Beihilferecht – Wettbewerbsfähigkeit sichern, Zukunft gestalten
Competition Outlook 2025
Derzeitige beihilferechtliche Entwicklungen stehen weiterhin im Zeichen der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Im Fokus aktueller Diskussionen stehen verstärkte und zielgerichtete Investitionen in strategische Sektoren, aber auch Reformen und Vereinfachungen des EU-Beihilferechts.
So veröffentlichte im April 2024 zunächst Enrico Letta – ehemaliger italienischer Ministerpräsident – im Auftrag des Rates der EU einen Bericht zur Zukunft des EU-Binnenmarktes. Darin schlug er unter anderem eine strengere Umsetzung des EU-Beihilferechts und eine Ausweitung der Investitionen auf EU-Ebene vor, um zielgerichtet Innovation in der Industrie zu fördern und eine Fragmentierung des EU-Binnenmarktes zu vermeiden. Statt beihilferechtliche Übergangsregeln zur Krisenbewältigung weiter zu verlängern, müsse die EU entstandene innovative Konzepte in dauerhafte Strukturen überführen.
Im September veröffentlichte dann Mario Draghi – ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank – im Auftrag der Europäischen Kommission einen Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit Europas, in dem er als ein zentrales Mittel zur Bewältigung aktueller Herausforderungen eine effektive Beihilfepolitik nannte. Dabei griff Draghi insbesondere den Energiesektor, die Halbleiterindustrie, die Digitalisierung und künstliche Intelligenz heraus. Durch vereinheitlichte Regeln, schnellere Verfahren, eine Reform der sogenannten wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse („IPCEI“) und mehr Projekte auf europäischer Ebene will Draghi die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken und zukunftsfähige Industrien mit Investitionen von hunderten Milliarden Euro jährlich fördern.
Im Bereich der grünen Technologien schritt die EU 2024 dabei weiter voran: So wurden etwa zwei weitere IPCEI zur Förderung von Wasserstofftechnologien auf den Weg gebracht. Zudem wurden unter dem Befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels (TCTF) weitere große Beihilferegelungen für die Transformation zu einer CO2-neutralen Wirtschaft genehmigt, etwa in Höhe von EUR 1,2 Mrd. zur Förderung von Stromspeicheranlagen in Polen. Außerdem wurde nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL) etwa eine österreichische Beihilferegelung in Höhe von EUR 2,7 Mrd. für Projekte zur Verringerung der Treibhausgasemissionen von Industrieanlagen genehmigt. Auch im Bereich der digitalen Transformation wurden Beihilfen im großen Umfang genehmigt, so etwa in Höhe von EUR 5 Mrd. für eine Halbleiterfabrik von ESMC in Dresden (Deutschland) und EUR 2 Mrd. für eine Halbleiterfabrik von STMicroelectronics in Catania (Italien).
Die neu besetzte Europäische Kommission nimmt die Vorschläge von Letta und Draghi zur Intensivierung strategischer Investitionen ernst. Äußerungen neuer Kommissarinnen und Kommissare zufolge könnten öffentliche Investitionen über bestehende EU-Programme und die Einrichtung eines neuen „EU Competitiveness Fund“ verstärkt werden. Reformen des Beihilferechts scheinen fest eingeplant zu sein.
Ob die Europäische Kommission durch die bereits avisierten Maßnahmen ihre ambitionierten Ziele in Zeiten geopolitischen Umbruchs und erstarkender nationalistischer Tendenzen erreichen kann, bleibt für den Moment nur abzuwarten. Klar ist aber, dass große Fördersummen eine zentrale Rolle spielen werden und das EU-Beihilferecht insofern weiterhin eine Schlüsselrolle für die Zukunftsfähigkeit Europas einnehmen wird.
Dieser Artikel ist Teil des Competition Outlook 2025. Alle Artikel des Competition Outlooks finden Sie hier.