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Convertible Loans als Finanzierungsinstrument von Start-Ups

04.01.2023

Eine Finanzierungsform, mit der junge, schnell wachsende Unternehmen unkompliziert Kapital aufnehmen können, sind sog. Wandeldarlehen (Convertible Loans). Wandeldarlehen vermeiden die Festlegung einer Unternehmensbewertung des Start-Ups bzw. verschieben diese auf einen späteren Zeitpunkt. Dies macht Wandeldarlehen gerade im aktuellen, von Bewertungsunsicherheiten geprägten Marktumfeld zu einem beliebten Finanzierungsinstrument, dessen Relevanz eher noch zunehmen dürfte.

Zwar existieren im VC- und Start-Up-Markt bereits seit längerem Vertragsmuster für Wandeldarlehen mit den gängigen Klauseln – um deren Mechanismen zu verstehen, Risiken einzuschätzen und Gestaltungsspielräume nutzbar zu machen, ist eine auf den einzelnen Finanzierungsanlass bezogene anwaltliche Beratung allerdings unerlässlich. Der nachfolgende Beitrag mag als erster Überblick und Einstieg in die Thematik dienen.

Vor- und Nachteile eines Wandeldarlehens aus Sicht des finanzierten Unternehmens

Vorteile:

  • Schneller und kostengünstiger als (Eigenkapital-)Finanzierungsrunde

  • Festlegung einer Bewertung des finanzierten Unternehmens wird (zunächst) vermieden

  • Durch Wandlung geringere „direkte“ Kosten als klassisches Darlehen

  • Zunächst keine Verwässerung (also verminderte Beteiligungsquote) der Gründer und sonstiger Bestandsgesellschafter

  • idR keine Änderung der Governance, keine direkten Mitspracherechte des Darlehensgebers aufgrund (noch) fehlender Gesellschafterstellung

Nachteile:

  • Zinskosten (sofern Zinsen nicht gewandelt werden)

  • Falls keine Wandlung erfolgt, kann Rückzahlungsverpflichtung zu Liquiditätsengpass führen

  • Bewertung und Ausgestaltung der Governance nur zeitlich nach hinten verschoben

Wandlungsereignisse

Regelmäßig wird vereinbart, dass eine Wandlung des Darlehens erfolgt, wenn innerhalb der Laufzeit (üblicherweise etwa zwischen neun und 24 Monaten) eine Eigenkapitalfinanzierungsrunde des Start-Ups stattfindet, im Rahmen derer die Gesellschaft neue Anteile ausgibt. Oft wird diese im Wandeldarlehen näher konkretisiert (Qualified Financing Round), etwa unter Verweis auf ein Mindestvolumen der Runde oder eine zugrundeliegende Mindestbewertung der Gesellschaft. Dies folgt aus dem Gedanken, dass durch das Wandlungsereignis eine belastbare Marktbewertung des Unternehmens vorgegeben werden soll (priced round). Die Belastbarkeit dieser „Bepreisung“ durch die Investoren der Eigenkapitalrunde stünde in Zweifel, wenn dem Unternehmen etwa nur ein Klein(st)betrag zufließt.

Weitere Wandlungsereignisse sind üblicherweise sog. Exits, also der (mehrheitliche) Verkauf der Gesellschaft oder der Eintritt des Fälligkeitszeitpunkts.

Ein wesentlicher Punkt für die Ausgestaltung von Wandeldarlehen ist, ob der Darlehensgeber bei einem Wandlungsereignis eine Wandlung verlangen darf oder er hierzu verpflichtet ist. Welche Vereinbarungen hierzu getroffen werden, hängt maßgeblich von Verhandlungsmacht und -geschick der Parteien ab. Als Standard dürfte gelten, dass jedenfalls bei Vorliegen einer (qualifizierten) Finanzierungsrunde gewandelt werden muss – dies ist v.a. aus Sicht des Start-Ups und seiner Bestandsgesellschafter im Hinblick auf die weitere Finanzierungsfähigkeit des Unternehmens auch sinnvoll, da es Eigenkapitalinvestoren idR nicht akzeptieren würden, dass nach ihrem Investment noch „offene“ (d.h. nicht gewandelte) Convertible Loans fortbestehen. Jenseits davon kann es sich anbieten, zwischen verschiedenen Wandlungsereignissen zu differenzieren, z.B. eine zwangsweise Wandlung bei einer qualifizierten Finanzierungsrunde und ein Wandlungsrecht bei sonstigen Finanzierungsrunden und anderen Wandlungsereignissen vorzusehen.

Wandlungssystematik

Im Ausgangspunkt folgt die Berechnung der Anzahl der Anteile, die ein Investor bei Wandlung seines Convertible Loans zu übernehmen berechtigt ist, der Methodik eines Eigenkapitalinvestments, nur dass an die Stelle des „frischen Geldes“ der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers, typischerweise zzgl. aufgelaufener Zinsen, tritt: Aus der Division der Bewertung der Gesellschaft zum Wandlungszeitpunkt durch (etwas vereinfacht) die Anzahl der bereits ausgegebenen Anteile an der Gesellschaft ergibt sich der Preis, der für weitere Geschäftsanteile zu zahlen ist (Share Price). Im Anschluss wird der Darlehensbetrag inkl. Zinsen zum Wandlungszeitpunkt durch den Share Price dividiert, um zu ermitteln, wie viele Geschäftsanteile der Darlehensgeber erhält.

Hinzu kommt allerdings, dass bei Wandeldarlehen regelmäßig sog. (Valuation) Caps und / oder Discounts vereinbart werden.

Ein Cap (englisch für Obergrenze) ist eine vereinbarte Bewertungsgrenze. Diese schützt den Darlehensgeber davor, für sein Investment nur einen (zu) kleinen Anteil am Unternehmen zu erhalten. Übersteigt die einer Eigenkapitalfinanzierungsrunde zugrunde gelegte Bewertung den Cap, gilt für die Zweck der Wandlung stattdessen der Cap. Aus Unternehmenssicht ist auf die Höhe eines vereinbarten Caps besonderer Augenmerk zu richten, da diesem beim weiteren Fundraising eine gewisse „Anker-“Funktion zukommen wird. Werden verschiedene Wandeldarlehen im Zeitverlauf mit unterschiedlichen (idR ansteigenden) Caps ausgegeben (stacked convertibles), entsteht zudem eine gewisse Komplexität im Captable, die bei der Strukturierung einer folgenden Eigenkapitalfinanzierung im Auge zu behalten ist.

Ein Discount (englisch für Preisnachlass) ist ein vereinbarter Rabatt auf den Share Price, nach gängiger Marktpraxis aktuell in Höhe von 20%. Der Darlehensgeber erhält bei Wandlung seine Beteiligung am Unternehmen also etwas günstiger (oder umgekehrt formuliert: erhält mehr Anteile für ein gleich hohes Investment) als die Investoren der nachfolgenden Eigenkapitalrunde. Dadurch wird das Vorfinanzierungsrisiko des Darlehensgebers prämiert, der bereit war, dem Start-Up in einer frühen Phase, zwischen zwei Eigenkapitalrunden oder auch in einer Unternehmenskrise Finanzierungsmittel zur Verfügung zu stellen.

Cap und Discount können auch kombiniert werden. Hierbei ist im Wandeldarlehensvertrag auf genaue Formulierungen zu achten, um sicherzustellen, dass in den einzelnen Wandlungsszenarien sachgerechte Ergebnisse erzielt werden.

Im Übrigen: „Gewöhnliches“ Darlehen

Das Wandeldarlehen ist abgesehen von der Wandlung ein „normales“ Darlehen:

Festzulegen sind unter anderem die Zinsen sowie die Frage, ob der Zins laufend oder endfällig (üblich, da aufgelaufene Zinsen meist mitgewandelt werden) zu zahlen ist. Kommerziell spielt die Höhe des Zinssatzes meist keine große Rolle, da die eigentliche Renditechance des Darlehensgebers im Wandlungsrecht liegt. Allein schon aus steuerlichen Gründen sollte jedoch auf die Festlegung eines (ggf. auch recht niedrigen) Zinssatzes allerdings nicht ganz verzichtet werden.

Typisches Element eines Wandeldarlehens ist ferner die Vereinbarung eines sog. qualifizierten Rangrücktritts. Damit soll zum einen eine Überschuldung der Gesellschaft im Fälligkeitszeitpunkt vermieden, zum anderen regulatorischen Anforderungen entsprochen werden. Beide Aspekte erfordern eine sorgfältige Prüfung der verwandten Formulierungen unter Berücksichtigung etwaiger Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und regulatorischer Praxis. Vor der unbesehenen Reproduktion vermeintlicher „Boilerplate“-Klauseln zum Rangrücktritt aus älteren Vorlagen oder Vertragsmustern ist daher zu warnen.

Aus Sicht des Unternehmens empfiehlt es sich zudem, die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung des Darlehens im größtmöglichen Umfang auszuschließen. Auch hierbei ist sorgsam auf die Formulierung der jeweiligen Regelungen im Wandeldarlehensvertrag zu achten.

Anders als etwa Venture-Debt-Finanzierungen sind Wandeldarlehen typischerweise unbesichert.

Most-Favoured-Nations-Klausel

Häufig finden sich in Wandeldarlehensverträgen sog. Most-Favoured-Nations-Klauseln. Diese besagen, dass im Falle der späteren Ausgabe von weiteren Convertibles durch die Gesellschaft der Darlehensgebers verlangen kann, „sein“ Wandeldarlehen entsprechend anzupassen. Wird im zeitlich früheren Wandeldarlehen also etwa ein Discount von 20% vereinbart, bei einem späteren Wandeldarlehen aber ein Discount von 25%, kann der erste Darlehensgeber verlangen, dass sein Discount ebenfalls auf 25% “springt“. Um eine Ausübung dieses Rechts praktisch zu gewährleisten, werden Most-Favoured-Nations-Klauseln durch entsprechende Offenlegungspflichten flankiert.

Praktische und formelle Fragen

Die im Falle einer Wandlung zu erbringende „Gegenleistung“, nämlich die Ausgabe von Anteilen an den Darlehensgeber im Rahmen der Wandlung, kann die Gesellschaft selbst streng genommen nicht leisten, da die Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung und die Ausgabe von Geschäftsanteilen in die Zuständigkeit der Gesellschafter fallen. Dies macht eine Einbindung der Bestandsgesellschafter erforderlich. Zum einen können diese selbst Partei des Wandeldarlehensvertrages werden und sich in diesem verpflichten, die Umsetzung der Wandlung durch Fassung entsprechender Beschlüsse sicherzustellen. Alternativ kann parallel zum Abschluss des Wandeldarlehens ein Genehmigtes Kapital in hinreichender Höhe geschaffen oder ein separater Gesellschafterbeschluss gefasst werden, in dem sich die Gesellschafter zur entsprechenden Umsetzung der bei Wandlung erforderlichen Kapitalmaßnahmen verpflichten. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist die Aufnahme sämtlicher Gesellschafter als Partei des Wandeldarlehensvertrages grundsätzlich vorzugswürdig.

Hinsichtlich der einzuhaltenden Formerfordernisse hat sich die Marktpraxis in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Während noch vor einigen Jahren Wandeldarlehensverträge nahezu ausnahmslos notariell beurkundet wurden, kann mittlerweile der rein privatschriftliche Abschluss als die Regel gelten. Auch zu dieser Frage und der mit einem möglichen Formverstoß einhergehenden Risikoeinschätzung ist die Einholung anwaltlichen Rechtsrats dringend zu empfehlen. Jedenfalls ein Wandeldarlehen mit einem noch nicht an der Gesellschaft beteiligten Darlehensgeber, der sich im Wandeldarlehensvertrag für den Fall der Wandlung zum Beitritt zu einer konkret bezeichneten, für sich genommen beurkundungsbedürftigen Gesellschaftervereinbarung (Shareholders‘ Agreement) verpflichtet, dürfte nach richtiger Auffassung seinerseits notariell zu beurkunden sein.