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Russische Regierungs­kommission zu Transaktionen und Dividenden­zahlungen

09.01.2023

Russische Regierungskommission stellt Grundsätze für die Zustimmung zu Transaktionen und Dividendenzahlungen auf

 

I. Hintergrund

Nachdem der russische Präsident (a) mit dem Dekret Nr. 618 vom 08. September 2022 (Dekret 618) die direkte oder indirekte Übertragung von Anteilen an russischen GmbHs durch (juristische) Personen aus sogenannten unfreundlichen Staaten (Unfreundliche Personen) und sodann (b) mit dem Dekret Nr. 737 vom 15. Oktober 2022 (Dekret 737) - der das von der Intention her vergleichbare Dekret Nr. 81 vom 01. März 2022 deutlich verschärft hat - auch die Übertragung von Aktien in russischen Aktiengesellschaften durch Unfreundliche Personen vollständig unter einen Zustimmungsvorbehalt der Kommission der Regierung der Russischen Föderation für die Kontrolle der ausländischen Investitionen in der Russischen Föderation (Regierungskommission) gestellt hat, waren die Grundsätze und Kriterien, nach welchen sich eine solche Zustimmung richtet, einige Monate nicht aufgestellt oder zumindest nicht veröffentlicht worden. Dies galt auch für die Erlaubnis der Auszahlung von Dividenden an Unfreundliche Personen. Solche Auszahlungen wurde durch das Dekret Nr. 95 vom 05. März 2022 sowie das Dekret Nr. 254 vom 04. Mai 2022 beschränkt und sodann durch das Dekret 618 ebenfalls unter einen Zustimmungsvorbehalt der Regierungskommission gestellt.

II. Grundsätze der Regierungskommission

Eine erste Ausarbeitung der Regierungskommission zu den Grundsätzen der Zustimmung zur Übertragung von Aktien/Geschäftsanteilen durch Unfreundliche Personen war bereits Mitte Dezember in die Öffentlichkeit gelangt, wobei die offizielle Vorstellung des Auszugs aus dem Sitzungsprotokoll der Regierungskommission erst am 30. Dezember 2022 erfolgte.

Im Dokument hat die Regierungskommission einen Katalog bestimmter Kriterien und Bedingungen vorgestellt, die in Zusammenhang mit der Zustimmung zur Übertragung von Wertpapieren russischer Gesellschaften (zu denen Aktien, Anteile und Einlagen zu zählen sind (Aktiva)), grundsätzlich von maßgeblicher Bedeutung sein sollen; namentlich die folgenden:

  • das Vorliegen einer unabhängigen Bewertung des Marktwertes der Aktiva;

  • die Veräußerung der Aktiva mit einem Abschlag von mindestens 50 % des in der unabhängigen Bewertung festgestellten Marktwertes der betreffenden Aktiva;

  • die Festlegung von Leistungsindikatoren für neue Aktionäre (Eigentümer);

  • die Gewährung eines Zahlungsaufschubs von 1-2 Jahren und (oder) die Verpflichtung zur freiwilligen Zahlung von Mitteln in den (russischen) Haushalt in Höhe von mindestens 10 % des Transaktionswertes.

Für die Zustimmung zu Gewinnausschüttungen (Dividendenzahlungen) durch russische Gesellschaften (Unternehmen) an Unfreundliche Personen, weist die Regierungskommission auf die grundsätzliche Erfüllung folgender einzuhaltender Grundsätze/Kriterien hin:

  • der Betrag des auszuschüttenden Gewinns (Dividendenzahlungen) darf 50 % des gesamten Nettogewinns des Unternehmens aus dem Vorjahr nicht übersteigen;

  • die Berücksichtigung der retrospektiven Analyse der Gewinnausschüttungen (Dividendenzahlungen) für vergangene Zeiträume;

  • die Bereitschaft der ausländischen Gesellschafter (Aktionäre) des Unternehmens, die kommerziellen Aktivitäten in der Russischen Föderation fortzusetzen;

  • Berücksichtigung der Standpunkte der föderalen Exekutivbehörden und der Russischen Zentralbank bei der Bewertung der Bedeutung der Tätigkeit des Unternehmens und der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die technologische und produktionstechnische Souveränität der Russischen Föderation sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Russischen Föderation (der Subjekte der Russischen Föderation);

  • Festlegung von quartalsbezogenen Leistungsindikatoren für das Unternehmen durch die föderalen Exekutivbehörden;

  • die Möglichkeit, quartalsweise Gewinnausschüttungen (Dividendenzahlungen) vorzunehmen, sofern die Leistungsindikatoren durch Unternehmen erfüllt werden.

III. Bewertung und Ausblick

1. Übertragung von Anteilen/Aktien

Bereits beim Erlass des Dekrets 618 war zu vermuten, dass der russische Staat den ausländischen Unternehmen die Entscheidung zum Verlassen des russischen Marktes erschweren wollte, indem er mit einem vage gehaltenen Verfahren für Rechtsunsicherheit sorgte, die Exit-Transaktionen jedenfalls verzögerte und die Kosten der Transaktionen steigerte. Überdies wollte sich Russland das Entscheidungsrecht vorbehalten, wer und zu welchen Konditionen den russischen Markt verlassen darf.

Mit dem nun vorgelegten Katalog an Kriterien und Bedingungen macht die Regierungskommission vor allem deutlich, dass sich der Ausstieg für die ausländischen Unternehmen nicht lohnen und die (im besten Fall russischen) Erwerber bevorteilen soll. Laut Medienberichten hat der russische Finanzminister bereits im Sommer verlautbaren lassen, dass die Unternehmen, die Russland verlassen, durchaus Verluste beim Ausstieg erleiden sollen. Dementsprechend weitgehend sind die nun aufgestellten Anforderungen.

Die meisten zum Ausstieg entschlossenen ausländischen Unternehmen haben bereits durch die faktische Einstellung ihres Geschäfts in Russland Verluste erlitten. Auch wenn diese Unternehmen nicht mit dem Höchstpreis bei der Veräußerung ihrer Aktiva in Russland gerechnet haben dürften, so stellt ein Abschlag von mindestens 50 % des Wertes der Russland-Aktiva dennoch eine schmerzhafte Maßnahme dar, insbesondere dann, wenn die Bewertung den bereits faktisch reduzierten/eingestellten Geschäftsbetrieb oder die nicht mehr mögliche Fortsetzung des bisherigen Geschäftsbetriebes berücksichtigt hat.

Nicht minder stark wird das unklar formulierte Erfordernis eines Zahlungsaufschubs von bis zu 2 Jahren die Verkäufer beunruhigen, da die Übertragung der Anteile/Aktien - insbesondere vor dem Hintergrund der nicht vorhersehbaren politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Russlands - damit ohne hinreichende Gewissheit der (vollständigen) Kaufpreiszahlung erfolgen würde. Diese Ungewissheit wird den meisten ausländischen Unternehmen unzumutbar erscheinen.

Auch die weitere Verpflichtung bzw. Variante (dahingehend ist der Wortlaut wohl bewusst offen gehalten) - einer Zahlung in den Haushalt von mindestens 10 % des Transaktionswertes - wird die Unternehmen vor ggf. erhebliche Schwierigkeiten stellen. Sofern dies als eine Pflicht des Verkäufers zu verstehen ist (auch hier ist die entsprechende Formulierung der Regierungskommission unklar) könnte der Betrag von 10 % als eine belastende, aber unabwendbare Maßnahme zum Ausstieg gegebenenfalls wirtschaftlich verkraftet werden, doch führt die Tatsache, dass die Unternehmen mittels einer Zahlung an den russischen Staat zumindest indirekt den Krieg Russlands in der Ukraine finanzieren, zu erheblichen Compliance-Problemen und Reputationsrisiken, welche die Unternehmen durch ihren Ausstieg gerade vermeiden wollten.

Noch ist nicht abzusehen, ob die Regierungskommission die oben beschriebenen, von ihr aufgestellten Grundsätze streng anwenden oder auf andere/weitere, weniger transparente und eventuell nicht ökonomisch motivierte Faktoren abstellen wird. Einen prominenten Fall einer verweigerten Zustimmung gibt es bereits, wobei vermutet wird, dass der Regierungskommission der Kaufpreis als zu hoch erschien, da dieser das dreifache des EBITDA überstieg.

Da der regulative Rahmen für die Übertragung von Anteilen/Aktien seit dem Beginn des Krieges zunehmend enger wurde, offenbar mit dem Ziel, der russischen Regierung eine immer stärkere Kontrolle über geplante Transaktionen zu verschaffen, ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Verschärfungen kommt, sollten sich die bisherigen Maßnahmen dahingehend als unzureichend erweisen.

2. Dividenden

Unter anderem um Kapitalflucht zu verhindern und den Rubel zu stärken, hat Wladimir Putin schon ganz zu Beginn des Krieges die Auszahlung von Dividenden beschränkt (u.a. einen Betrag von höchstens 10 Mio. Rubel im Monat (Sockelbetrag) festgelegt). Dividendenzahlungen über den Sockelbetrag hinaus wurden im Verlauf des Jahres weiter reglementiert. Mit dem vorgestellten Katalog sollen solche Auszahlungen verstärkt an die wirtschaftlichen Kennzahlen und den weiteren Betrieb der russischen Tochterunternehmen der ausländischen Gesellschafter geknüpft werden. Überdies sollen die über den Sockelbetrag hinausgehenden Auszahlungen nun nicht mehr monatlich, sondern nur noch jedes Quartal möglich sein und dies nur unter der Voraussetzung, dass bestimmte Leistungsindikatoren erfüllt werden. Damit sollen die Eigentümer unter Druck gesetzt werden, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in Russland (erfolgreich) fortzusetzten, da andernfalls die Auszahlung von Dividenden, auch solcher aus Gewinnvorträgen der Vorjahre, weiter eingeschränkt bzw. verhindert wird.

Mit der Aufstellung der oben benannten Grundsätze durch die Regierungskommission hat sich die Lage für Unternehmen, die Russland verlassen wollen und dabei nicht bereit sind, komplett auf erwirtschaftete Gewinne oder den Erhalt einer hinreichenden Gegenleistung für die von ihnen geschaffenen Werte zu verzichten, massiv verschlechtert. Im Ergebnis dürfte dies verstärkt zu Insolvenzen russischer (Tochter-)Gesellschaften und damit - aus Sicht der ausländischen Gesellschafter - unkontrollierten Russland-Ausstiegen führen.