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BGH: Entschärfung der Vorsatz­anfechtung und der Anfechtung wegen gesellschafter­ähnlicher Stellung

31.05.2024

Insolvenzanfechtung: Einfaches Bestreiten der Zahlungsunfähigkeit durch gesellschaftsfremden Gläubiger ausreichend und Verlust der gesellschafterähnlichen Stellung nach Darlehensausreichung

In einer jüngst von Noerr erstrittenen Entscheidung (Urt. v. 18.04.2024 – IX ZR 129/22) konkretisierte der BGH die Anforderungen zweier sehr praxisrelevanter Tatbestände der Insolvenzanfechtung – Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) und wegen Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO). Gegenstand des Rechtsstreits war die Klage eines Insolvenzverwalters gegen ein Kreditinstitut auf Rückgewähr von Zahlungen auf mehrere Immobiliardarlehen.

1. Anforderungen an Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes

Auf die streitgegenständlichen Zahlungen war § 133 InsO in der vor dem 05.04.2017 geltenden Fassung anwendbar, wobei der streitentscheidende Absatz 1 durch die Reform von 2017 unverändert blieb (zu den wesentlichen Reformänderungen vgl. unseren Newsbeitrag v. 18.04.2017). Die hier besprochene Entscheidung hat also auch für die aktuelle Rechtslage Gültigkeit. Sie betrifft die zentrale Voraussetzung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, der von dem Insolvenzverwalter darzulegen und zu beweisen ist – regelmäßig durch Vortrag von Indizien, aus denen sich ein solcher Vorsatz ableiten lässt.

a) Einfaches Bestreiten einer vom Insolvenzverwalter vorgetragenen Liquiditätsbilanz genügt

Der ständigen Rechtsprechung folgend hatte der klagende Insolvenzverwalter versucht, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin aus einer angeblich vorliegenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin herzuleiten. Der BGH lehnte dies ab. Ist der Anfechtungsgegner ein außenstehender Dritter, genüge das einfache Bestreiten einer vom Insolvenzverwalter vorgetragenen Liquiditätsbilanz. Daher habe das Berufungsgericht das Bestreiten mit Nichtwissen durch die Beklagte berücksichtigen und weitere Feststellung zur Zahlungsunfähigkeit treffen müssen.

Laut BGH kann ein einfaches Bestreiten des Anfechtungsgegners genügen, wenn es an einer näheren Darlegung von Einzelheiten zur Liquidität durch den Insolvenzverwalter fehle. Das Bestreiten des Vorliegens der Zahlungsunfähigkeit, der Richtigkeit des vorgelegten Liquiditätsstatus sowie der Höhe und der Fälligkeit der angeblichen Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin mit Nichtwissen sei ausreichend, da der Insolvenzverwalter seinen Vortrag nicht näher belegt hatte. Insoweit nimmt der BGH eine Abgrenzung zu den Fällen einer Inanspruchnahme der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin vor. Bei diesen bleibe es bei der bisherigen Rechtsprechung, wonach ein einfaches Bestreiten der Zahlungsunfähigkeit durch den Geschäftsführer nicht ausreichend sei.

b) Zahlungsunfähigkeit genügt allein nicht für Rückschluss auf Gläubiger­­benachteiligungsvorsatz

Darüber hinaus spezifizierte der BGH (und bestätigte insoweit vorangegangene Entscheidungen), dass allein aus der objektiven Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin nicht auf deren Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden dürfe. Ist die Insolvenzschuldnerin erkanntermaßen zahlungsunfähig, komme es vielmehr darauf an, ob sie wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, ihre anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können.

2. Zwischenzeitliche Änderungsvereinbarungen bei Feststellung einer gesellschaftergleichen Position zu berücksichtigen

Der Insolvenzverwalter hatte den vermeintlichen Anfechtungsanspruch außerdem auf § 135 Abs. 1 InsO gestützt: Die von der Beklagten gewährten Darlehen seien auf Grund der Regelungen in den Darlehensverträgen als einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechend anzusehen. Der BGH bestätigte insoweit die Klageabweisung durch die Vorinstanzen. Er erklärte, dass bei der Feststellung, ob ein Dritter, der einer Gesellschaft ein Darlehen gewährt, einem Gesellschafter gleich gestellt wird im Sinne des § 135 Abs. 1 InsO nicht nur die Umstände und Bedingungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags zu berücksichtigen seien, sondern auch zwischenzeitliche Änderungen. Ohne zu klären, ob eine rechtlich und wirtschaftlich gesellschaftergleiche Einflussnahme des Kreditinstituts zum Zeitpunkt der ursprünglichen Verträge im Jahre 2003 bestanden hat, erkannte der BGH, dass eine solche jedenfalls durch die Änderungen der Darlehensverträge im Jahr 2006 (Aufhebung der Verkaufserlösbeteiligung und des Zustimmungsvorbehalts) beseitigt worden wäre.

3. Fazit

Mit seiner Entscheidung zu den Anforderungen an das ausreichende Bestreiten der Zahlungsunfähigkeit folgt der BGH den allgemeinen zivilprozessualen Regeln, wie sie auch außerhalb des Anfechtungsrechts gelten. Die Entscheidung enthält insoweit eine begrüßenswerte Klarstellung. Denn die Anforderungen an das Bestreiten durch den Anfechtungsgegner wurden in der Instanzenrechtsprechung häufig zu hoch angesetzt. In der Folge werden Insolvenzverwalter künftig umfassender zur Zahlungsunfähigkeit vortragen müssen (um ein Bestreiten mit Nichtwissen zu überwinden) oder die Gerichte werden häufiger Beweisaufnahmen durchführen müssen. Damit reiht sich die Entscheidung in die jüngere Rechtsprechung des BGH ein, mit der er die Anforderungen an eine Vorsatzanfechtung zusätzlich zur Gesetzreform von 2017 (§ 133 Abs. 2 und 3 InsO n.F.) verschärft hat.

Für die Anfechtung nach § 135 InsO (s. hierzu auch unseren Newsbeitrag v. 01.02.2022) folgt aus der Entscheidung, dass die Einordnung einer Forderung als einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechend durch eine Änderungsvereinbarung verloren gehen kann. Der Gläubiger kann sich also unter Umständen durch die Aufgabe bestimmter Kontroll- und Eingriffsrechte gegenüber der Insolvenzschuldnerin der gesellschaftergleichen Stellung entledigen und damit eine Anfechtbarkeit und Nachrangigkeit seiner Forderung verhindern. Zur Reduzierung künftiger Anfechtungsrisiken lohnt es sich also aus Gläubigersicht, auch im Nachgang der Darlehensgewährung die zugrunde liegenden Verträge zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen.