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Wirtschaftlich Berechtigter & Transparenz­register: Die neue EU-Geldwäsche­verordnung

30.07.2024

Die Europäische Kommission hatte im Juli 2021 ein Bündel von Gesetzgebungsvorschlägen zur Bekämpfung von Geldwäsche vorgestellt. Diese kündigten bereits eine erhebliche Erweiterung der Transparenzpflichten in Zusammenhang mit KYC-Prozessen und nationalen Transparenzregistern an (siehe hierzu unser Beitrag vom 26.07.2021). Zwischenzeitlich wurde eine Einigung hinsichtlich eines EU-Geldwäschepakets erzielt. Das neue EU-Geldwäschepaket umfasst eine Reihe von Maßnahmen des EU-Gesetzgebers zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in allen EU-Mitgliedstaaten. Kern des Pakets ist die Verordnung zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung („GwVO“). Diese soll Mitte 2027 in Kraft treten und wird sodann unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten sein. Während die aktuelle Rechtslage zum Geldwäscherecht auf Richtlinien beruht (insb. 4. und 5. Geldwäscherichtlinie), die jeweils in nationales Recht überführt werden mussten, wird es aufgrund der GwVO keinen nationalen Umsetzungsspielraum mehr geben (z. B. bezüglich der Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten in mittelbaren Beteiligungsstrukturen).

Die GwVO bringt zahlreiche Änderungen mit sich. Dies betrifft vor allem die Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten – die deutsche Sprachfassung der GwVO verwendet den bisher aus Österreich bekannten Terminus „wirtschaftlicher Eigentümer“, wohingegen die englische Sprachfassung weiterhin von „beneficial owner“ spricht. Wir verbleiben im Folgenden bei der angestammten deutschen Begrifflichkeit des wirtschaftlich Berechtigten und haben im Folgenden die nach erster Auswertung der GwVO gewichtigsten Änderungen im Zusammenhang mit der Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten zusammengefasst. Unsere Ausführungen sollen dabei weniger als abschließende Darstellung, sondern vielmehr als „Teaser“ für die bevorstehenden Änderungen aufgrund der GwVO verstanden werden. Dies, zumal zur Auslegung der GwVO in wesentlichen Punkten noch Unklarheiten bestehen und überdies noch Auslegungshinweise zur GwVO angekündigt sind.

Ausweitung der Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten

Art. 62 GwVO erweitert die Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten, die im Rahmen von KYC-Prozessen bereitgestellt und dem nationalen Transparenzregister (hierfür wird künftig nach der GwVO wohl der Begriff „Zentralregister“ verwendet werden) mitgeteilt werden müssen. Demnach sind nach Inkrafttreten der GwVO die folgenden Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten anzugeben, wobei die Hervorhebungen die wesentlichen Änderungen im Vergleich zur aktuellen Rechtslage illustrieren.

  • Angaben zur Person: Alle Vor- und Nachnamen, Geburtsort, Geburtsdatum, Wohnanschrift, Wohnsitzland, Staatsangehörigkeit(en), Nummer eines Ausweisdokuments und sofern vorhanden Persönliche Identifikationsnummer
  • Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses und Datum ab dem das wirtschaftliche Interesse besteht
  • Angaben zu der transparenzpflichtigen Rechtseinheit: Rechtsform, Firma, Anschrift, Namen der gesetzlichen Vertreter, Registernummer, Steueridentifikationsnummer und Rechtsträgerkennung
  • Strukturangaben: Beschreibung der Eigentümer- und Kontrollstruktur

Absenkung des Schwellenwertes

Der maßgebliche Schwellenwert für die Qualifikation als wirtschaftlich Berechtigter sowohl in direkten als auch indirekten Beteiligungsstrukturen in Folge einer Eigentumsbeteiligung liegt gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 1 GwVO bei mindestens 25 % – nach der geltenden deutschen Rechtslage müssen es mehr als 25 % sein – der Anteile, Stimmrechte oder sonstiger Eigentumsbeteiligungen an der transparenzpflichtigen Gesellschaft.

Mittelbare wirtschaftliche Berechtigung mittels „Durchrechnen“

Die Methodik zur Bestimmung des Umfangs der wirtschaftlichen Berechtigung durch Eigentumsbeteiligung soll künftig in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein. Bisher wurden die Bestimmungen der Geldwäscherichtlinien von den Mitgliedstaaten unterschiedlich interpretiert und in nationales Recht umgesetzt. Nach der bislang in Deutschland vorherrschenden Praxis zur Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten in mittelbaren Beteiligungsstrukturen ist es erforderlich, dass beherrschender Einfluss oder Kontrolle im Sinne des GwG – dies setzt im Regelfall eine Beteiligung an den Kapitalanteilen oder Stimmrechten im Umfang von mehr als 50 % voraus – auf alle Gesellschaften ausgeübt werden kann, über die der wirtschaftlich Berechtigte an der transparenzpflichtigen Gesellschaft beteiligt ist („Zwischengesellschaften“). Die letzte Zwischengesellschaft, über die der wirtschaftlich Berechtigte an der transparenzpflichtigen Gesellschaft beteiligt ist, muss ihrerseits zudem mehr als 25 % der Anteile oder Stimmrechte an der transparenzpflichtigen Gesellschaft halten.

Art. 52 Abs. 1 S. 2 GwVO greift nunmehr einen bereits aus anderen Jurisdiktionen bekannten Ansatz auf, indem zur Bestimmung der Eigentumsbeteiligung in mittelbaren Beteiligungsstrukturen die Anteile, Stimmrechte oder sonstigen Eigentumsbeteiligungen an Zwischengesellschaften entlang der Beteiligungskette bis zur natürlichen Person durchmultipliziert werden. Hält eine natürliche Person Anteile, Stimmrechte oder sonstige Eigentumsbeteiligungen an mehreren Zwischengesellschaften nebeneinander, so werden die Multiplikationsergebnisse der verschiedenen Ketten miteinander addiert. Vereinfacht gesprochen, soll vertikal multipliziert und horizontal addiert werden. Dazu folgendes Beispiel (klicken Sie hier oder auf das Bild für eine größere Version):

Strukturskizze

In obenstehender Strukturskizze qualifiziert die natürliche Person als wirtschaftlich Berechtigter der transparenzpflichtigen A GmbH aufgrund seiner rechnerischen Beteiligung am Kapital der A GmbH in Höhe von 30 %. Über den Strang der B GmbH und C GmbH hält die natürliche Person durchmultipliziert 5 % der Anteile am Kapital der A GmbH (10 % x 100 % x 50 %). Über den Strang der X GmbH und Y GmbH hält die natürliche Person durchmultipliziert 25 % der Anteile am Kapital der A GmbH (50 % x 100 % x 50 %). Letztlich hält die natürliche Person somit 30 % des Kapitals an der A GmbH (5 % + 25 %). Daneben qualifiziert die natürliche Person ebenfalls als wirtschaftlich Berechtigter der X GmbH (aufgrund einer Beteiligung am Kapital in Höhe von 50 %) und der Y GmbH (ebenfalls aufgrund einer Beteiligung am Kapital in Höhe von 50 % - durchmultipliziert 50 % x 100 %).

Wirtschaftlich Berechtigter einer Stiftung

Gemäß Art. 57 Abs. 1 GwVO sind wirtschaftlich Berechtigte einer Stiftung kumulativ stets folgende Personen: (i) die Stifter, (ii) die Mitglieder des Leitungsorgans in seiner Leitungsfunktion, (iii) die Mitglieder des Leistungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion (wir interpretieren dies derzeit so, dass neben den Mitgliedern des Stiftungsvorstands auch die Mitglieder des Stiftungsrats pauschal als wirtschaftlich Berechtigte der Stiftung gelten), (iv) die Begünstigten und (v) jede andere natürliche Person, die die Stiftung direkt oder indirekt kontrolliert.

Dies verwässert nicht nur den Wunsch nach mehr Transparenz. Denn Individuen, die nach derzeitiger Praxis als alleinige wirtschaftlich Berechtigte anzugeben wären, können sich hinter einer Fülle zusätzlich anzugebender wirtschaftlich Berechtigter verstecken. Zudem aber vervielfältigt sich dadurch auch der administrative Aufwand für transparenzpflichtige Rechtseinheiten. Denn jede Änderung im Leitungs- und/oder Aufsichtsorgan einer Stiftung muss im nationalen Transparenzregister reflektiert werden.

„Kombinationslösung“ bei Gesellschaften, die durch Stiftungen gehalten werden

Gravierende Änderungen für die Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten einer transparenzpflichtigen Gesellschaft ergeben sich auch, wenn diese (mittelbar) von einer Stiftung gehalten wird.

Nach der bislang in Deutschland vorherrschenden Praxis ist wirtschaftlich Berechtigter einer transparenzpflichtigen Gesellschaft, die in hinreichendem Umfang (zu mehr als 25 % Kapital- oder Stimmrechtsanteile) von einer Stiftung gehalten wird, nur eine solche natürliche Person, die beherrschenden Einfluss bzw. Kontrolle auf die Stiftung ausüben kann. Dahingegen sieht Art. 55 GwVO nun eine „Kombinationslösung“ vor. Demnach gelten automatisch alle wirtschaftlich Berechtigten der Stiftung als wirtschaftlich Berechtigte der transparenzpflichtigen Gesellschaft, sofern die Stiftung eine maßgebliche Eigentumsbeteiligung (25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte) hält. Auch dieser Ansatz ist bereits aus anderen Jurisdiktionen bekannt und dürfte zwar zu einer Vereinfachung bei der Ermittlung des/der wirtschaftlich Berechtigten führen. Gleichwohl wird dadurch der Kreis der wirtschaftlich Berechtigten vervielfacht.

Ausblick

Die GwVO schafft unionsweit einen einheitlichen Rahmen für die Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten. Insbesondere für komplexere, mittelbare, und grenzüberschreitende Beteiligungsstrukturen dürften sich dadurch langfristig gewisse Erleichterungen ergeben. Dem ersten Anschein nach wird der Kreis der wirtschaftlich Berechtigten jedoch (deutlich) erweitert. Dies zeigt sich etwa an der Herabsetzung des Schwellenwerts auf 25 % sowie des anzugebenden Personenkreises im Zusammenhang mit Stiftungen.

Auf transparenzpflichtige Gesellschaften kommt daher für die Umsetzung der GwVO ein erheblicher Aufwand zu, denn sämtliche der bisherigen Ergebnisse zur Ermittlung der wirtschaftlich Berechtigten transparenzpflichtiger Rechtseinheiten auf Grundlage des GwG sollten nach Maßgabe der GwVO überprüft werden. Auch bestehen derzeit noch zahlreiche Unklarheiten, zu deren Klärung die Europäische Kommission bereits ergänzende Leitlinien angekündigt hat. Es steht zu hoffen, dass diese einem pragmatischen Ansatz folgen.

Wenn Sie Fragen zur GwVO oder zur Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten bzw. den Transparenzregister-Pflichten nach aktueller Rechtslage haben, sprechen Sie uns gerne an. Wir verfolgen kontinuierlich die Entwicklung im Bereich Geldwäscherecht und Transparenzregister.