBG NRW die Normierung eines Bußgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung. Zentrale Voraussetzung für den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung gem. § 27 Abs. 1 OBG ist das Vorliegen einer abstrakten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, deren Vorliegen die Stadt Dortmund mit den aus dem Konsum von Lachgas resultierenden Gesundheitsgefahren für Kinder und Jugendliche begründet.
Auch andere Städte in Nordrhein-Westfalen prüfen die Möglichkeit kommunaler Verbote. Der ordnungsbehördlichen Verordnung in Dortmund könnten daher ähnliche Regelungen in weiteren Gemeinden folgen. Während im bevölkerungsreichten Bundesland somit ein Flickenteppich unterschiedlicher kommunaler Regelungen droht, werden andernorts mit landesrechtlichen Gefahrenabwehrverordnungen landesweit einheitliche Lösungen angestrebt. So gilt in Hamburg seit dem 01.01.2025 ein landesweites Verkaufs- und Weitergabeverbot, welches fast wortgleich zur Dortmunder Verordnung ist und lediglich ein höheres Bußgeld von bis zu EUR 5.000,00 für Verstöße vorsieht. Der Hamburger Senat stützt sich für den Erlass einer Rechtsverordnung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kompetenziell auf § 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Auch in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen sind landesrechtliche Lachgas-Verbote geplant. In Nordrhein-Westfalen sieht das Landesrecht in § 26 OBG NRW eine gefahrenabwehrrechtliche Verordnungsermächtigung für die Landesregierung vor, auf die ein landesweites Verbot möglicherweise gestützt werden könnte.
D. Liegt die Regelungskompetenz beim Bundesgesetzgeber?
Bislang nicht gerichtlich geklärt ist indes, ob die Gemeinden und Länder über die notwendige Regelungskompetenz zur Normierung eines Abgabeverbots für Lachgas verfügen. Unsicherheiten über die eigene Zuständigkeit führen bei anderen nordrhein-westfälischen Kommunen zu entsprechender Zurückhaltung.
Das Gefahrenabwehrrecht fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer. Auf diese Gesetzgebungskompetenz stützen sich auch die in den landesrechtlichen Ordnungsgesetzen normierten Verordnungsermächtigungen. Bei Abgabeverboten für Rauschmittel könnte es sich jedoch schwerpunktmäßig um Vorschriften des Betäubungsmittelrechts und somit gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG um einen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung handeln. Soweit der Bund eine Materie der konkurrierenden Gesetzgebung abschließend regelt, bleibt für landesgesetzliche Vorschriften im Grundsatz kein Raum. In den bundesrechtlichen Vorschriften des NpSG sind bereits umfassende Erwerbs- und Besitzverbote für zahlreiche psychoaktive Substanzen und erforderliche Ausnahmen hiervon geregelt. Ob vor diesem Hintergrund zusätzliche Verbote für einzelne Substanzen, die dem Anwendungsbereich des NpSG bisher noch nicht unterfallen, durch die Länder und Gemeinden ausgesprochen werden können, dürfte Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Verfahren werden. Im Schrifttum wurde diese Frage bislang, soweit ersichtlich, noch nicht näher diskutiert.
Eine Kompetenzwidrigkeit kommunaler und landesgesetzlicher Lachgasverordnungen hätte weitreichende Folgen, denn eine rechtswidrige Verordnung ist – anders als beispielsweise ein rechtswidriger Verwaltungsakt – nicht rechtswirksam. Konkrete Maßnahmen der Ordnungsbehörden gegen einzelne Anbieter von Lachgas, die sich auf ein kommunales Verbot stützten, wären ebenfalls rechtswidrig, da diese rechtlich an das Vorliegen eines rechtswirksamen Abgabeverbots gekoppelt wären.
E. Ausblick
Die von Kommunen und Ländern erlassenen Abgabeverbote für Lachgas sowie die vom Bundeskabinett angestrebte Regulierung zeigen, dass die politischen Entscheidungsträger hier im Sinne des Gesundheitsschutzes einen dringenden Handlungsbedarf sehen. Bislang sind die kommunalen und landespezifischen Regelungsinstrumente auf den Minderjährigenschutz ausgerichtet, welche den gewerblichen Handel insoweit beschränken, dass eine Ab- und Weitergabe an Kinder und Jugendliche untersagt ist. Hier ist maßgeblich die letzte Handelsstufe angesprochen, Sicherungsinstrumente sowie technischen Schutz zu schaffen, dass eine Ab- und Weitergabe an minderjährige Personen effektiv verhindert wird.
Die industrielle Nutzung, insbesondere die Herstellung und Verwendung, bleibt davon zunächst unberührt.
Auch die nächste Bundesregierung wird sich voraussichtlich mit der Frage eines Abgabeverbotes befassen. Wie genau die Regulierung im Einzelnen aussehen wird, bleibt dabei abzuwarten. Denkbar erscheint insbesondere die Aufnahme von Distickstoffmonoxid in die Anlage zum NpSG, was eine grundsätzliche Erstreckung der dort bereits normierten Erwerbs- und Besitzverbote auf Lachgas zur Folge hätte. Eine solche Regelung wäre weitreichender als die nun verabschiedeten lokalen Verbote, da damit auch ein Erwerbsverbot für volljährige Personen verbunden wäre. Eine zukünftige Koalition könnte jedoch auch primär den Jugendschutz in den Blick nehmen und – wie bei der Regulierung von Alkohol und Zigaretten auch – nur die Abgabe an Kinder und Jugendliche verbieten. In diesem Fall käme eine entsprechende Verortung der Regulatorik im Jugendschutzgesetz in Betracht, um insoweit an den normativen Charakter des Schutzes Minderjähriger anzuknüpfen. Schließlich steht der Gesetzgeber vor der Herausforderung, die missbräuchliche Verwendung von Lachgas als Rauschmittel wirksam einzugrenzen, ohne legitime, alltägliche oder gewerbliche Anwendungen in unverhältnismäßiger Weise zu beschränken.
Insbesondere wird der Bundesgesetzgeber mithin vor der zentralen Weichenstellung stehen, nicht nur wie er seine Regulierung normativ im Einzelnen ausgestaltet, sondern welche Bereiche er primär zum Gegenstand der Regulierung machen wird. Gerade für die gewerblichen und industriellen Anwendungsfelder wird es von zentraler Bedeutung sein, ob sich das Regelungsziel eines Lachgasverbots im Schutz von Minderjährigen erschöpfen wird, oder ob der Normgeber insgesamt ein darüberhinausgehendes umfassendes Regelungsbedürfnis identifiziert, den Handel und die nicht-medizinische Verwendung insgesamt zu unterbinden. So würde insbesondere eine normative Verortung im NpSG dazu führen, dass sowohl auf Herstellungs- als auch auf Handelsebene eine grundsätzliche Prohibition bestünde, welche nur durch die im NpSG festgelegten Ausnahmetatbestände durchbrochen werden würde. Hier gilt es für die beteiligten Akteure umso mehr, die aktuellen regulatorischen Entwicklungen fortlaufend im Blick zu haben.
Die aufgezeigten Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit kommunalen und landesrechtlichen Lachgasverboten führen indes sowohl bei Unternehmern als auch bei der öffentlichen Hand zu akutem Beratungsbedarf. Kommunen und Länder stehen vor der Frage, wie und ob lokale Verbote rechtssicher umgesetzt werden können. Unternehmer, die mit Distickstoffmonoxid Handel treiben, sollten prüfen, inwieweit ihr Geschäftsmodell von neuen Abgabeverboten betroffen ist und müssen hierbei insbesondere den Überblick über eine zersplitternde Rechtslage behalten, die nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern sogar von Kommune zu Kommune divergieren kann.