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Ähnlich und doch anders - Die Beweiserhebung vor dem UPC

17.05.2023

Am 01.06.2023 nimmt das UPC endlich seine Arbeit auf. Die Verfahrensgestaltung vor dem UPC, welche die Parteien nun in der Praxis erleben werden, weist weitgehende Ähnlichkeiten, aber auch einige deutliche Unterschiede zum deutschen Verfahrensrecht auf. Wie wir im Folgenden darlegen, gilt dies insbesondere auch für das Beweisverfahren.

Das Beweisverfahren vor dem UPC richtet sich allein nach der Verfahrensordnung, Art. 53 Abs. 2 EPGÜ, Regeln 170 ff. RoP. Wie auch in der deutschen Patentgerichtsbarkeit lässt sich das Beweisverfahren dabei in den Beweisantrag (das Beweisangebot durch die Parteien), die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung untergliedern.

I. Beweisantrag

Der Beweisantritt erfolgt durch ein Beweisangebot: Die Partei, die eine Tatsachenbehauptung aufstellt, die von der anderen Partei bestritten oder wahrscheinlich bestritten wird, hat Beweis für diese Tatsache anzubieten, Regel 171 Abs. 1 RoP.

Anders als im deutschen System muss ein Beweisantritt dabei nicht erst mit Bestreiten der Tatsache durch den Gegner erfolgen, sondern schon im Zeitpunkt des Tatsachenvortrags. Grundsätzlich bedarf damit jeder neue schriftsätzliche Tatsachenvortrag eines zeitgleichen Beweisangebots, um einem Verspätungseinwand der Gegenseite vorzubeugen.

Art und Anzahl der Beweismittel vor dem UPC sind nicht abschließend vorgegeben, vgl. Art. 53 EPGÜ und Regel 170 RoP. Ausdrücklich zulässig sind nach Art. 53 Abs. 1 EPGÜ insbesondere die Beweismittel

  • Anhörung der Parteien,
  • Einholung von Auskünften,
  • Vorlage von Urkunden,
  • Vernehmung von Zeugen,
  • Gutachten durch Sachverständige,
  • Einnahme des Augenscheins,
  • Vergleichstests oder Versuche sowie
  • Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung (Affidavit).

II. Beweisaufnahme

Die auf den Beweisantritt folgende Beweisaufnahme bestimmt sich nach dem jeweiligen Beweismittel, Regeln 175 bis 201 RoP. Besonders interessant sind dabei die Regelungen des Zeugen- und Sachverständigenbeweises.

1. Zeugenbeweis

Die Partei, die einen Zeugenbeweis anbieten möchte, muss eine schriftliche Zeugenaussage oder eine schriftliche Zusammenfassung der Aussage, die getätigt werden soll, einreichen, Regel 175 Abs. 1 RoP.

Ob diese schriftliche Zusammenfassung ein Beweismittel eigener Art darstellt oder auch Voraussetzung für die anschließende Vernehmung des Zeugen ist, ist noch offen. Regeln 176, 177 RoP, welche die Zeugeneinvernahme regeln, lassen sich auch unabhängig von Regel 175 Abs. 1 RoP lesen und verlangen für die persönliche Vernehmung des Zeugen gerade keine vorherige schriftliche Zusammenfassung des Beweisinhalts. Bis das Verhältnis der Regeln 175 und 176, 177 zueinander durch den UPC geklärt wurde, ist jedenfalls die Abgabe einer schriftlichen Zusammenfassung der Aussage des Zeugen bei Erhebung des Zeugenbeweises zu empfehlen.

Die Vernehmung des Zeugen erfolgt nach der Feststellung seiner Identität und nach der Erklärung des Zeugen, wahrheitsgemäß auszusagen, Regel 178 Abs. 1 RoP. Sofern der Zeuge zuvor eine schriftliche Zeugenaussage abgegeben hat, beginnt die Vernehmung mit der Bestätigung der darin getätigten Aussagen, Regel 178 Abs. 3 RoP. Bei der Vernehmung können nicht nur der Vorsitzende Richter und die Richter des Spruchkörpers, sondern auch die Parteien (unter der Leitung des Vorsitzenden Richters) dem Zeugen Fragen stellen, Regel 178 Abs. 4 und 5 der RoP.

2. Sachverständigenbeweis

Die Regelungen des EPGP unterscheiden danach, ob der Sachverständige von einer Partei benannt (Regel 181 RoP) oder gerichtlich bestellt wurde (Regel 185 ff. RoP).

Die Parteien können nach eigenem Ermessen Sachverständigenbeweis anbieten, Regel 181 Abs. 1 S. 1 RoP („any expert evidence that it considers necessary“). Für das Verfahren gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis – die bereits erörterten Regeln 175 ff. RoP – entsprechend, Regel 181 Abs. 1 S. 2 RoP.

Die Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen erfolgt, wenn das Gericht eine konkrete technische Frage oder eine sonstige streitbezogene Frage klären muss, Art. 57 EPGÜ, Regel 185 Nr. 1 RoP. Zu diesem Zweck wird von dem Gericht ein nicht verbindliches Verzeichnis von Sachverständigen geführt, Art. 57 Abs. 2 EPGÜ. Es steht den Parteien frei, einen Sachverständigen vorzuschlagen, Regel 185 Abs. 2 RoP. Sie sind zudem vor Bestellung des Sachverständigen anzuhören, Regel 185 Abs. 1 RoP.

Materiell sind die Unterschiede zwischen den Sachverständigen der Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen gering. Auch der von den Parteien bestellte Sachverständige hat die Pflicht, das Gericht in Bezug auf Fragen, die in sein Fachgebiet fallen, unparteilich zu unterstützen. Diese Pflicht hat Vorrang gegenüber seinen Pflichten gegenüber der Partei, die ihn beauftragt hat, Regel 181 Abs. 2 lit. a RoP.

Auch der Beweiswert der Aussagen von gerichtlich bestellten und (lediglich) von den Parteien benannten Sachverständigen ist vor dem UPC grundsätzlich gleich. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem Verfahren vor deutschen Gerichten: Dort sind nur vom Gericht bestellte Sachverständige als Beweismittel zulässig, während der parteibestellte Sachverständige lediglich substantiierten Parteivortrag abgibt.

III. Beweiswürdigung

Auch vor dem UPC gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, Art. 76 Abs. 3 EPGÜ. Anders als nach deutschem Verfahrensrecht besteht vor dem UPC auch eine grundsätzliche Pflicht zur Vorlage der Beweismittel, Regel 172 Abs. 2 RoP. Legt die Partei das Beweismittel nicht vor, kann das Gericht die Beweisfrage zu Lasten dieser Partei entscheiden, Regel 172 Abs. 2 S. 2 RoP.

Den Beweiswert verschiedener Beweismittel kann das UPC frei bemessen. Frei- und Strengbeweis werden ebenfalls nicht unterschieden, vgl. Art. 53 EPGÜ, Regel 170 Abs. 1 RoP. Auch eine Abstufung z.B. nach Art des Beweismittels ist in den Gesetzesmaterialien nicht vorgesehen, vgl. etwa Regeln 104 lit. e, Regel 112 Abs. 2 RoP. Führen zwei Beweismittel zu widersprüchlichen Ergebnissen, kann das UPC in der Beweiswürdigung damit nach eigenem Ermessen dem einen oder anderen Beweismittel den Vorzug geben.

Das UPC kennt auch keine Beweismittel, die – wie etwa eidesstattliche Versicherung oder Parteieinvernahme im deutschen Zivilprozess – nur in bestimmten Prozesskonstellationen zulässig sind. Dies ist sachgemäß. Gerade die uneingeschränkte Zulassung des Beweismittels der eidesstattlichen Erklärung ist geeignet, den Prozess zu vereinfachen und zu beschleunigen, insbesondere etwa dann, wenn die zu ladende Person an der Teilnahme an einem Termin zur mündlichen Verhandlung gehindert ist. Werden Inhalte der schriftliche Erklärung von der Gegenseite bestritten, kann das Gericht nach Regel 177 Abs. 1 RoP immer noch die persönliche Vernehmung des Zeugen/Sachverständigen anordnen.