Deutschland weitet Exportkontrolle von Zukunftstechnologien aus
Am 23.07.2024 ist die 21. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung in Kraft getreten. Im Zentrum der Änderungen steht die Ergänzung von Teil I Abschnitt B der Ausfuhrliste, in dem national erfasste Güter enthalten sind. Fortan sind Emerging Technologies – etwa parametrische Signalverstärker, kryogene Kühlsysteme und Quantencomputer – der Ausfuhrkontrolle unterworfen (hierzu unter A.). Daneben wurden Verstöße gegen weitere Vorschriften der Russland-Sanktionen als Ordnungswidrigkeiten erfasst (hierzu unter B.) sowie für Somalia und die Zentralafrikanische Republik Ausnahmen vom Ausfuhrverbot für Rüstungsgüter ergänzt (hierzu unter C.)
A. Ausweitung der national erfassten Dual-Use-Güter
Für Güter, die in Anhang I der Verordnung (EU) 2021/821 („Dual-Use-VO“) gelistet sind, besteht nach Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO eine Genehmigungspflicht für Ausfuhren. Ergänzend steht es den EU-Mitgliedsstaaten frei, weitere Dual-Use-Güter national zu listen und dadurch Ausfuhrbeschränkungen zu unterwerfen (Art. 4 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 Dual-Use-VO).
Im Rahmen der 21. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung hat der Verordnungsgeber zahlreiche Güter aus dem Bereich der Emerging Technologies in Abschnitt B der Ausfuhrliste aufgenommen, der die in Deutschland national gelisteten Güter erfasst. In der Folge unterliegen diese Technologien nun auch der Genehmigungspflicht des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AWV (Ausfuhren) bzw. des § 11 Abs. 2 AWV (bezüglich Verbringungen, wenn dem Verbringer bekannt ist, dass das endgültige Bestimmungsziel außerhalb der EU liegt).
Unter bestimmten, in der Anlage weiter ausgeführten Kriterien, sind beispielsweise die folgenden Waren nunmehr erfasst, wenn das Bestimmungsziel außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union und außerhalb der in Anhang II Abschnitt A Teil 2 Dual-Use-Verordnung aufgeführten Gebiete (Australien, Island, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Liechtenstein, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten) liegt:
- Ausrüstung, konstruiert für das Trockenätzen (Dry Etching) (3B1901k)
- Integrierte Tieftemperatur- CMOS Schaltkreise (Complementary Metal Oxide Semiconductor) (3A1901a15)
- Parametrische Signalverstärker (3A1901b13)
- Kryogene Kühlsysteme (3A1904)
- Rasterelektronenmikroskope (Scannung Electron Microscopes) (3B1903)
- Kryogene Wafer-Prüfausrüstung (3B1904)
- Quantencomputer und zugehörige „elektronische Baugruppen“ und Bestandteile hierfür (4A1906)
Auch wurden Technologien und Software, die unterstützend für Emerging Technologies eingesetzt werden, in die Liste aufgenommen (3E1901;3E1902; 3E1905; 4D1901b3; 4E1901b3), wobei die Ergänzungen teilweise keine Einschränkung bezüglich des Bestimmungsziels enthalten (3D1902; 3D1907).
Durch die neue Listung von nationalen Dual-Use-Gütern aus dem Bereich der Emerging Technologies müssen Unternehmen nun unverzüglich überprüfen, ob die von ihnen ausgeführten Güter nunmehr der Genehmigungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AWV bzw. § 11 Abs. 2 AWV unterliegen. Die EU-Kommission hatte 2021 Befürchtungen geäußert, dass die Möglichkeit zu eigenen nationalen Kontrollen zu einem „Flickenteppich“ von unterschiedlichen Ausfuhrkontrollregimen führen könnte, die sich im Ergebnis negativ auf die Sicherheitsinteressen der EU selbst wie auch ihrer Mitgliedstaaten auswirken könnte (vgl. EU Kommission, Weißbuch über Ausfuhrkontrollen, COM(2024) 25 final, S. 9.). Um diesen Bedenken zu begegnen hat die EU-Kommission im Oktober 2023 eine Zusammenstellung der nationalen Kontrolllisten gem. Art. 9 Abs. 4 Dual-Use-VO veröffentlicht. Ob dies den Flickenteppich – und die schädlichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt – verhindert, ist allerdings eher zweifelhaft.
B. Weitere fahrlässige Verstöße gegen EU-Sanktionen als Ordnungswidrigkeiten erfasst
§ 82 Abs. 9 AWV wurde um drei Nummern erweitert, um die Weiterentwicklungen der Russland-Sanktionen im nationalem Ordnungswidrigkeitenrecht zu reflektieren.
Während der neue § 82 Abs. 9 Nr. 10 AWV die Falschverbuchung von Barbeständen oder sonstigen in Art. 5a Abs. 8 lit. a bzw. lit. b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 genannten Einnahmen betrifft, nimmt der neue § 82 Abs. 9 Nr. 11 AWV auf Art. 5a Abs. 8 lit. c S. 1 Hs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Bezug und sanktioniert das dortige Verbot, bestimmte Nettogewinne zu veräußern.
Nach dem neuen § 82 Abs. 9 Nr. 15 AWV ist es zudem bußgeldbewehrt, entgegen Art. 5b Abs. 2a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 dort genanntes Eigentum, Kontrollen oder die Bekleidung eines Postens zu gestatten. Gleiches gilt für fahrlässige Handlungen, die ermöglichen, dass russische Staatsangehörige oder in Russland ansässige natürliche Personen, unmittelbar oder mittelbar Eigentümer von EU-Unternehmen werden, oder diese unmittelbar oder mittelbar kontrollieren oder Posten in ihren Leitungsgremien bekleiden.
C. Erleichterungen für den Export von Rüstungsgütern nach Somalia und die Zentralafrikanische Republik
Mit dem neuen § 76 Abs. 12 AWV werden nun Genehmigungsmöglichkeiten für den Export von Rüstungsgütern nach Somalia zur Unterstützung des somalischen Staates und internationaler Hilfs- und Unterstützungsmissionen vorgesehen. Ebenso wurde mit § 76 Abs. 17 Nr. 4 AWV eine Genehmigungsmöglichkeit zur Unterstützung der Sicherheitskräfte in der Zentralafrikanischen Republik aufgenommen.