Ersetzung der Schriftform bei Gewerberaummietverträgen durch die Textform – Auswirkungen auf die Praxis
Am 26.09.2024 hat der Bundestag das „Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“ beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 18.10.2024 zugestimmt. Die darin enthaltenen Gesetzesänderungen berühren unter anderem einen für die Immobilienwirtschaft seit geraumer Zeit streitbefangenen Punkt, und zwar die gesetzliche Schriftform bei Mietverträgen mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr. Bislang bedurften solche Mietverträge und deren Abänderung jeweils der gesetzlichen Schriftform. Es ist nunmehr vorgesehen, dass die Textform für Gewerberaummietverträge mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr ausreichend ist; die Textform ersetzt gleichsam die Schriftform. Für langfristige Wohnraummietverträge, die in der Praxis kaum eine Rolle spielen, bleibt es dagegen beim althergebrachten Schriftformerfordernis.
Welche Auswirkungen hat diese Gesetzesänderung auf die Praxis? Ist damit der auf einem Schriftformmangel fußenden Kündigungsmöglichkeit langfristiger Gewerberaummietverträge gesetzgeberisch endgültig ein Riegel vorgeschoben worden? Darauf wollen wir erste Antworten und Hinweise geben.
Auf welche Gewerberaummietverträge findet die Gesetzesänderung Anwendung?
Die Gesetzesänderung findet auf langfristige Gewerberaummietverträge wie folgt Anwendung:
- Für Gewerberaummietverträge, die nach dem 1.1.2025 abgeschlossen werden, gilt die Neuregelung ohne weiteres. Es reicht also Textform aus.
- Für Gewerberaummietverträge, die bis zum 31.12.2024 abgeschlossen worden sind und für die nach dem 1.1.2025 (also unter Geltung der Neuregelung) keine Änderung vereinbart wird, gilt bis zum 31.12.2025 noch die alte Rechtslage. Das heißt mit anderen Worten, dass in diesem Zeitraum die Kündigung eines Gewerberaumietvertrages noch auf einen Schriftformverstoß gestützt werden kann, auch wenn die Textform gewahrt sein sollte. Zur Fristwahrung genügt die Erklärung der Kündigung bis zum 31.12.2025, auch wenn diese erst nach dem 31.12.2025 Wirkung entfaltet.
- Für Gewerberaummietverträge, die bis zum 31.12.2024 abgeschlossen worden sind, gilt die neue Rechtslage, wenn für diese nach dem 1.1.2025 eine Änderung vereinbart worden ist. Ist das der Fall, gilt das Textformerfordernis nach der Gesetzesbegründung für den gesamten Vertrag. War also z.B. der Ursprungsmietvertrag schriftformwidrig, aber textformkonform, scheidet eine vorzeitige Kündigung unter Berufung auf den Schriftformmangel aus.
Was bedeutet Textform im Vergleich zur Schriftform?
Die Textform ist gesetzlich in § 126b BGB geregelt und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schriftform (§ 126 BGB). Zur Wahrung der Textform reicht es aus, wenn (a) es sich um eine lesbare Erklärung (z.B. Papier, Kopien, E-Mails, Fax, Dateien) handelt, (b) in der Erklärung der Erklärende genannt ist und (c) die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Ein dauerhafter Datenträger ist dabei jedes Medium, welches (a) es dem Empfänger ermöglicht, die an ihn adressierte Erklärung für einen angemessenen Zeitraum aufzubewahren oder zu speichern, und (b) geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.
Im Gegensatz zur Schriftform ist es zur Wahrung der Textform daher nicht erforderlich, dass die Erklärung eigenhändig von den Mietvertragsparteien unterschrieben wird. Es reicht vielmehr aus, wenn die Erklärung z.B. durch eine eingescannte Unterschrift, eine Grußformel oder den Hinweis, dass diese nicht unterschrieben wird, abgeschlossen wird. Das eröffnet zum einen die Möglichkeit, Gewerberaummietverträge nebst Nachträgen elektronisch zu unterzeichnen, ohne zugleich die Anforderungen an eine qualifiziert elektronische Signatur (§ 126a BGB) einhalten zu müssen, und zum anderen auch den Abschluss von Gewerberaummietverträgen per E-Mail-Korrespondenz, SMS und anderen Messengerdiensten wie z.B. WhatsApp. Nichtsdestotrotz gilt auch weiterhin, dass unterhalb des räumlichen Abschlusses der Erklärung eingefügte (handschriftliche) Ergänzungen von Vertragsinhalten die Textform nicht wahren.
Eine besondere Herausforderung dürfte sich aus diesen niedrigschwelligen Abschlussmöglichkeiten insbesondere für die arbeitsteilig arbeitenden Immobilienunternehmen dahingehend ergeben, weiterhin zu gewährleisten, dass die gesamte Mietvertragsdokumentation ordentlich erfasst, gespeichert und archiviert wird, um damit zugänglich und verfügbar zu bleiben, z.B. für Reportings gegenüber Finanzierern oder Investoren oder auch für den eigenen Property Manager.
Dieses Dokumentationserfordernis gewinnt mit Blick auf einen möglichen Verkauf eines vermieteten Objekts noch zusätzlich an Bedeutung. Denn zum einen wird sich der Verkäufer bereits bei der Vorbereitung eines Verkaufs der Frage stellen müssen, ob die Mieterakte, die in den Datenraum eingestellt werden soll, vollständig ist oder ob etwa auf dem Mobiltelefon seines Property Managers in SMS-Chats weitere, rechtlich relevante Korrespondenz mit den Mietern schlummert. Zum anderen steht zu erwarten, dass auch die Erwerber, unterstützt von ihren rechtlichen Beratern, zukünftig noch mehr Wert darauf legen werden, vom Verkäufer eine Erklärung bzw. Garantie dafür zu erhalten, dass die offengelegte Mieterakte in der Tat vollständig ist, um damit das Risiko nicht offengelegter, textformkonformer mietvertraglicher Abreden, die den Erwerber ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit mit dem Erwerb des Objekts binden, dem Verkäufer aufzuerlegen. In Kaufvertragsverhandlungen dürften daher zukünftig die Diskussionen über Textformgarantien und Garantien zur Vollständigkeit der offengelegten Mietvertragsdokumentation wieder in den Vordergrund rücken.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für Immobilienunternehmen die Frage, wie diesen Risiken begegnet werden kann. Wie kann das Immobilienunternehmen gewährleisten, dass seine Mieterakten vollständig sind? Ist es, wie schon in der Praxis zu beobachten, angezeigt, den eigenen Mitarbeitern, dem Property und Asset Manager die Nutzung von Messengerdiensten gegenüber Mietern schlicht zu untersagen? Oder bietet sich sogar die Flucht in die Schriftform über die individuelle Vereinbarung von (doppelten) Schriftformklauseln mit Mietern an, um unfreiwillige, aber bindende textformkonforme (Änderungs-)Vereinbarungen mit Mietern zu vermeiden? Die Rechtsprechung versagt allerdings der (doppelten) Schriftformklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen den ihr angedachten Schutz gegen mündliche oder konkludente (Änderungs-)Vereinbarungen und räumt der mündlichen oder konkludenten Vereinbarung Vorrang ein. Nichts anderes dürfte gelten, wenn die Parteien entgegen einer generischen Schriftformklausel eine (Änderungs-)Vereinbarung in Textform treffen. Für die Praxis wird es darauf ankommen, die Individualität einer speziell vereinbarten (doppelten) Schriftformabrede zu dokumentieren.
Gilt der Einheitlichkeitsgrundsatz und Vollständigkeitsgrundsatz fort?
Bei der Schriftform unterliegenden langfristigen Gewerberaummietverträgen ist anerkannt, dass der jeweilige Gewerberaummietvertrag als formbedürftiges Rechtsgeschäft in einer Urkunde enthalten sein muss. Besteht z.B. der Gewerberaummietvertrag aus mehreren Blättern oder wird auf Anlagen Bezug genommen, bedarf es zur Wahrung der Schriftform zwar keiner körperlichen Verbindung. Jedoch ist die Zusammengehörigkeit durch andere Merkmale (wie z.B. Bezugnahmen auf Anlagen im Haupttext, fortlaufende Paginierung oder Nummerierung) erkennbar zu machen. Entsprechendes gilt bei Änderungen von Gewerberaummietverträgen. Auch in diesen Fällen ist anerkannt, dass auf den Ausgangsvertrag nebst etwaigen Nachträgen Bezug zu nehmen und festzuhalten ist, dass dessen Bestimmungen im Übrigen nicht geändert werden sollen. Nur wenn diese Voraussetzungen gewahrt sind (sog. Einheitlichkeitsgrundsatz), ist die Schriftform gewahrt.
Darüber hinaus wird verlangt, dass auch der gesamte Mietvertragsinhalt (einschließlich etwaiger Nebenabreden) in schriftformkonformer Weise vereinbart wird, wobei als Mindestinhalt die Parteien, der Mietgegenstand, die Laufzeit und die Miete (einschließlich Nebenkostenabrede) genannt werden (sog. Vollständigkeitsgrundsatz).
Zum Vollständigkeitsgrundsatz ebenso wie zum Einheitlichkeitsgrundsatz hat sich eine breite Kasuistik an Gerichtsentscheidungen herausgebildet, die hier nicht weiter thematisiert werden soll. Im Vordergrund soll vielmehr die Frage stehen, ob die Einführung der Textform mit dem Abgesang auf den Einheitlichkeits- und Vollständigkeitsgrundsatz bei langfristigen Gewerberaummietverträgen gleichbedeutend ist. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Das ist aus unserer Sicht nicht der Fall, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens spricht der Wortlaut in § 126b BGB zwar nicht von einer Urkunde, wohl aber von einer Erklärung. Warum jetzt eine Urkunde vollständig und einheitlich sein muss, eine Erklärung indes nicht, erschließt sich nicht, zumal sich der terminologische Unterschied leicht damit erklären lässt, dass eine Urkunde ein körperliches Schriftstück voraussetzt, welches bei der Textform nicht zwingend vorliegen muss.
Zweitens betont der Gesetzgeber in der Begründung der Gesetzesänderung selbst, dass die Herabstufung des Formerfordernisses von der Schriftform zur Textform dem Informations- und Dokumentationsbedürfnis unter Berücksichtigung des Erwerberschutzes auch weiterhin genüge. Daraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Textformerfordernisses gerade keine Abkehr von inhaltlichen Anforderungen an die Form bezweckt, sondern nur die Einhaltung der Form erleichtern möchte. Die inhaltlichen Vorgaben bleiben gleich, nur die formalen Anforderungen sinken. Dies deckt sich auch mit dem generellen Zweck des Gesetzes, überflüssige Bürokratie abzubauen, die insbesondere in der handschriftlichen Unterzeichnung einer körperlichen Mietvertragsurkunde durch beide Mietvertragsparteien gesehen wurde.
Ferner streitet auch der Sinn und Zweck des Formerfordernisses dafür, dem Vollständigkeits- und Einheitlichkeitsgrundsatz auch unter Geltung der Textform zur Anwendung zu verhelfen. Sinn und Zweck der Formvorschrift ist und bleibt primär der Schutz eines potenziellen Erwerbers eines vermieteten Grundstücks, der kraft Gesetzes als neuer Vermieter in den bestehenden Mietvertrag anstelle des Veräußerers eintritt (§ 566 BGB). Der Erwerber soll durch die Dokumentation der wesentlichen Inhalte eines langfristigen Mietvertrages die Möglichkeit erhalten, sich der bestehenden Verpflichtungen zu vergewissern, in die er mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch eintritt. Fehlt es daran, gilt der Mietvertrag als für unbestimmte Zeit abgeschlossen, sodass beiden Parteien das Recht zusteht, den Mietvertrag bereits vor Ablauf der Festlaufzeit ordentlich (je nach Zeitpunkt mit einer Frist von sechs bis neun Monaten) zu kündigen. Dieses Informationsbedürfnis des Erwerbers liegt der Textform ebenso zugrunde wie der Schriftform. Die Textform soll gleichermaßen gewährleisten, dass die Parteien sich zuverlässig über den Inhalt der jewiligen Erklärung informieren können und erfüllt damit die Informationsfunktion, die zu den mittlerweile klassischen Formzwecken rechnet. Erfüllt werden kann diese Informationsfunktion der Textformbei Gewerbemietverträgen indes nur dann, wenn die Erklärung einheitlich und vollständig abgefasst ist; andernfalls läuft diese Funktion leer.
Vor diesem Hintergrund bleibt es aus unserer Sicht auch unter der Geltung der Textform dabei, dass langfristige Gewerberaummietverträge einheitlich und vollständig, nur eben in Textform, abzufassen sind. Für etwaige Änderungen von Mietverträgen bedeutet das z.B. konkret, dass in der Änderungsvereinbarung weiterhin auf den Ursprungsmietvertrag nebst etwaigen Nachträgen Bezug zu nehmen und festzuhalten ist, dass es im Übrigen bei den geltenden Bestimmungen bleibt. Der Abschluss einer solchen Änderungserklärung kann dann in Textform, also z.B. durch eingescannte Unterschrift oder per E-Mail erfolgen.
Fazit und Ausblick
In der Gesamtschau stellt man fest, dass die Einführung der Text- statt der Schriftform für langfristige Gewerberaummietverträge weniger Erleichterungen für die Praxis mit sich bringt, als vielleicht auf den ersten Blick erwartet und erhofft. Es bleibt dabei, dass die mietvertraglichen Abreden vollständig in einer einheitlichen Erklärung (statt Urkunde) dokumentiert sein müssen, damit auch ein Erwerber weiß, auf was er sich einlässt. Werden diese Anforderungen verfehlt, liegt zukünftig kein Schriftformmangel, sondern ein Textformmangel vor, der zu denselben Konsequenzen wie ein Schriftformmangel führt – die ordentliche Kündbarkeit des Mietverhältnisses.
Auch rein mündliche Abreden begründen weiterhin die Sorge vor einer vorzeitigen Beendigung langfristiger Gewerberaummietverträge; daran ändert die gesetzlich angeordnete Textform (auch) nichts.
Damit beschränkt sich die Erleichterung – ganz dem Gesetzeszweck entsprechend – darauf, Bürokratie abzubauen, indem es keiner eigenhändigen bzw. qualifiziert elektronischen Unterschriften auf einer Urkunde mehr bedarf, um die gesetzliche Form bei langfristigen Gewerberaummietverträgen zu wahren; das ist ein Fortschritt.
Was die Praxis aus dem Textformerfordernis macht, insbesondere, ob sie es annimmt und nutzt, bleibt abzuwarten. Erste Indizien und Stimmen weisen in eine andere Richtung, und zwar dahin, dass die Schriftform, wenn schon nicht mehr gesetzlich, dann doch vertraglich gewollt ist und über (doppelte) Schriftformklauseln von den Mietvertragsparteien schlicht individuell vereinbart und aufrechterhalten wird; dies wohl auch gerade, um sicherzustellen, dass die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Mietvertragsdokumentation erfüllt und unliebsame Überraschungen oder Haftungen (z.B. beim Verkauf) vermieden werden.