BGH zum insolvenzrechtlichen Nachrang von Upstream-Garantien
Bei der Herausgabe von stillen Beteiligungen zur Verstärkung der Eigenkapitalbasis von Unternehmen muss sich die beteiligende Gesellschaft mit der Frage des Nachrangs ihrer Forderungen im Fall der Insolvenz der Beteiligungsnehmerin auseinandersetzen. Noerr beriet eine Beteiligungsgesellschaft im Rahmen einer Klage auf Feststellung von Forderungen im Zusammenhang mit einer stillen Beteiligung im Rang des § 38 InsO gegen den Insolvenzverwalter.
Dass die Ansprüche auf Rückzahlung derartiger Beteiligungen sowie hierfür bestellter Garantien von Tochtergesellschaften der Beteiligungsnehmerin nicht nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO sind, hat Noerr nunmehr rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eines Insolvenzverwalters durch den Bundesgerichtshof (Beschluss vom 12.09.2024, Az. IX ZR 159/23) feststellen lassen.
I. Hintergrund
Die von Noerr vertretene Beteiligungsgesellschaft beteiligte sich als stille Gesellschafterin an einer GmbH, welche in der Hand eines alleinigen Gesellschafters lag. Ihre Einlage betrug zum Schluss das Vierfache des satzungsmäßigen Stammkapitals der GmbH. Hinsichtlich dieser Beteiligung war eine Rangrücktritt vereinbart. Daneben sah der Beteiligungsvertrag zugunsten der Beteiligungsgesellschaft eine Kombination aus Festvergütung und Gewinnbeteiligung vor. Neben kalendervierteljährlichen Informationsrechten wurden gewisse Veränderung in der Struktur der GmbH der Zustimmung der Beteiligungsgesellschaft unterstellt; von der Geschäftsführung wurde die Beteiligungsgesellschaft jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Zur Sicherheit gewährte eine Tochtergesellschaft der GmbH eine Garantie in Form einer selbstständigen Verpflichtung. In dem Garantievertrag wurde kein Rangrücktritt vereinbart.
Nachdem sowohl über das Vermögen der GmbH als auch der Tochtergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, bestritt der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft die angemeldeten Zahlungsansprüche aus der Garantie hinsichtlich ihres Rangs als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO. Seiner Auffassung nach stünden die Ansprüche aus der Garantie dem Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens gleich und seien daher gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangig.
Noerr erhob für die Beteiligungsgesellschaft Klage auf Feststellung der Zahlungsansprüche aus der Garantie zur Insolvenztabelle im Rang einer Insolvenzforderung (§ 38 InsO).
II. Die Entscheidung der Gerichte in erster und zweiter Instanz
Bereits in erster (Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.06.2022, Az. 27 O 335/21, ZInsO 2022, 1635) und zweiter Instanz (Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26.07.2023, Az. 3 U 122/22) bestätigten die Gerichte unsere Rechtsauffassung, dass die Forderung der Beteiligungsgesellschaft aus der Garantie der Tochtergesellschaft keine dem Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens gleichzustellende Forderung i. S. v. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO darstellt.
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht kamen zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Beteiligungsgesellschaft in Gesamtbetrachtung ihrer Stellung nach dem Beteiligungsvertrag schon keine gesellschaftergleiche Stellung im Hinblick auf die GmbH zukomme und sie damit konsequenterweise auch nicht als mittelbare Gesellschafterin der Tochtergesellschaft zu behandeln sei.
Der atypisch stille Gesellschafter müsse sich mit seinen Ansprüchen auf Rückgewähr seiner Einlage wie ein Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens behandeln lassen, wenn in einer Gesamtbetrachtung seine Stellung nach dem Beteiligungsvertrag der eines Gesellschafters im Innenverhältnis weitgehend angenähert sei. Maßgeblich für die Einordnung eines Drittdarlehens als wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entsprechend sei nach Auffassung des Berufungsgerichts insbesondere, dass sich die Tätigkeit der Gesellschaft als eigene unternehmerische Betätigung des Dritten darstelle. Dies beurteile sich nach den vom Bundesgerichtshof etablierten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 28.06.2012 - IX ZR 191/11; Urteil vom 25.06.2020 – IX ZR 243/18) anhand eines Dreifachtatbestands aus Gewinnbeteiligung, gesellschaftergleichen Rechten sowie der Teilhabe an der Geschäftsführung im Gesamtvergleich mit der Rechtsposition des regulären Gesellschafters. Lediglich hinsichtlich des anzusetzenden Vergleichsmaßstabs wies das Berufungsgericht korrigierend darauf hin, dass der stille Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BGH an der Stellung des Gesellschafters der jeweiligen Gesellschaftsform zu messen sei, an der er als Stiller beteiligt sei.
Im Fall der von Noerr vertretenen Beteiligungsgesellschaft stehe diese einem Gesellschafter der GmbH jedoch nicht gleich, da die ihr eingeräumten Rechte, ihre Teilhabe an der Geschäftsführung sowie ihre Gewinnbeteiligung hinter den entsprechenden Rechten eines GmbH-Gesellschafters zurückblieben. Es liege folglich eine typische stille Gesellschaft vor.
1. Gewinnbeteiligung bleibt hinter der des GmbH-Gesellschafters zurück
Im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse bliebe die Stellung der Beteiligungsgesellschaft erheblich hinter der Stellung eines GmbH-Gesellschafters zurück. So hatte die Beteiligungsgesellschaft bei Auflösung der stillen Gesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage (entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Auch hafte die Beteiligungsgesellschaft mit ihrer Einlage – entgegen dem GmbH-Gesellschafter – gemäß Beteiligungsvertrag nicht bei Verlusten der Gesellschaft.
Auch die Regelung zur Gewinnbeteiligung der Beteiligungsgesellschaft indiziere eine typisch stille Gesellschaft. Die Gewinnbeteiligung war unabhängig vom Unternehmenserfolg auf höchstens 1,5 % der geleisteten Einlage begrenzt. Darüber hinaus erhielt die Beteiligungsgesellschaft lediglich eine Zinserhöhung bei profitabler Geschäftstätigkeit. Die vereinbarte Festvergütung sei für eine Fremdfinanzierung typisch. An stillen Reserven und dem Geschäftswert sollte die Beteiligungsgesellschaft weder während des Bestehens der stillen Gesellschaft, noch bei deren Beendigung teilhaben. Hierin liege ein wesentlicher Unterschied zum atypisch stillen Gesellschafter, der bei Ausscheiden im Rahmen einer Auseinandersetzungsbilanz an allen stillen Reserven sowie dem Geschäftswert der Gesellschaft zu beteiligen ist.
Prägend für das Gesamtbild der stillen Beteiligung sei daher gewesen, dass diese zur Projektfinanzierung zeitlich befristet Kapital zur Verfügung stellen sollte und hierfür lediglich eine teils gewinnabhängige Kapitalverzinsung erhalten sollte, ohne jedoch an den Früchten der mitfinanzierten Projekte zu partizipieren. Auch die Höhe der Einlage im Vergleich zum Stammkapital der Muttergesellschaft indiziere keine atypische Beteiligungskonstellation. Eine solche sei erst indiziert, wenn die Einlage das Stammkapital um das 30-Fache übersteigt.
2. Keine Einräumung gesellschaftergleichen Rechte
Der Beteiligungsgesellschaft seien auch keine gesellschaftergleichen Rechte eingeräumt. Zwar stünden nach dem Beteiligungsvertrag eine gewisse Anzahl an Maßnahmen unter einem Zustimmungsvorbehalt. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass der alleinige Gesellschafter der GmbH sämtliche Entscheidungsbefugnisse in der Hand hielt. Die Limitierung der Befugnisse eines alleinigen GmbH-Gesellschafters kann nicht zu einer atypischen Gesellschaftsbeteiligung führen. Zudem waren die vertraglich vereinbarten Informationsrechte der Klägerin nur ein vierteljährliches „Reporting“ zu gewissen Angelegenheiten der GmbH. Das einem GmbH-Gesellschafter zustehende jederzeitige Auskunftsrecht über sämtliche Angelegenheiten und das unbeschränkte Einsichtsrecht in Bücher und Schriften gehe weit über die im Beteiligungsvertrag eingeräumten Rechte hinaus.
3. Keine Teilhabe an der Geschäftsführung
Im Hinblick auf die Teilhabe der Beteiligungsgesellschaft an der Geschäftsführung sei maßgeblich, dass diese von der Geschäftsführung ausgeschlossen war. Zwar standen Änderungen in der Geschäftsleitung unter dem Zustimmungserfordernis der Beteiligungsgesellschaft. Jedoch bestimmte vorliegend der alleinige Gesellschafter der GmbH mittelbar über die Auswahl, Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers (§ 46 Nr. 5 GmbHG), sodass die Geschäftsführung im Wesentlichen durch ihn bestimmt bliebe. Dieser eingeräumte Zustimmungsvorbehalt reiche auch bei Weitem nicht an die einem GmbH-Gesellschafter eingeräumte Prüfung und Überwachung des Geschäftsführers (§ 46 Nr. 6 GmbHG) heran.
Da bereits für keinen Teilbereich des Dreifachtatbestandes eine Vergleichbarkeit der Stellung der Beteiligungsgesellschaft und eines GmbH-Gesellschafter festgestellt werden konnte, könne auch eine Gesamtbetrachtung zu keiner anderen Wertung gelangen.
III. BGH weist Nichtzulassungsbeschwerde zurück
Diese Qualifizierung des Zahlungsanspruchs aus der Garantie als Insolvenzforderung i. S. v. § 38 InsO bestätigte der Bundesgerichtshof durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Insolvenzverwalters, mit welcher dieser insbesondere das Vorliegen von Rechtsfehlern gerügt hatte.
IV. Praxisausblick
Die Entscheidungen schaffen Klarheit für die insolvenzrechtliche Einordnung der Forderungen stiller Gesellschafter und der hierfür bestellten Garantien. Mit dieser Rechtsprechung sind den Beteiligungsgesellschaften bereits im Stadium der Vertragsgestaltung Kriterien an die Hand gegeben, mit denen sie ihre Forderungen im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz der finanzierten Unternehmen oder der Garantiegeberinnen jedenfalls mit Blick auf den Rang dieser Forderungen absichern können.