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Ein neuer verbindlicher Rechts­rahmen für die Lade­infrastruktur in Europa – EU-weites Inkrafttreten der AFIR und Veröffentlichung der Q&A durch die EU-Kommission

16.04.2024

Seit dem vergangenen Samstag (13.04.2024) gilt die Verordnung 2023/1804 über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) europaweit. Zeitgleich hierzu hat die EU-Kommission die ersten, offiziellen Q&A zur Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) veröffentlicht (klick hier). Diese 33 (!) Q&A fassen die Auffassung der EU-Kommission zu zahlreichen Auslegungsfragen rund um Art. 5 AFIR, welcher die Vorgaben zur Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge enthält, zusammen. Sie werden somit für die Praxis ein wichtiger Orientierungspunkt sein.

Ein Hauptziel der AFIR ist es, zukünftig die Errichtung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge sowie Tankstellen für alternative Kraftstoffe in den Städten Europas und entlang der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V) voranzutreiben. Zu den alternativen Kraftstoffen i.S.d. AFIR zählen u.a. Strom, Wasserstoff, Gas (LNG und LPG) und Biokraftstoffe. Neben Ladestationen für PKW sowie für leichte und schwere Nutzfahrzeuge sollen auch Seehäfen und Flughäfen besser mit Strom versorgt werden und Wasserstofftankstellen errichtet werden.

In Art. 3 und 4 der AFIR finden sich detaillierte und für die Mitgliedstaaten verbindliche Ausbauziele für die Ladeinfrastruktur. Diese Vorgaben konkretisieren teilweise die Ziele des deutschen Schnellladegesetzes. Es wird sich zeigen, ob der dort mit den Vergabeverfahren zum „Deutschlandnetz“ vorangetriebene Ausbau der Ladeinfrastruktur auch die europäischen Ziele wird umsetzen können.

Für die Praxis wohl am bedeutendsten sind die neuen Vorgaben für Betreiber und Nutzer von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Art. 5 und 20 AFIR. Die AFIR ersetzt in diesem Bereich in Deutschland weitgehend die Regelungen in der Ladesäulenverordnung (LSV) und in § 14 Preisangabenverordnung (PAngV), welche teilweise auf der bisherigen Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) aus dem Jahr 2014 fußten.

Regelungsrahmen für Ladeinfrastruktur in Art. 5 AFIR

Über die wichtigsten Reglungen des Art. 5 AFIR soll hier ein kurzer Überblick gegeben werden. Hierbei wird teilweise auch aufgezeigt werden, ob sich in den Q&A weiterführende Hinweise zu den jeweiligen Vorgaben finden.

Die Vorgaben in Art. 5 Abs. 1 AFIR zum sog. „ad-hoc“ Laden gehen über die heutigen Bestimmungen in § 4 LSV hinaus. Künftig soll EU-weit ein punktuelles Aufladen unter Verwendung eines in der EU weitverbreiteten Zahlungsinstruments ermöglicht werden. Bei neu errichteten Ladepunkten mit einer Leistung unter 50 kW müssen nun entweder Zahlungskartenleser, Geräte mit Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können, oder Geräte, die eine Internetverbindung nutzen und einen sicheren Zahlungsvorgang ermöglichen, etwa solche, die einen spezifischer QR-Code erzeugen, als elektronisches Zahlungsmittel vorgehalten werden. Die Q&A 5.10 stellt nun für die letzte Variante klar, dass aus Sicht der EU-Kommission nicht nur dynamische QR-Codes, sondern unter weiteren Bedingungen auch statische QR-Codes den Anforderungen der AFIR genügen können. Auch erläutern die Q&A 5.8 die Unterschiede zwischen Zahlungskartenleser und Geräten mit Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gerätearten ist dabei laut EU-Kommission nicht relevant für die Frage, ob ein PIN-Pad angebracht sein muss. Diese Frage richte sich vielmehr nach dem jeweiligen Zahlungsinstrument und den dafür geltenden Authentifizierungsanforderungen.

Neu errichtete Ladepunkte mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr müssen entweder über Zahlungskartenleser oder Geräte mit Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können, ausgerüstet sein. Bei diesen Ladepunkten reicht ein QR-Code als elektronisches Zahlungsmittel also nicht aus. Diese Pflichten zur Bezahlmethode gelten bei Ladepunkten mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr, welche entlang des TEN-V-Straßennetzes oder auf einem sicheren und gesicherten Parkplatz liegen, ab dem 01.01.2027 auch für die Infrastruktur, die vor Gültigkeit der AFIR errichtet wurde. Es wird also eine Nachrüstungspflicht für diese Ladesäulen etabliert. Nach Inkrafttreten der AFIR sind somit in Bezug auf die verpflichtenden Zahlungsmöglichkeiten künftig folgende Arten von Ladesäulen (abhängig von Ladekapazität, Alter und örtlicher Lage) zu unterscheiden:

Kapazität und Lage:

Ladepunkt mit einer Kapazität bis 50 kW (unabhängig vom Standort)

Ladepunkt mit einer Kapazität ab 50 kW (außerhalb des TEN-V-Straßennetzes oder eines sicheren und gesicherten Parkplatzes) Ladepunkt mit einer Kapazität ab 50 kW (entlang des TEN-V-Straßennetzes oder auf einem sicheren und gesicherten Parkplatz)
Errichtung nach Inkrafttreten der AFIR Zahlungskartenleser, Geräte mit einer Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können, oder Geräte, die eine Internetverbindung nutzen und einen sicheren Zahlungsvorgang ermöglichen
Zahlungskartenleser oder Geräte mit einer Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können Zahlungskartenleser oder Geräte mit einer Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können
Errichtung vor Inkrafttreten der AFIR Bisherige Anforderungen von §§ 4, 7 LSV → keine Nachrüstungspflicht Bisherige Anforderungen von §§ 4, 7 LSV → keine Nachrüstungspflicht  Ab 01.01.2027:
Zahlungskartenleser oder Geräte mit einer Kontaktlosfunktion, mit der zumindest Zahlungskarten gelesen werden können →  Nachrüstungspflicht

 

Technische Vorgaben enthalten Art. 5 Abs. 10 AFIR sowie Art. 21 AFIR i.V.m. Anhang II Nr. 1, die damit an die Stelle von § 3 LSV treten werden; inhaltlich sind keine neuen Anforderungen enthalten.

Art. 5 Abs. 2 AFIR regelt das Verhältnis von Laden mit automatischer Authentifizierung zu punktuellem Laden und vertragsbasierten Zahlungslösungen. Der Ladepunktbetreiber muss sicherstellen, dass der Endnutzer stets das Recht hat, die automatische Authentifizierung nicht zu nutzen. Auch muss er gem. Art. 5 Abs. 8 AFIR sicherstellen, alle von ihm betriebenen öffentlich zugänglichen Ladepunkte, die nach dem 13.04.2024 errichtet werden oder nach dem 14.10.2024 instandgesetzt werden, zu intelligentem Laden fähig sind.

Weitere Vorgaben für Ladepunktbetreiber finden sich in Art. 5 Abs. 4 AFIR. Darin werden für öffentlich-zugänglichen Ladepunkte Vorgaben für die Darstellung des Preises festgelegt, die insoweit an die Stelle von § 14 Abs. 2 bis 4 PAngV treten werden. Die Vorgaben der AFIR differenzieren anders als das deutsche Recht sowohl bzgl. der Darstellungsweise als auch hinsichtlich der anzugebenden Preiskomponenten zwischen Ladepunkten mit einer Ladeleistung von mehr als 50 kW und solchen mit einer geringeren Ladeleistung. Auch ist zu beachten, dass die Vorgaben für Ladepunkte mit einer Ladeleistung von mehr als 50 kW nur für solche Ladepunkte gelten, die ab dem 13.04.2024 errichtet werden. Dass es allein zu diesem Absatz acht Q&A gibt, zeigt, dass es hier noch viele Diskussionen im Einzelfall geben wird.

Darüber hinaus treffen Art. 5 Abs. 3 und Abs. 5 auch erstmals Regelungen für Mobilitätsdienstleister (eMSP). Ladesäulenbetreiber (CPO) dürfen diese insbesondere bzgl. der Preisgestaltung gegenüber Nutzern und auch untereinander nicht diskriminieren. Ähnlich wie die CPOs treffen die eMSPs aber auch Vorgaben zur Preistransparenz gegenüber den Endkunden. Mit der Anerkennung der Rolle der eMSPs einher geht die Pflicht der CPOs bis zum 14.10.2024 sicherzustellen, dass alle von ihnen betriebenen öffentlich zugänglichen Ladepunkte digital vernetzte Ladepunkte sind.

Die Mitgliedstaaten werden dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass diese Regelungen eingehalten und möglicherweise unlautere Geschäftspraktiken überwacht werden (vgl. Art. 5 Abs. 6 AFIR). Hier könnte es noch Konkretisierungen durch nationales Recht der Mitgliedstaaten geben.

Vorgaben für die Bereitstellung von Daten in Art. 20 AFIR

Eine weitere wichtige Neuregelung findet sich schließlich in Art. 20 AFIR. Dieser Artikel enthält Vorgaben zur Bereitstellung von Daten, da diese eine „grundlegende Rolle für das ordnungsgemäße Funktionieren der Lade- und Betankungsinfrastruktur spielen“ (Erwägungsgrund 69). So sollen die Mitgliedstaaten eine ID-Registrierungs-Organisation („IDRO“) benennen, die mithilfe eines individuellen Identifizierungscodes („ID“) die Betreiber von Ladepunkten und Mobilitätsdienstleister identifizieren kann (vgl. Art. 20 Abs. 1 AFIR). Diese Aufgabe wird in Deutschland zurzeit von der Energie Codes & Service GmbH, einer vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten privaten Stelle, die zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew) gehört, durchgeführt.

Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten und Zapfstellen für alternative Kraftstoffe müssen künftig näher bestimmte statische und dynamische Daten über die von ihnen betrieben Infrastruktur oder die damit verbundenen Dienstleistungen kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Zu den statischen Daten zählen u.a. die geografische Lage der Ladepunkte oder der Zapfstellen für alternative Kraftstoffe, Anzahl der Anschlüsse, Betriebszeiten, maximale Ladeleistung der Ladestation/des Ladepunkts sowie die Stromart (vgl. Art. 20 Abs. 2 AFIR). Zu den dynamischen Daten gehören der Betriebszustand, die Verfügbarkeit, der Ad-hoc-Preis und die Herkunft des Stromes aus erneuerbaren Quellen. Schließlich haben die Mitgliedstaaten bis zum 31.12.2024 sicherzustellen, dass die Daten allen Datennutzern, wie Kunden oder eMSPs, in offener und nichtdiskriminierender Weise zugänglich gemacht werden (Art. 20 Abs. 4 AFIR). Art. 20 Abs. 6 und 7 AFIR ermächtigt schließlich die EU-Kommission zum Erlass von weiteren Rechtsakten, um u.a. Details zu technischen Anforderungen oder zum Verfahren des Zuganges zu Daten zu regeln.

(Vorläufiges) Fazit

Mit der europaweiten Gültigkeit der AFIR und damit einem weitgehend einheitlichen Rechtsrahmen beginnt ein neues Zeitalter für die Elektromobilität in der EU, welches die Chance bietet, die Elektromobilität flächendeckend zu etablieren. Die Zeit zwischen Verabschiedung und jetziger Gültigkeit der AFIR und die Tatsache, dass es allein zu Art. 5 AFIR 33 Q&A gibt, haben allerdings gezeigt, dass bei der Auslegung der Regelungen im Detail noch viele Fragen offen und ungeklärt sind. Die nun veröffentlichten Q&A der EU-Kommission bieten für die Praxis zwar wichtige und hilfreiche Orientierungspunkte, rechtliche Gewissheit können aber nur Entscheidungen des EuGH geben, da nur dieser zur verbindlichen Auslegung des Unionsrecht berufen ist.