Neugier auf Zukunftsfragen

von Julia Beyen, erschienen in azur Karriere 02/2023, S. 80 ff.

Schon im Studium hat Sarah Blazek Weitblick bewiesen. Jetzt landet alles, was Politik und Gesellschaft in Atem hält, auf dem Schreibtisch der Expertin für Kartell- und Beihilferecht: Corona-Pandemie, Energiekrise, grüner Wandel und digitale Transformation.

Eigentlich wollte Sarah Blazek Medizin studieren. Eine ausgeprägte Angst vor Blut kommt da allerdings ungelegen. So wurde es schließlich etwas anderes Renommiertes: eine Karriere als Anwältin. So weit, so unspektakulär. Handelt es sich doch sowohl bei Medizin als auch bei Jura um Laufbahnen mit hoher Vererbungsrate. Interessant wird es, wenn man weiß, dass die 42-Jährige das ist,  was man heute eine ‚Studienpionierin‘nennt: Aufgewachsen als Tochter eines Deutschen und einer Südkoreanerin in Ostfildern in der Nähe von Stuttgart, ist sie die erste Akademikerin im deutschenTeil der Familie. Ihre Eltern ließen Blazek bei der Studienwahl freie Hand. „Wenn man in vielen der klassischen Schulfächer ganz gut dabei ist und sich keine spezielle Neigung herauskristallisiert,überlegt man, ob nicht einer der klassischenBerufe – wie Ärztin oder Juristin – Sinn machen würde“, sagt sie. Eine wirkliche Vorstellung, was sich hinter dem konkreten Berufsbild verbirgt, hatte sie damals nicht. Vielleicht war das einer der Gründe, warum Blazek sich von der Bucerius Law School in Hamburg überzeugen ließ. Im Jahr ihrer Gründung noch skeptisch beäugt, gilt‚ die Bucerius‘ heute als eine der renommiertesten Jurafakultäten.

Ersti hoch zwei

Hundert Abiturienten begannen am 1. Oktober 2000 ihr Studium an der ersten privaten Hochschule für Rechtswissenschaft in Deutschland – darunter auch Sarah Blazek, die sich unter rund 400 anderen Bewerbenden durchsetzen konnte. „Die Idee klang so interessant, dass ich es einfach gewagt und mich beworben habe. Als erster Jahrgang waren wir die Testpiloten für das Konzept Bucerius und konnten dadurch viel mitgestalten. Das Ganze hatte beinahe Start-­up­-Charakter.“ Mit 19 Jahren gefiel ihr die Aussicht, in einer Großstadt zu studieren und dennoch ein enges persönliches Miteinanderzu pflegen, denn die Law School hat eine überschaubare Anzahl von Studierenden. Bereuen musste sie ihren Testflug nicht, denn dermit Spannung erwartete erste Jahrgang ließ alle Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Bucerius­ Studierenden verstummen. Mit einer Durchschnittsnote von 11,2 schlossen die ersten 63 Absolventen das Erste Staats­examen im Jahr 2005 ab – auch Blazek erhielt ein Vollbefriedigend und zählte damit zur Prädikatselite. Zur hohen Punktzahl verhalf ihr auch das entfachte Interesse an Rechtsgebieten mit internationalem Bezug und starker politischer Komponente. Prof. Dr. Doris König, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre, Völker­ und Europarecht wurde für Blazek während des Studiums zu einer Art Lichtgestalt: „Durch sie hatte ich zum ersten Mal richtig Spaß an Jura, weil mich ihre Art der Wissensvermittlung undKommunikation total mitgerissen hat. Ihre Begeisterung für das Völkerrecht ist auf mich übergesprungenund hat mich nachhaltig geprägt.“

Raus in die Welt

Blazeks Vorliebe für weltpolitische Themen mündete 2007 in einem Masterstudium in Venedig. Am dortigen European Inter­-University Centre for Human Rights and Democratisation wollte sie bewusst auch die Welt erkunden. „Ganz konkret wollte ich raus aus dieser engen Jura­-Blase und mir anschauen, was es sonst noch gibt – den eigenen Horizont erweitern“, sagt sie. Das einjährige EMA-­Masterprogramm versprach genau das. Die Studierenden verbringen das erste Semester auf dem Global Campus of Human Rights – einem von der EU unterstützten interdisziplinären Exzellenzzentrum – während sie das zweite Semester an einer der europäischen Partneruniversitäten studieren. So ging es für Blazek an die Universität Sevilla. Auf dem Campus in Venedig kommen nicht nur unterschiedliche Nationalitäten zusammen, sondern auch eine Vielzahl von Fachbereichen – von Juristen über Politikwissenschaftler und Anthropologen bis hin zu Sprachwissenschaftlern. „Nachdem ich aus einem rein juristischen Umfeld kam, musste ich erst einmal lernen, wie man mit Nichtjuristen spricht. Diese Erfahrung hat vor allem meine zwischenmenschlichen Kompetenzen gestärkt“, erzählt sie. Der Crashkurs in gelungener Kommunikationprägt noch heute ihre Arbeit.Trotz ihrer vielfältigen Eindrücke erkannte Blazek,dass sie sich mit Jura die richtige Materie ausgesucht hatte. Allerdings war die Arbeit in einer Behörde für sie keine Option: „Dafür war ich immer schon zu sehr Freigeist. Ich wollte alles, nur nicht Jura by the book.“ So fielen ihr in erster Linie die kartellrechtlichen Stellenbeschreibungen ins Auge, denn sie lockten mit einer großen Bandbreite an Themen.

Pendeln zwischen Bayern und Belgien

„Ich wollte mir damals mein eigenes Bild vom Kartellrecht machen und das Ganze ursprünglich für ein Jahr ausprobieren – und jetzt sitzen wir hier“, scherzt Blazek. Heute ist die 42-­Jährige Kartell­ und Beihilferechtlerin bei Noerr, seit Jahresbeginn als Partnerin, und teilt ihre Zeit zwischen dem Münchner und Brüsseler Standortbüro auf. Viel wichtiger, als einen Haken hinter das erreichte Beförderungsziel zu setzen, ist es ihr jedoch, wirtschaftliches Geschehen mitzugestalten: „Das Kartellrecht und auch das Beihilferecht greift all die Zukunftsfragen auf, die uns im Großen und im Kleinen beschäftigen. Am Ende des Tages geht es darum, wie wir als Gesellschaft leben wollen und wie wir etwa den grünen Wandel oder die digitale Transformation gestalten.“ Dass es sich dabei um hochpolitische Fragen handelt, haben jüngst etwa die Diskussionen um Staatshilfen als Reaktion auf die Corona­-Pandemie und die Energiekrise gezeigt. Als Geldgeber für strauchelnde Unternehmen war der Staat gefragter denn je – und mit ihm die Beihilfeprofis. So ist Blazek seit dem letzten Jahr insbesondere für das Bundeswirtschaftsministerium im Dauereinsatz und berät zu staatlichen Beihilfen – im Zusammenhang mit den Energiepreisbremsen, aber auch im Hinblick auf den laufenden Kohleausstieg in Deutschland. Politisch interessant und vor allem kartellrechtlich relevant ist auch die Beratung des viertgrößten Autoherstellers der Welt, wenn dieser seine Pläne für autonomes Fahren durch die Übernahme eines Software­-Start­ups beschleunigt. Die inhaltliche Breite der Mandate ist für Sarah Blazek der Beleg: Mit ihrer Ausrichtung auf Kartell­ und Beihilferecht bekommt sie das Beste aus beiden Welten.

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