Erste eingehende Prüfung der Europäischen Kommission unter der Foreign Subsidies Regulation
Am vergangenen Freitag, den 16. Februar 2024, hat die Europäische Kommission („Kommission“) bekanntgegeben, ihre erste eingehende Prüfung (in-depth investigation, sog. „Phase 2-Untersuchung“) einer potenziell binnenmarktverzerrenden drittstaatlichen Subvention unter der Foreign Subsidies Regulation („FSR“) eingeleitet zu haben.
Sie erfolgt im Zusammenhang mit einem öffentlichen Vergabeverfahren des bulgarischen Ministeriums für Transport und Kommunikation. Dieses betrifft 20 elektronische Wendezüge und deren Wartung mit einem Auftragsvolumen von EUR 610 Millionen. Das Unternehmen CRRC Qingdao Sifang Locomotive („CRRC“), eine Tochtergesellschaft des chinesischen Staatsunternehmens CRRC Corporation Limited, hatte in dem Verfahren ein Angebot abgegeben und eine FSR-Meldung bei der Kommission eingereicht.
Hintergrund ist die seit dem 12. Oktober 2023 bestehende Meldeverpflichtung von Unternehmen nach der FSR. Wenn ein Unternehmen finanzielle Zuwendungen aus Nicht-EU-Staaten erhalten hat, ist die Teilnahme an einem öffentlichen Vergabeverfahren unter Umständen bei der Kommission zur Prüfung zu melden („Vergaberechtsinstrument“). Die Meldung muss bereits mit der Einreichung eines Angebots oder eines Antrags auf Teilnahme am Vergabeverfahren erfolgen und Auskunft über drittstaatliche finanzielle Zuwendungen der letzten drei Jahre geben. Unterbleibt eine derartige Meldung oder erfolgt sie lediglich unvollständig, kann auch ein Ausschluss vom Vergabeverfahren drohen.
Im Fall von CRRC hat die Kommission zunächst eine Vorprüfung durchgeführt. Danach sollen hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass CRRC eine drittstaatliche Subvention mit wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen gewährt wurde. Diese hat es CRRC ggf. ermöglicht, am Vergabeverfahren der bulgarischen Behörde mit einem ungerechtfertigt günstigen Angebot teilzunehmen. Im Rahmen der eingehenden Phase 2-Untersuchung nimmt die Kommission daher nun eine vertieftere Prüfung der in Rede stehenden drittstaatlichen Subvention vor.
Für die Durchführung ihrer Prüfung hat die Kommission nun grundsätzlich insgesamt 110 Arbeitstage (also bis zum 2. Juli 2024) Zeit. In hinreichend begründeten Ausnahmefällen kann diese Frist verlängert werden. Am Ende ihrer Prüfung wird die Kommission beschließen (i) keine Einwände zu erheben, (ii) dem Unternehmen Verpflichtungen aufzuerlegen oder (iii) die Vergabe des Auftrags an CRRC gänzlich zu untersagen.
Zusätzlich zu diesem Vergaberechtsinstrument eröffnet die FSR der Kommission mit dem M&A-Transaktions- und dem Ex officio-Untersuchungsinstrument zwei weitere Verfahren zur Prüfung drittstaatlicher Subventionen. Eine Übersicht aller geschaffenen Instrumente finden Sie in unserem vorherigen Beitrag hier.
Mit Eröffnung der ersten Phase 2-Untersuchung im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens unter der FSR betritt die Kommission nun echtes Neuland. Die Veröffentlichung der verfahrensabschließenden Entscheidung kann bereits jetzt mit Spannung erwartet werden. Sie wird erstmals klarer darüber Aufschluss geben, wann die Kommission die Voraussetzungen für die Einleitung einer eingehenden Prüfung als gegeben erachtet. Auch wird sie nähere Einblicke eröffnen, welchen Maßstab die Kommission bei der Prüfung der Verzerrung des Binnenmarktes zugrunde legt. Weiterführende Erkenntnisse könnten zudem zur Abwägungsprüfung zwischen einer festgestellten Binnenmarktverzerrung und etwaigen positiven Auswirkungen der Subvention gewonnen werden.
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