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Werbe­treibende und Publisher: Wie hilft der Digital Markets Act (DMA)?

11.07.2024

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat im September 2023 Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft als Gatekeeper im Sinne des DMA benannt (siehe Beitrag auf Noerr News). Der DMA zielt darauf ab, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und die Bestreitbarkeit der Märkte im digitalen Sektor zu schützen, indem er Gatekeeper reguliert. Im Mai 2024 folgte die Benennung von Booking (dazu unser Beitrag auf Noerr News). Diese sieben Unternehmen betreiben insgesamt 24 sog. zentrale Plattformdienste (Core Platform Services – „CPS“), die als Schnittstelle zwischen einer Vielzahl von Endnutzern einerseits und gewerblichen Nutzern andererseits fungieren. In Bezug auf diese CPS müssen die Gatekeeper bestimmte im DMA normierte Ge- und Verbote einhalten.

Ein CPS sind Online-Werbedienste. Dieser Begriff ist recht weit und erfasst Werbevermittlungsdienste wie Werbenetzwerke und Werbebörsen. Mit Amazon Ads, Google Ads und Meta Ads wurden bereits drei Werbedienste als CPS benannt. Kern der Werbevermittlungsdienste ist die Vermittlung von Werbefläche von Publishern – dies sind Anbieter von Werbeflächen auf eigenen Websites oder Apps – an Werbetreibende – dies sind Unternehmen, die Werbung schalten, um ihre Produkte oder Dienstleistungen zu bewerben. Die Werbefläche wird entweder als Bündel (Werbenetzwerk) oder über auktionsbasierte Marktplätze (Werbebörsen) vermarktet.

Werbetreibende und Publisher können die Kommission und das Bundeskartellamt über etwaige Verstöße von Amazon, Google und Meta gegen die DMA-Vorschriften informieren und damit die behördliche Durchsetzung der DMA-Bestimmungen durch die Kommission fördern. Daneben besteht für Werbetreibende und Publisher auch die Möglichkeit des Private Enforcement, also der Durchsetzung der DMA-Verpflichtungen vor den nationalen Gerichten.

Welche Verpflichtungen entfalten besondere Relevanz für Werbetreibende und Publisher?

Der DMA enthält in Art. 5-7 DMA über zwanzig Verpflichtungen. Im Folgenden beleuchten wir die drei wichtigsten Bestimmungen, aus denen sich weitreichende und granulare Informationspflichten der Gatekeeper gegenüber Werbetreibenden und Publishern ergeben.

Auskunftsanspruch von Werbetreibenden – Art. 5 Abs. 9 DMA

Gatekeeper sind insbesondere verpflichtet, Werbetreibenden, für die sie Online-Werbedienste erbringen, auf Antrag täglich kostenlos Auskunft über die bei Publishern geschalteten Anzeigen zu gewähren.

Vom Auskunftsanspruch sind zunächst die Preise und Gebühren erfasst, die der Werbetreibende für jede geschaltete Anzeige für die jeweiligen Dienste des Gatekeepers bezahlt. Weiterhin muss der Gatekeeper auf Antrag Auskunft darüber geben, welche Vergütung er an die Publisher für die jeweilige Werbeanzeige zahlt. Die Mitteilung konkreter Zahlen hierzu steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Publisher. Bei Verweigerung dieser Zustimmung muss der Gatekeeper die durchschnittliche tägliche Vergütung für die jeweilige Werbeanzeige mitteilen. Die Vorschrift beschränkt sich nicht nur auf die Auskunft über die Preise, Gebühren und Vergütungen, sondern erstreckt sich auch auf die Kennzahlen, anhand derer diese berechnet werden.

Der DMA zielt damit darauf ab, die Transparenz bezüglich gezahlter Preise und Vergütungen zu erhöhen und bislang bestehende Informationsungleichgewichte aufzuweichen. Dadurch soll die Bestreitbarkeit der Märkte im Bereich der Online-Werbedienste gefördert werden; Folge der erhöhten Transparenz könnten beispielsweise mehr Direktgeschäft oder Wechsel zu alternativen Anbietern sein.

Diese Regelungen gehen auf Entwicklungen in der kartellrechtlichen Durchsetzung zurück: Die französische Wettbewerbsbehörde hatte bereits 2019 ein Bußgeld gegen Google Ads verhängt, da Google seine marktbeherrschende Stellung bei suchgebundener Online-Werbung durch intransparente Regeln missbraucht haben soll. Aktuell führt die Kommission ein kartellrechtliches Verfahren gegen Google und Meta bezüglich einer Kooperation im Online-Werbebereich. Schließlich hat die Kommission im Sommer 2023 in einem weiteren kartellrechtlichen Verfahren gegen Google den Vorwurf erhoben, dass Google seine eigenen Werbedienste zulasten konkurrierender Anbieter sowie zum Nachteil von Werbetreibenden und Publishern begünstigt. Die Besonderheit des zuletzt genannten Falls liegt darin, dass die Kommission nach vorläufiger Einschätzung nur strukturelle Abhilfemaßnahmen durch Teilveräußerungen von Googles Werbegeschäft als zielführende Maßnahme ansieht, um Rechtskonformität zu gewährleisten (vgl. Pressemitteilung Kommission).

Bedeutung für Werbetreibende: Werbetreibende haben gegen die Gatekeeper einen weitgehenden Auskunftsanspruch bezüglich der durch sie gezahlten Preise und der Vergütung der Publisher.

Auskunftsanspruch von Publishern – Art. 5 Abs. 10 DMA

Publisher haben einen zu Werbetreibenden spiegelbildlichen Auskunftsanspruch. In diesem Sinne müssen Gatekeeper den Publishern zunächst täglich kostenlos Auskunft über die Vergütungen und Gebühren für jede einzelne Werbeanzeige auf dem Werbeinventar des Publishers geben. Außerdem müssen Gatekeeper auf Anfrage konkrete Preise der Werbetreibenden – vorbehaltlich deren Zustimmung – mitteilen. Bei Verweigerung der Zustimmung sind nur die durchschnittlichen täglichen Preise für eine Werbeanzeige mitzuteilen. Auch der Auskunftsanspruch der Publisher umfasst nicht nur konkrete Preise, Gebühren und Vergütungen, sondern auch die jeweiligen Kennzahlen zu deren Berechnung.

Bedeutung für Publisher: Publisher haben gegen die Gatekeeper einen weitgehenden Auskunftsanspruch bezüglich der Vergütung und Gebühren für jede Werbeanzeige auf ihren Werbeflächen und die für die Werbeanzeigen durch die Werbetreibenden gezahlten Preise.

Zugangsanspruch zu Leistungsmesstools der Gatekeeper – Art. 6 Abs. 8 DMA

Im Zusammenspiel mit den Auskunftsansprüchen enthält der DMA für Werbetreibende und Publisher einen kostenlosen Zugangsanspruch zu den Überprüfungs- und Leistungsmesstools der Gatekeeper, um die Leistung der Werbedienste hinsichtlich der geschalteten Werbeanzeigen bzw. der zur Verfügung gestellten Werbeflächen überprüfen zu können. Relevante Leistungsdaten sind in diesem Zusammenhang insbesondere Klicks, Reichweite, Kosten per Klick und Umwandlungsrate einzelner Werbeanzeigen. Die Gatekeeper müssen die relevanten Daten außerdem in der Art zur Verfügung stellen, dass die Werbetreibenden und Publisher eine unabhängige Überprüfung mit ihren eigenen Tools durchführen können; dies ist im Einzelfall durch geeignete technische Maßnahmen, wie beispielsweise Programmierschnittstellen sicherzustellen.

Bedeutung für Werbetreibende und Publisher: Werbetreibende und Publisher haben einen kostenlosen Zugangsanspruch zu den Überprüfungs- und Leistungsmesstools der Gatekeeper bezüglich ihrer Werbeanzeigen bzw. Werbeflächen. So können Werbetreibende und Publisher bessere Rückschlüsse aus ihren Daten ziehen und den Mehrwert der Werbedienste der Gatekeeper bewerten.

Welche Mittel haben Werbetreibende und Publisher zur Durchsetzung ihrer Rechte?

Werbetreibende und Publisher können die Kommission und das Bundeskartellamt über etwaige Compliance-Verstöße der Gatekeeper informieren und somit die behördliche Durchsetzung der DMA-Bestimmungen durch die Kommission fördern. Den nationalen Behörden kommt lediglich eine unterstützende Funktion zu; allerdings können sie bei entsprechender Ermächtigung durch die Mitgliedstaaten auch Vorermittlungen durchführen und daher als erste Anlaufstelle für Beschwerden Dritter dienen.

Das European Competition Network („ECN“) – ein Forum zur Kooperation zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten – hat dazu im Juni 2024 eine Konferenz ausgerichtet, die darauf abzielte, gewerbliche Nutzer und Wettbewerber der Gatekeeper über die Möglichkeiten zu informieren, die ihnen der DMA bietet.

Die Kommission hat zudem ein Whistleblower Tool eingerichtet, mit dem anonym Anzeigen gegen Gatekeeper eingereicht werden können.

Neben der öffentlichen Durchsetzung des DMA durch die Kommission, besteht auch die Möglichkeit des Private Enforcement für Werbetreibende und Publisher (weitere Hintergrundinformationen dazu finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News). Bei Verstößen gegen DMA-Verpflichtungen durch Gatekeeper können betroffene Akteure demnach zivilrechtlich vor den nationalen Gerichten in der EU Unterlassungsklagen (inkl. einstweiligen Rechtsschutz) und ggf. Schadensersatzklagen anstrengen.

Nach der Feststellung eines Verstoßes gegen den DMA durch die Kommission werden auch sog. Follow-On-Klagen auf Schadensersatz gegen Gatekeeper möglich sein. Der deutsche Gesetzgeber hat die aus dem Kartellrecht bekannte Bindungswirkung von Kommissionsentscheidungen mit der 11. GWB-Novelle auf Kommissionsentscheidungen zum DMA erstreckt.

Wie geht es weiter?

Die Kommission hat aufgrund anderer DMA-Verpflichtungen zwischenzeitlich sechs Non-Compliance Verfahren gegen Alphabet, Apple und Meta eingeleitet, die sie innerhalb von 12 Monaten abschließen sollte (dazu unser Beitrag auf Noerr News).

Gegenüber Apple und Meta hat die Kommission dabei jüngst ihre Beschwerdepunkte dargelegt. Nach den vorläufigen Feststellungen der Kommission verstoßen die App Store-Vorschriften gegen den DMA, da sie App-Entwickler daran hindern, Verbraucher frei auf alternative Kanäle für Angebote und Inhalte zu lenken. Zudem hat die Kommission eine Untersuchung gegen Apple eingeleitet, um zu prüfen, ob die neuen Vertragsbedingungen für konzernfremde App-Entwickler und App-Stores, wie vor allem die Kerntechnologiegebühr, mit den DMA-Vorgaben vereinbar sind. Die Kommission hat außerdem vorläufig festgestellt, dass das „Pay or consent“-Werbemodell von Meta gegen den DMA verstößt, da Meta Nutzern, die nicht in die Zusammenführung ihrer personenbezogenen Daten einwilligen, eine weniger personalisierte, aber sonst gleichwertige Version der sozialen Netzwerke verwehrt.

Im Zusammenhang von Werbetreibenden und Publishern dürften Non-Compliance Verfahren zu erwarten sein, sobald sich erste Erfahrungswerte aus der Geltendmachung und Gewährung der Auskunfts- und Zugangsansprüche bilden. Werbetreibende und Publisher haben daher verschiedene Möglichkeiten gegen Gatekeeper vorzugehen, sollte sich die Umsetzung der Auskunfts- und Zugangsansprüche schwierig gestalten.

Das Buch "Das neue Recht der digitalen Märkte – Digital Markets Act (DMA)", das kürzlich von Dr. Jens Peter Schmidt und Dr. Fabian Hübener veröffentlicht wurde, ist unsere Einschätzung zu den Hintergründen, der Umsetzung und der Compliance mit dem DMA. Für eine weitere Beratung und individuelle Lösungen zum DMA und damit verbundenen wettbewerbsrechtlichen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.