EnWG-Novelle: Entwurf zum Energy Sharing
Die energierechtlichen Vorschriften unterliegen dem steten Wandel. Nachdem im ersten Halbjahr 2024 bereits das Solarpaket I auf den Weg gebracht wurde (wir berichteten), hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen nächsten Referentenentwurf mit weiteren Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und im Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgestellt. Mit der geplanten Novellierung des EnWG und EEG strebt das BMWK eine stärkere Beteiligung von Endverbrauchern im Strommarkt an und möchte in diesem Zug ein Energy Sharing zur gemeinsamen Nutzung von Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) im EnWG verankern.
Netzbetreiber und Energielieferanten müssen sich vor diesem Hintergrund auf neue Pflichten im Bereich Marktkommunikation und Abrechnung einstellen.
In diesem Beitrag beleuchten wir die Vorteile des Energy Sharings sowie damit verbundenen Chancen und Pflichten für Reststromlieferanten und Netzbetreiber. Mit den Voraussetzungen für die Teilnahme am Energy Sharing und den Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung beschäftigen wir uns in einem folgenden Beitrag.
Weitere geplante Neuerungen des Referentenentwurfs vom 28. August 2024 sind unter anderem Änderungen im EEG etwa zur Beschleunigung von Netzanschlüssen und zum Bürokratie-Abbau bei Photovoltaik-Anlagen, sowie ein aktualisierter Bedarfsplan für den Ausbau des Höchstspannungsnetzes.
A. Energy Sharing Modelle in § 42c EnWG-E
Nach vielfältigen Forderungen legt das BMWK nun einen Vorschlag für ein explizites Energy Sharing Modell vor. Dieser Vorschlag findet sich in Gestalt der Neuregelung über die „Gemeinsame Nutzung elektrischer Energie“ aus EE-Anlagen in § 42c EnWG in der Fassung des Referentenentwurfs (EnWG-E). Mit ihr soll Art. 15a der novellierten Strombinnenmarktrichtlinie (Richtlinie (EU) 2024/1711) ausdrücklich umgesetzt werden. Damit werden zugleich die Vorgaben zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nach § 42b EnWG aus dem Solarpaket I ergänzt (wir berichteten).
I. Vorteile für teilnehmende Anlagenbetreiber und Letztverbraucher
Energy Sharing soll es Letztverbrauchern ermöglichen, den Strom aus regionalen EE-Anlagen gemeinsam zu nutzen, auch wenn dafür (anders als bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nach § 42b EnWG) das Netz der allgemeinen Versorgung beansprucht wird. Damit soll – neben der finanziellen Beteiligung von Bürgern und Kommunen, soweit landesrechtliche Beteiligungsgesetze im Sinne von §§ 6, 22b EEG vorliegen – die Akzeptanz für den Ausbau entsprechender Anlagen gesteigert werden.
Vorteil des Energy Sharings ist nach § 42c Abs. 5 EnWG-E für die Betreiber der gemeinsam genutzten EE-Anlagen, dass diese keine Vollversorgung der übrigen mitnutzenden Letztverbraucher anbieten müssen. Ausdrücklich sieht § 42c Abs. 5 EnWG-E vor, dass das Recht des Letztverbrauchers, sich für einen Lieferanten seiner Wahl für den ergänzenden Strombezug zu entscheiden, nicht beschränkt werden darf.
Dies entspricht dem bereits heute geltenden Modell der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung. In bestimmten Sharing-Modellen wird außerdem interessant, dass die Lieferantenpflichten aus §§ 5 und 40 bis 42 EnWG nicht anzuwenden sind (§ 42c Abs. 7 EnWG-E); dies gilt jedoch nur bei der (Mit-)Versorgung von Haushaltskunden und unterhalb festgelegter Anlagenschwellenwerte:
- Sind ausschließlich Haushaltskunden mitnutzende Letztverbraucher, darf die Anlagenleistung 30 Kilowatt nicht übersteigen.
- Bei mehreren Haushaltskunden innerhalb desselben Gebäudes der Anlage darf die Anlagenleistung nicht mehr als 100 Kilowatt betragen.
Wirklich entscheidend dürfte für Teilnehmer aber sein, dass sie über eine neue gemeinsame Internetplattform künftig direkt an der Marktkommunikation teilnehmen können, um Energy-Sharing-Vereinbarungen, Messkonzepte und Verrechnungskonzepte für die weitere Abwicklung zu registrieren (§ 20b EnWG-E), so dass sich operativ Synergien und eine Verringerung von Verwaltungsaufwand ergeben können.
Im Übrigen sind aber insbesondere bei Netzentgelten und Umlagen keine Erleichterungen vorgesehen. Vor dem Hintergrund, dass das allgemeine Verteilnetz genutzt wird und für Netzbetreiber zusätzlicher Verwaltungsaufwand anfällt, erscheinen die fehlenden Erleichterungen zunächst nicht unangemessen. Denn der Kurzbericht des Umweltbundesamtes zum Energy Sharing (November 2023) resümiert, dass aus bisherigen Studien allenfalls eine „geringfügige Auswirkung auf den Infrastrukturbedarf im Verteilnetz“ abgeleitet werden kann. Auch die teilweise geforderte Energy-Sharing-Prämie fehlt im Referentenentwurf. Wenngleich das neue Modell also durchaus relevante praktische Erleichterungen mit sich bringt, gibt es keine darüber hinausgehenden finanziellen Anreize, so dass abzuwarten bleibt, wie stark Letztverbraucher das Modell annehmen und umsetzen.
II. Chancen und Pflichten für Reststromlieferanten und Netzbetreiber
Damit sich teilnehmende Anlagenbetreiber nicht zwingend um die Abrechnung von Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelten kümmern müssen, können Letztverbraucher dies auf die Stromversorger abwälzen, die ihren verbleibenden Strombedarf decken (§ 42c Abs. 6 EnWG-E). Wie die Begründung des Referentenentwurfs selbst anmerkt, stellt dies eine zusätzliche Dienstleistung des Lieferanten dar, die dieser auf Verlangen des Verbrauchers erbringen und dafür Ressourcen einrichten muss, diese aber auch in seinen Strompreis (für den Reststrombezug) einpreisen darf. Ob durch die Möglichkeit eines solchen Dienstleistungsmodells das Geschäftsmodell eines Reststromversorgers – wie bereits derzeit im Fall von Residuallastlieferungen bei der teilweisen Stromeigenversorgung – weiterhin attraktiv ist, bleibt abzuwarten. Dies hängt möglicherweise auch davon ab, ob in einem Energy-Sharing verbundene Letztverbraucher auch gemeinschaftlich einen gemeinsamen Restromlieferanten und Dienstleister wählen mit entsprechenden Synergieeffekten auf Seiten des Versorgers oder ob sich die Teilnehmer für mehrere unterschiedliche Restromlieferanten und Dienstleister entscheiden.
Der direktere Weg zur Ein- und Ausspeisung von erneuerbarem Strom, nämlich ohne Zwischenschaltung eines Direktvermarkters oder Energielieferanten, birgt außerdem neue Herausforderungen für Netzbetreiber im Bereich der Marktkommunikation, insbesondere bei der korrekten Bilanzierung der gemeinsam genutzten Strommengen. Die einheitliche Internetplattform, die als Lösung vorgesehen ist, soll von den Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen bis 1. Juli 2025 errichtet und betrieben werden (§ 20b EnWG-E).
Die nähere Ausgestaltung der Portalgestaltung, auf die die Netzbetreiber praktisch angewiesen sind, soll durch die Bundesnetzagentur festgelegt werden (§ 20b Abs. 3 EnWG-E). Produktiv genutzt werden soll die Plattform ab Juli 2026.
B. Ausblick
Mit dem Entwurf wird für bestimmte Sharing-Modelle eine niedrige Einstiegshürde zur Marktteilnahme geschaffen, bei der sich Bilanzierungsaufwand und Teile des Abrechnungsaufwands auf Netzbetreiber bzw. Reststromlieferanten abwälzen lassen, sofern diese Reststromlieferprodukte anbieten. Dies bietet zwar eine Chance für Reststromlieferanten und Energy-Sharing-Dienstleister, allerdings bezweifelt das BMWK selbst, dass sich das Energy Sharing unter diesen Rahmenbedingungen zum Massengeschäft entwickeln wird. Mangels Erleichterungen bei Netzentgelten oder einer direkten Energy-Sharing-Prämie dürfte die finanzielle Attraktivität des Energy Sharings nach dem derzeitigen Stand schlicht zu gering sein. Das BMWK führt hierzu aus:
„Die Regelung versucht, die gemeinsame Nutzung einerseits so „einfach“ wie möglich zu gestalten, aber andererseits auch die Interessen der anderen Akteure, insbesondere der Elektrizitätsverteilernetzbetreiber und der Lieferanten zu berücksichtigen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die gemeinsame Nutzung von Strom aus EE-Anlagen kurz- oder mittelfristig zu einem Massengeschäft wird.“
Netzbetreiber müssen sich dennoch, jedenfalls nach der notwendigen Konkretisierung durch die Bundesnetzagentur, auf weiteren Umsetzungsaufwand bei der Schaffung der gemeinsamen Internetplattform einstellen.
Der Zeitplan für die weitere Umsetzung des Referentenentwurfs ist noch unklar; angesichts der Umsetzungsfrist der EU-Strombinnenmarktrichtlinie bis spätestens zum 17. Juli 2026 – für andere Teile der Richtlinie bereits zum 17. Januar 2025 – wird ein Energy Sharing aber sicherer Bestandteil des EnWG werden.
Gern stehen wir Ihnen für Fragen bezüglich der sich aus dem Energy Sharing ergebenden Möglichkeiten zur Verfügung.
Weiterführende Informationen zu unserer ganzheitlichen Beratung zu Nachhaltigkeit und ESG finden Sie in unserer Praxisgruppe Energie & Infrastruktur.