Update Foreign Subsidies Regulation („FSR“): Europäische Kommission leitet erste Untersuchung von Amts wegen im Windturbinensektor ein
Am 9. April 2024 kündigte Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb, im Rahmen einer Rede an der US-Universität Princeton an, dass die Europäische Kommission ihre erste Untersuchung von Amts wegen („Ex officio-Untersuchung“) nach der Foreign Subsidies Regulation („FSR“) eingeleitet hat. Die Ex officio-Untersuchung richtet sich laut Vestager gegen chinesische Lieferanten von Windturbinen und betrifft den Ausbau von Windparks in Spanien, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Bulgarien. Weitere Details zu der eingeleiteten Untersuchung nannte Vestager dabei noch nicht.
Sie stellte die Untersuchung aber in einen breiteren politischen Kontext. Laut Vestager könne es sich die EU nicht leisten, die Erfahrungen im Bereich Solarzellen – namentlich, dass weniger als 3 % der in der EU genutzten Solaranlagen aus Europa stammen – auch bei Elektrofahrzeugen, Windkraftanlagen oder Computerchips zu wiederholen. Die Europäische Kommission mache daher Gebrauch von allen verfügbaren Instrumenten. Dennoch müsse über den Einzelfall hinaus auch ein systematischer Ansatz entwickelt werden.
Die erste Ex officio-Untersuchung der Europäischen Kommission
Besonders am nun eingeleiteten Verfahren ist, dass es sich hierbei um die erste Ex officio-Untersuchung der Europäischen Kommission nach der seit Juli 2023 geltenden FSR handelt. Im Rahmen einer solchen Ex officio-Untersuchung wird die Europäische Kommission aus eigener Initiative aufgrund von Hinweisen aus dem Markt oder sonstiger Informationen tätig und untersucht dann nach eigenem Ermessen, ob wettbewerbsverzerrende Subventionen aus Drittstaaten an Unternehmen in einem bestimmten Bereich gewährt wurden. Bereits im Herbst hatte die Europäische Kommission in ihrem European Wind Power Action Plan (Mitteilung der Europäischen Kommission zum Stand der Windkraftindustrie) ihren Willen bekundet, möglicherweise gegen drittstaatliche Subventionen im Windenergie-Sektor nach der FSR vorzugehen. Diese Ankündigung setzt sie nun mit der ersten Ex officio-Untersuchung in die Tat um. Es bleibt insofern mit Spannung abzuwarten, welche konkreten Ergebnisse die Untersuchung mit sich bringen wird.
Zum Hintergrund: die FSR sieht drei verschiedene Instrumente zur Prüfung möglicher wettbewerbsverzerrender Subventionen durch die Europäische Kommission vor (ausführlich dargestellt in unserem Beitrag vom 17. Januar 2024). Das ist zum einen (1) das „M&A-Transaktionsinstrument“, aufgrund dessen bestimmte M&A-Transaktionen bei der Europäischen Kommission angemeldet werden müssen. Hinzu kommt (2) das „Vergaberechtsinstrument“, nach dem eine Meldung bestimmter Gebote bei öffentlichen Vergabeverfahren notwendig ist. Und zuletzt (3) erlaubt es die FSR der Europäischen Kommission auch, Ex officio-Untersuchungen einzuleiten – unabhängig davon, ob bestimmte Schwellenwerte erfüllt sind und eine Meldepflicht besteht.
Bereits mehrere eingehende Prüfungen nach dem Vergaberechtsinstrument der FSR gegen chinesische Unternehmen
Die Ankündigung von Vestager reiht sich ein in eine Reihe von jüngst eingeleiteten eingehenden Prüfungen der Europäischen Kommission (in-depth investigation; teilweise auch als „Phase 2-Untersuchung“ bezeichnet) nach dem Vergaberechtsinstrument der FSR. Diese eingehenden Prüfungen wurden allesamt nach Meldungen chinesischer Unternehmen zu ihrer Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren eingeleitet:
- Die erste eingehende Prüfung nach der FSR wurde im Februar nach dem Vergaberechtsinstrument gegen das Unternehmen CRRC Qingdao Sifang Locomotive („CRRC“), eine Tochtergesellschaft des chinesischen Staatsunternehmens CRRC Corporation Limited eingeleitet, das an einem öffentlichen Vergabeverfahren in Bulgarien teilgenommen hatte (siehe hierzu auch unseren Beitrag vom 19. Februar 2024). Seit dem 26. März 2024 ist bekannt, dass sich CRRC nach Einleitung der eingehenden Prüfung aus dem Vergabeverfahren zurückgezogen hat, woraufhin die Europäische Kommission ihre Prüfung eingestellt hat.
- Erst vergangene Woche, am 3. April 2024, gab die Europäische Kommission zudem bekannt, ebenfalls nach dem Vergaberechtsinstrument eingehende Untersuchungen gegen zwei Bieterkonsortien mit chinesischer Beteiligung eingeleitet zu haben. Die erste Untersuchung richtet sich gegen ein Konsortium bestehend aus LONGi Solar Technologie GmbH (einer Tochter der an der Börse in Hong Kong gelisteten LONGi Green Energy Technology Co., Ltd.) sowie der rumänischen ENEVO Group. Die zweite Untersuchung richtet sich gegen ein Konsortium bestehend aus Shanghai Electric UK Co. Ltd. sowie Shanghai Electric Hong Kong International Engineering Co. Ltd. (beide Tochterunternehmen des chinesischen Staatsunternehmens Shanghai Electric Group Co. Ltd.). Hintergrund ist hier die Abgabe von Meldungen der jeweiligen Bieterkonsortien in einem rumänischen Vergabeverfahren für den Entwurf, Bau und Betrieb eines Photovoltaik-Parks, an dem beide Konsortien teilgenommen hatten.
Ausblick
Die Europäische Kommission macht schon nach kurzer Zeit rege von ihren Instrumenten nach der FSR Gebrauch. Nicht zuletzt angesichts der Äußerung von Margrethe Vestager ist klar, dass die Untersuchungen der Europäischen Kommission dabei in einem direkten politischen Kontext zu sehen sind und weitere Ex officio-Untersuchungen nicht unwahrscheinlich sind. Nicht überraschend ist dabei, dass zunächst chinesische Unternehmen im Fokus der Europäischen Kommission stehen. Von Anfang des Gesetzgebungsverfahrens an wurden Wettbewerbsverzerrungen aufgrund von Subventionen u. a. aus China als einer der Hauptgründe für die Notwendigkeit der FSR genannt. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Europäische Kommission ihre Befugnisse nach der FSR auch bei möglicherweise wettbewerbsverzerrenden Subventionen anderer Drittstaaten aktiv nutzen wird.
Die Entwicklungen im Zusammenhang mit der noch jungen FSR gilt es auch von Seiten der Unternehmen genau im Blick zu behalten, da insbesondere Hinweise und Beschwerden aus dem Markt Anlass für Ex officio-Untersuchungen sein können. Durch die Einleitung der ersten Ex officio-Untersuchung wird deutlich, dass die Europäische Kommission neben den mittlerweile verfügbaren personellen Kapazitäten (siehe hierzu auch unseren Beitrag vom 13. Februar 2024) auch über den Willen verfügt, auf Beschwerden aus dem Markt zu reagieren. Unternehmen können daher zukünftig versuchen, durch Beschwerden bei der Europäischen Kommission auf Wettbewerbsverzerrungen in ihrem Bereich aufgrund von Subventionen aus Drittstaaten aufmerksam zu machen. Gut vorbereitet kann eine solche Beschwerde durchaus Aussicht darauf haben, eine Ex officio-Untersuchung der Europäischen Kommission zu initiieren – das jedenfalls lassen die jüngsten Entwicklungen erwarten.
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