Outbound Investment Security Program: USA beschränken Investitionen in Zukunftstechnologien
Am 28. Oktober 2024 hat das US-Finanzministerium ein neues Regelwerk für Auslandsinvestitionen durch US-Personen eingeführt (31 CFR Part 850, Provisions Pertaining to U.S. Investments in Certain National Security Technologies and Products in Countries of Concern.). In der Troika der Zukunftstechnologien Halbleiter, Quantencomputer und Künstliche Intelligenz (KI) sind US-Personen ab dem 2.1.2025 bestimmte Geschäfte mit Bezug zu China ohne Weiteres verboten, andere müssen nachträglich gemeldet werden.
I. Final Rule setzt E.O. 14105 um, will Technologievorsprung vor China sichern
Das US-Finanzministerium setzt mit der Final Rule die im August 2023 in E.O. 14105 niedergelegte Möglichkeit (und den politischen Auftrag) um, kritische Auslandsinvestitionen zu beschränken (Executive Order 14105, Addressing United States Investments in Certain National Security Technologies and Products in Countries of Concern, 9. August 2023.). Anlass ist die Einschätzung der US-Regierung, dass bestimmte Länder – im Wesentlichen China – die Entwicklung kritischer Technologien und Güter strategisch vorantreiben und dabei von US-amerikanischen Auslandsinvestitionen profitieren. Neben dem unmittelbaren Zugang zu Finanzmitteln sieht das US-Finanzministerium die damit einhergehenden Vorteile kritisch, etwa Reputationsgewinne, leichteren Zugang zu weiteren Finanzmitteln sowie Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte (U.S. Department of the Treasury, Additional Information on Final Regulations Implementing Outbound Investment Executive Order (E.O. 14105), 28. Oktober 2024, abrufbar unter https://home.treasury.gov/news/press-releases/jy2690.). Dadurch könnten nach Auffassung der US-Regierung amerikanische Investitionen ungewollt den Bemühungen kritischer Drittländer Vorschub leisten und systemische Konkurrenten der USA stärken.
II. Fokus liegt auf China und den Bereichen Halbleiter, Quantentechnologie und KI
Das neue Regelwerk betrifft drei Sektoren: Halbleiter und Mikroelektronik, Quantencomputer und Künstliche Intelligenz. In bestimmten, besonders sensiblen Teilbereichen dieser Sektoren verbietet die Final Rule US-Personen (US-Staatansagehörige, Personen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht, nach US-Recht errichtete juristische Personen sowie deren ausländischen Niederlassungen, und alle Personen, die sich in den USA aufhalten, vgl. § 850.229.) Geschäfte gänzlich. US-Personen sollen außerdem verhindern, dass US-kontrollierte Drittlandsunternehmen Geschäfte tätigen, die US-Personen verboten wären (31 CFR § 850.302(a).). Andere Teilbereiche hält die US-Regierung für weniger kritisch. In diesen müssen betroffene Transaktionen nachträglich gemeldet werden – einschließlich solcher von Unternehmen außerhalb der USA, die von US-Personen kontrolliert werden (31 CFR § 850.402.).
1. Verbotene Geschäfte und Meldepflichten
Das Regelwerk erfasst eine Reihe von Transaktionen. In den Anwendungsbereich fallen etwa Beteiligungserwerbe und bestimmte Fremdfinanzierungsformen, aber auch Unternehmensneugründungen (sogenannte Greenfield Investments), Joint Ventures und Beteiligungen als Limited Partner in Nicht-US-Investmentfonds (31 CFR § 850.210; 31 CFR § 850.224.).
Beschränkungen unterliegen diese Geschäfte, wenn „erfasste ausländische Personen“ beteiligt sind und die Geschäfte „erfasste Tätigkeiten“ betreffen.
a) Erfasste ausländische Person
Als „erfasste ausländische Personen“ gelten zunächst Personen aus Risikoländern („person of a country of concern“, vgl. CFR 31 § 850.221), die erfassten Tätigkeiten nachgehen. Solche Personen aus Risikoländern sind derzeit
- Chinesische Staatsangehörige (soweit diese keine US-Staatsbürgerschaft haben; der Staatsangehörigkeit wird jeweils eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung gleichgesetzt.); und
- Juristische Personen, die ihren Hauptgeschäftssitz in China haben oder nach dortigem Recht errichtet sind; und
- Die Regierung Chinas einschließlich Personen, die für sie handeln, und Personen, an denen die Regierung 50 % oder mehr der Anteile oder Stimmrechte hält oder die sie anderweitig steuert.
In zwei weiteren Schritten wird der Anwendungsbereich erheblich ausgedehnt: Erstens sind alle Personen erfasst, an denen die vorgenannten 50 % oder mehr der Anteile, Stimmrechte, oder Stimmrechte im Vorstand haben. Zweitens wird diese Kette fortgesetzt und Personen einbezogen, an denen in Schritt 1 erfasste Personen in gleichem Maße beteiligt sind (31 CFR § 850.221(d, e)).
b) Gleichgestellung bei wirtschaftlicher Verflechtung
Diesen gleichgestellt sind Personen, die einen Vorstandssitz, Anteile, oder Stimmrechte an einer erfassten ausländischen Person halten oder diese Person steuern, und die Beziehung eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung hat. Letzteres ist der Fall, wenn die beteiligte Person 50 % oder mehr ihres Jahresumsatzes, Jahresüberschusses, Investitions- oder Betriebsausgaben auf eine erfasste Person entfallen, oder dies zutrifft, wenn man mehrere erfasste Personen gemeinsam betrachtet, die jeweils mindestens USD 50.000 ausmachen (31 CFR § 850.209).
Je nach erfasster Aktivität ergeben sich Verbote oder Mitteilungspflichten. Verboten sind etwa Geschäfte betreffend
Halbleiter und Mikroelektronik |
Entwicklung oder Herstellung von - Software zum Entwurf von Mikroelektronik (Electronic Design Automation), - Front-End-Halbleiterfertigungsanlagen, die für die Serienfertigung integrierter Schaltungen ausgelegt sind, einschließlich Anlagen, die in den Produktionsstufen von einem leeren Wafer oder Substrat zu einem fertigen Wafer oder Substrat verwendet werden (d. h. die integrierten Schaltungen werden bearbeitet, befinden sich aber noch auf dem Wafer oder Substrat); - Ausrüstung für serienmäßiges Advanced Packaging; - Ware, Software oder Technologie entwickelt ausschließlich zur Verwendung in oder mit Extrem-Ultraviolett-Lithographieanlagen; |
Design von integrierten Schaltkreisen, die die Leistungsparameter der Kategorie ECCN 3A090.a erfüllen oder übertreffen; oder von integrierten Schaltkreisen die für den Betrieb bei oder unter 4,5 Kelvin entwickelt sind; |
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Herstellung von - Logik-Chips, die eine nicht-planare Transistor- Architektur nutzen oder mit einem Fertigungsknoten von 16/14nm oder weniger, einschließlich Fully Depleted Silicon-on-Insulator (FDSOI) Chips; - NAND-Speicherchips mit 128 oder mehr Schichten; - DRAM-Chips mit einem Technologieknoten von 18nm Half-Pitch oder weniger; - Chips, die aus Gallium-basierten Verbindungshalbleitern gefertigt wurden; - Chips, die Graphen-Transistoren oder Kohlenstoff-Nanoröhren nutzen; - Chips, die für den Betrieb bei oder unter 4.5 Kelvin entwickelt wurden; |
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Packaging von Chips mit fortschrittlichen Packaging-Techniken |
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Entwicklung, Installation, Verkauf oder Herstellung von Supercomputern, die durch fortschrittliche integrierte Schaltungen unterstützt werden und eine theoretische Rechenkapazität von 100 oder mehr Doppelpräzisions-(64-Bit-)Petaflops oder 200 oder mehr Einzelpräzisions-(32-Bit-)Petaflops innerhalb eines Raums von 41.600 Kubikfuß oder kleiner bieten können. |
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Quantencomputer |
Entwicklung von Quantencomputern oder Herstellung der Schlüsselkomponenten, die zur Herstellung von Quantencomputern erforderlich sind, wie beispielsweise Verdünnungskühler oder zweistufige Pulsröhren-Kryokühler; Entwicklung oder Herstellung von - Quantensensorik bei kritischer Endverwendung; - Quantennetzwerken und -kommunikationssystemen für die Kapazitätsvergrößerung eines Quantencomputers, für sichere Kommunikation sowie für jede andere Anwendung mit kritischer Endverwendung |
KI |
Entwicklung von KI-Systemen - zur ausschließlichen Nutzung für militärische oder nachrichtendienstliche Zwecke oder Massenüberwachung, oder wo die erfasste ausländische Person dies beabsichtigt; - die mit Rechenleistungen oberhalb bestimmter Schwellenwerte trainiert werden; |
Nicht verboten, aber dem US-Finanzministerium nachträglich zu melden, sind Transaktionen mit Bezug zu
- Design, Herstellung oder Packaging von integrierten Schaltkreisen;
- Entwicklung von KI-Systemen, die
- entwickelt sind für militärische oder nachrichtendienstliche Endverwendungen oder für die Massenüberwachung; oder
- erfasste ausländische Personen beabsichtigen einzusetzen z.B. im Bereich Cybersicherheit oder Steuerung von Robotiksystemen; oder
- mit Rechenleistungen größer als 1023 FLOPS trainiert wurden (31 CFR § 850.401 i.V.m. § 850.217.).
Bemerkenswert ist, dass im Bereich Quantencomputer keine Meldepflichten vorgesehen sind: erfasste Geschäfte sind durchgehend verboten. Die engmaschigen Meldepflichten dürften das Lagebild der US-Regierung erheblich verbessern und zukünftigen regulatorischen Entscheidungen zugrunde liegen.
2. Ausnahmen und Genehmigungsmöglichkeiten
Die Final Rule nimmt bestimmte Auslandsinvestitionen aus ihrem Anwendungsbereich aus. So sind beispielsweise gewöhnliche Käufe börsennotierter Wertpapiere oder Fondsanteile ausgenommen. Ebenfalls ausgenommen sind Limited-Partner-Investitionen, wenn die Kapitalzusage USD 2 Mio. nicht überschreitet oder wenn vertraglich vereinbart ist, dass die beigesteuerten Gelder nur für Transaktionen verwendet werden, die einer US-Person nicht verboten wären bzw. für die keine Meldepflicht bestünde. Auch bestehende Intracompany-Verträge sind nicht betroffen. Ferner gibt es begrenzte Genehmigungsmöglichkeiten, etwa im nationalen Interesse der USA.
3. Folgen von Verstößen
Verstöße gegen die Final Rule können empfindliche Strafen gemäß dem International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) nach sich ziehen. Die Behörden können Bußgelder von bis zu USD $368.136 oder dem doppelten Wert des zugrundeliegenden Geschäfts verhängen. Davon unbenommen sind strafrechtliche Konsequenzen einschließlich Freiheits- und Geldstrafen.
III. Auswirkungen jenseits der USA
1. US-Regeln könnten Vorbildcharakter haben und laufende Diskussionen prägen
Brüssel wird das neue US-Regelwerk besonders aufmerksam studieren und die praktische Umsetzung genau verfolgen. Vor über zwei Jahren hatte sich die EU-Kommission erstmals vorgenommen zu untersuchen, ob Maßnahmen zur Beschränkung von Auslandsinvestitionen erforderlich sind. Dieser Prozess führte im Januar 2024 zu einem White Paper on Outbound Investments (Europäische Kommission, White Paper on Outbound Investments, 24.1.2024, COM(2024) 24 final.), das im Wesentlichen eine öffentliche Konsultation sowie weitere Beobachtung und Bewertung der Entwicklungen vorsieht. Nach derzeitigem Stand wird eine Entscheidung zu weiteren Maßnahmen zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen für Herbst 2025 erwartet (Vgl. Niestedt/Altun ZASA 2024, 70 (71).). Verstärkt werden dürfte der Druck auf die EU-Kommission durch die – wie für US-amerikanische Investitionsprüfverfahren -- vorgesehene Möglichkeit, Länder mit vergleichbaren Regelwerken zu Auslandsinvestitionen von den Beschränkungen des Outbound Investment Security Programs auszunehmen.
2. Auswirkungen auf Unternehmen in Drittländern: Extraterritoriale Wirkung der neuen Regeln
Gleichermaßen sollten auch Unternehmen in Drittländern einschließlich der EU die Umsetzung der neuen Regeln aufmerksam verfolgen. Die US-Regeln entfalten extraterritoriale Wirkung und werden unweigerlich auch europäische Unternehmen betreffen.
Einerseits können die Meldepflichten für US-Muttergesellschaften auch Transaktionen der jeweiligen Tochtergesellschaften in der EU umfassen. Darüber hinaus kann die Pflicht für US-Muttergesellschaften, auch in Bezug auf Geschäfte ihrer Tochtergesellschaften auf die Beachtung der neuen Regeln hinzuwirken, den Geschäftsbetrieb ihrer Tochtergesellschaften in der EU maßgeblich beeinflussen.
Andererseits sind von den Verboten bzw. Mitteilungspflichten auch Unternehmen in der EU erfasst, die wirtschaftlich mit „erfassten ausländischen Personen“ verflochten sind, also etwa chinesische Tochter- oder Muttergesellschaften haben.
Für eine US-Person ist es demnach ein erfasstes Geschäft mit einem EU-Unternehmen, an welchem ein chinesisches Unternehmen beispielsweise mindestens 50 % der Stimmrechte hält, verboten, wenn ein Verbotstatbestand aus § 850.224 vorliegt – beispielsweise der Erwerb einer Beteiligung an einem Hersteller von Quantencomputern (S. o. zu den einzelnen Verbotstatbeständen.). Gleichermaßen ist für eine US-Person ein derartiges Geschäft mit einem EU-Unternehmen, welches etwa Stimmrechte an einem chinesischen Unternehmen hält und 50 % oder mehr seines Jahresumsatzes, Jahresüberschusses, Investitions- oder Betriebsausgaben auf das chinesische Unternehmen entfallen, verboten.
Wegen der enormen Reichweite des Outbound Investment Security Programs und der erheblichen Konsequenzen von Verstößen sollten Unternehmen ihre Betroffenheit vor dem Jahreswechsel prüfen.