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17. AWV-Novelle beschlossen

04.05.2021

Am 27. April 2021 und damit früher als erwartet hat die Bundesregierung die 17. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung („Novelle“) beschlossen. Die Novelle ist am 01. Mai 2021 in Kraft getreten. Sie beruht auf einem Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie („BMWi“), der am 22. Januar 2021 veröffentlicht wurde (siehe unsere Meldung hier). Die Bundesregierung hält im Wesentlichen an erheblichen Verschärfungen und Ausweitungen des Anwendungsbereichs fest – der vierten in nur knapp 12 Monaten – , geht in einigen Punkten jedoch nicht so weit, wie das BMWi in seinem Referentenentwurf ursprünglich vorgeschlagen hatte.

Kernelemente der Novelle

Die Novelle enthält im Wesentlichen vier Hauptänderungen:

  • Erstens werden mit der Novelle zusätzliche Fallgruppen von meldepflichtigen Tätigkeiten der Zielgesellschaft nach den Vorschriften zur sektorübergreifenden Prüfung eingeführt (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 2 AWG und §§ 55 bis 59 AWV); die Zahl der Fallgruppen, die den verschärften Regelungen unterliegen, steigt von 11 auf 27. Die neuen Fallgruppen betreffen Zukunfts- und Schlüsseltechnologien, wie Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik oder Cybersicherheit. Es ist der Bundesregierung hoch anzurechnen, dass sie diese Fallgruppen nicht eins zu eins aus der EU-Screening-Verordnung übernimmt, sondern sie weiter konkretisiert und einschränkt. Viele Fallgruppen bleiben jedoch weiterhin weit und unscharf definiert. Wir erwarten daher, dass die Anzahl der meldepflichtigen Erwerbe deutlich zunehmen wird. Im Vergleich zum Referentenentwurf enthält die Novelle nur teilweise angehobene Schwellenwerte für Stimmrechtsanteile: Für Zielgesellschaften, die von den Fallgruppen der Nr. 8 bis Nr. 27 erfasst werden (die insbesondere den Gesundheitssektor und Zukunftstechnologien betreffen), liegt der Schwellenwert für Stimmrechte, ab dem eine Meldepflicht ausgelöst wird, bei 20 % - und damit höher als der im Referentenentwurf vorgeschlagene Schwellenwert von 10 %. Wir betrachten dies als eine gute Nachricht, insbesondere für Private Equity- und Venture Capital-Investoren. Für Zielgesellschaften, die von den Fallgruppen der Nr. 1 bis Nr. 7 erfasst werden (die insbesondere kritische Infrastrukturen betreffen) bleibt der Schwellenwert bei 10 %. Es gilt zu beachten, dass ausländische Investitionen von außerhalb der EU oder der EFTA in Zielgesellschaften, die unter die Fallgruppen fallen, nicht nur meldepflichtig sind, sondern auch einem Vollzugsverbot unterliegen, bis das BMWi die Transaktion freigegeben hat.

  • Zweitens erweitert die Novelle die sektorspezifische Prüfung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Abs. 3 AWG sowie §§ 60 bis 62 AWV) auf alle Erwerbe von Unternehmen, die gelistete Rüstungsgüter entwickeln, herstellen, modifizieren oder die tatsächliche Gewalt über sie innehaben. Bei Zielgesellschaften, die unter diese Beschreibung fallen, muss jede ausländische Investition gemeldet werden, unabhängig davon, ob der Erwerber aus der EU oder aus Drittstaaten kommt, wenn ein Stimmrechtsanteil von 10 % oder mehr (bisher z.T. 25 %) erworben wird. Insbesondere bei Zielgesellschaften, die Hersteller von Rüstungsgütern beliefern, erhöht sich durch die Novelle die Anzahl der meldepflichtigen Erwerbe erheblich – wahrscheinlich über die die im Referentenentwurf geschätzte Verdopplung hinaus. Denn nach den einschlägigen exportkontrollrechtlichen Vorgaben sind „besonders konstruierte“ Bestandteile für gelistete Rüstungsgüter ebenfalls gelistet. Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass die zuständige Exportkontrollbehörde in Deutschland (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) das Merkmal der besonderen Konstruktion recht weit auslegt.

  • Besondere Aufmerksamkeit verdient drittens eine Regelung, nach der auch der Erwerb von Kontroll- und Verwaltungsrechten die Anwendung der Regelungen auslöst. Das erste Mal seit Einführung der Vorschriften zu Investitionskontrollprüfungen kann neben dem Erwerb von Stimmrechten auch ein anderes Ereignis die Anwendbarkeit der Regelungen auslösen. Nach der Novelle genügt es, dass der Erwerber einen Stimmrechtsanteil unterhalb der einschlägigen Schwelle erwirbt, wenn dies einhergeht mit „zusätzlichen Sitzen oder Mehrheiten in Aufsichtsgremien oder in der Geschäftsführung“, der „Einräumung von Vetorechten bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen“ oder der „Einräumung von Rechten über Informationen im Sinne von § 15 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 AWG“. Die Regierung mag gute (politische) Gründe haben, möglichst viele Transaktionen zu erfassen, auch solche, bei denen der Investor die Möglichkeit der tatsächlichen Einflussnahme erhält. Dadurch geht jedoch ein klar definiertes Bestimmungsmerkmal verloren, was zu Rechtsunsicherheit und praktischen Problemen führen kann. Anders als der genaue Stimmrechtsanteil ist „Einfluss“ ein nicht einfach zu beschreibendes qualitatives Kriterium. Im Einzelfall läßt sich nicht verlässlich beurteilen, ob der Einfluss des Erwerbers mit dem anwendbaren Schwellenwert vergleichbar ist. Diese Sorge ist real angesichts der ganz ähnlichen, bekannten Problematik im deutschen Fusionskontrollrecht. So birgt der Auffangtatbestand des „Erwerbs wettbewerblich erheblichen Einflusses“ unterhalb der formalen Anteilsschwelle von 25 % (§ 37 Abs. 2 Nr. 4 GWB) ebenfalls Unsicherheiten. In der Praxis kann seine Anwendbarkeit oftmals nur durch eine Konsultation des Bundeskartellamts geklärt werden. Für außenwirtschaftsrechtliche Meldungen ist nach der Novelle Ähnliches zu erwarten. Ausländische Investoren dürften im Interesse der Transaktionssicherheit vermehrt Unbedenklichkeitsbescheinigungen beim BMWi beantragen bzw. das BMWi vorab zur Zuständigkeit konsultieren – mit entsprechenden Konsequenzen für den Transaktionszeitplan.

  • Schließlich enthält die Novelle eine neu eingeführte Regelung für einen weiteren Erwerb von Stimmrechten für den Fall, dass der Erwerber für seine bisherigen Anteilserwerbe eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder Genehmigung vom BMWi erhalten hat. Diese Regelung stellt eine Änderung des Referentenentwurfs und der bisherigen Praxis dar, wonach jeder weitere Anteilserwerb erneut den Anwendungsbereich der Regelungen auslösen kann. Die Novelle führt nun für den Erwerb weiterer Stimmrechte konkrete Schwellenwerte ein, die erreicht oder überschritten werden müssen. Allerdings räumt die Novelle dem BMWi ausdrücklich die Kompetenz ein, auch unterhalb der genannten Schwellenwerte weitere Meldepflichten in einer Unbedenklichkeitsbescheinigung festzulegen. Trotz dieser neuen Kompetenz für das BMWi enthält die Bestimmung eine Verbesserung gegenüber dem Referentenentwurf und der bisherigen Praxis, da sie nach der Bedeutung des zusätzlichen Anteilserwerbs differenziert. Geringfügige Änderungen von Beteiligungen oder gar konzerninterne Umstrukturierungen kann das BMWi demnach ggf. nicht mehr automatisch prüfen.

Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

Zwar sind die Lockerungen gegenüber dem Referentenentwurf zu begrüßen, die Auswirkungen der Novelle auf die Transaktionspraxis sind jedoch nach wie vor erheblich. Die Novelle weitet den Anwendungsbereich der deutschen Investitionskontrolle erheblich aus. Sie erweitert den allgemeinen Anwendungsbereich der Regelungen und erlaubt dem BMWi generell, mehr Transaktionen zu prüfen. Zudem wird der Anwendungsbereich von Meldepflichten und entsprechenden Vollzugsverboten ausgeweitet. Mit ihrem Fokus auf Gesellschaften, die im Bereich von Zukunftstechnologien tätig sind, wird sie Auswirkungen auf Venture Capital-Transaktionen und, da mehr Transaktionen unter die von 25 % auf 10 % bzw. 20 % gesenkten Schwellenwerte fallen, auch auf Private Equity-Transaktionen haben. Für Investoren erhöht sich durch die Novelle die Notwendigkeit, spätestens im Rahmen der Due Diligence Meldepflichten zu identifizieren und alle Risiken im Zusammenhang mit der Investitionskontrolle zu bewerten. Letzteres gilt natürlich auch für Verkäufer, die zunehmend die Nationalität und Zuverlässigkeit ihrer Geschäftspartner einpreisen müssen.