Untersagung von öffentlichen Angeboten
Von Dr. Volker Land und Dr. Stephan Schulz
Zuerst veröffentlicht im Noerr Public M&A-Report 02/2018
§ 15 Abs. 1 WpÜG ermächtigt die BaFin, Angebote nach dem WpÜG unter bestimmten Voraussetzungen zu untersagen. Im ersten Halbjahr 2018 machte die Behörde von dieser Befugnis gegenüber der Deutsche Balaton AG als Bieterin eines Erwerbsangebots an die Aktionäre der Biofrontera AG Gebrauch. Dieser Fall bietet Gelegenheit, die Praxis der Untersagung von öffentlichen Angeboten näher zu betrachten.
Empirische Befunde
Seit dem Jahr 2002 wurden insgesamt 17 öffentliche Angebote durch die BaFin untersagt (entspricht rd. 3,28 % aller angekündigten Angebote). Außer in den Jahren 2003 und 2008, mit jeweils drei Untersagungen, waren diese recht ausgewogen auf die letzten 16 Jahre verteilt. In den letzten vier Jahren ist im Durchschnitt etwa ein Angebot pro Jahr untersagt worden. Die sechs seit Anfang 2012 untersagten Angebote betrafen drei Pflichtangebote, zwei Übernahmeangebote und ein Erwerbsangebot.
Die von der BaFin seit 2012 veröffentlichten Untersagungsbescheide (für frühere Zeiträume sind die Untersagungsbescheide nicht öffentlich verfügbar) zeigen, dass die Behörde Untersagungen in fünf von sechs Fällen auf § 15 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG (Fehlen erforderlicher Angaben in der Angebotsunterlage) und nur in einem Fall auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG (Offensichtlicher Verstoß gegen rechtliche Vorgaben für Angebotsunterlagen) gestützt hat. Die Frage, wie es jeweils zur Untersagung kommen konnte, kann nur mit Blick auf den Einzelfall beantwortet werden.
- Die Untersagung des Umtauschangebots der Deutsche Wohnen AG an die Aktionäre der LEG Immobilien AG (2015) betrifft einen Sonderfall. Die außerordentliche Hauptver sammlung, auf der eine Sachkapitalerhöhung beschlossen werden sollte, durch welche die als Gegenleistung zu gewährenden Aktien geschaffen werden sollten, war vom Vorstand der Deutsche Wohnen AG abgesagt worden. Hintergrund war das parallel abgegebene Übernahmeangebot der Vonovia SE an die Aktionäre der Deutsche Wohnen AG, in dessen Zusammenhang Aktionäre, die sowohl an der Vonovia SE als auch an der Deutsche Wohnen AG beteiligt waren, signalisiert hatten, dass sie der Kapitalmaßnahme nicht zustimmen würden.
- In drei Fällen von Barangeboten beruhte die Unvollständigkeit der Angebotsunterlage darauf, dass die Finanzierungsbestätigung gem. § 13 Abs. 1 WpÜG nicht vorgelegt wurde. Die in den Untersagungsbescheiden enthaltenen Sachverhaltsangaben legen es nahe, dass die Bieter in diesen Fällen Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Angebotes hatten.
- In einem Fall beruhte die Unvollständigkeit auf fehlenden prospektrechtlichen Angaben in der Angebotsunterlage für ein Angebot, bei dem Wertpapiere als Gegenleistung angeboten werden sollten. In einem weiteren Fall ging es um verschiedene Mängel der Angebotsunterlage, unter anderem eine Bedingung für das Angebot, die nach Ansicht der BaFin zu unbestimmt formuliert war.
Rechtlicher Hintergrund und Verwaltungspraxis
Obwohl Untersagungen von Angeboten selten sind, kommen sie immer wieder vor. Die vorliegenden Untersagungsbescheide zeigen, dass die BaFin Angebote nur dann untersagt, wenn eine Angebotsunterlage nach dem WpÜG oder der WpÜG-AngebotsVO konkret geforderte Angaben nicht enthält oder ihr Inhalt gegen Vorgaben des WpÜG oder der WpÜGAngebotsVO verstößt. Wenn nach Meinung der Behörde ein solcher Fall vorliegt, weist sie im Gestattungsverfahren regelmäßig darauf hin und wirkt – ggf. unter Verlängerung der Frist für die Gestattung – auf die Ergänzung bzw. Berichtigung der Angabe hin. Ein Mangel der Angebotsunterlage, der eine Untersagung rechtfertigen kann, sollte daher für den Bieter regelmäßig ohne Weiteres vermeidbar sein.
Bei Untersagung drohen dem Bieter – neben dem Verbot der Veröffentlichung der Angebotsunterlage und der Nichtigkeit der bereits abgegebenen Annahmeerklärungen – weitere Konsequenzen.
Zum einen besteht bei untersagten Erwerbs- oder Übernahmeangeboten eine Sperrfrist von einem Jahr gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. Lässt es der Bieter zu, dass das Angebot untersagt wird, ist ihn daher eine schnelle „Nachbesserung“ im Wege eines erneuten Angebots unmöglich. Diese Sperrfrist gilt allerdings nur für den Bieter selbst. Tochtergesellschaften des Bieters und sonstigen mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen (z. B. einer Schwestergesellschaft) ist ein Angebot innerhalb der Sperrfrist hingegen nicht untersagt.
Bei Pflichtangeboten sind die Rechtsfolgen gravierender. Der Bieter ist verpflichtet, den Aktionären der Zielgesellschaft für die Dauer seines Verstoßes gegen die Angebotspflicht jährliche Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf die Gegenleistung zu zahlen. Schwerer wiegt noch, dass der Bieter sowie bestimmte weitere Parteien gem. § 59 Satz 1 WpÜG von einem Rechtsverlust betroffen sind. Das betrifft in erster Linie das Stimmrecht auf der Hauptversammlung der Zielgesellschaft. Das Dividendenbezugsrecht entfällt dagegen nicht, wenn das Angebot nicht vorsätzlich unterlassen wurde und es der Bieter nachholt (§ 59 Satz 2 WpÜG).8
Fazit
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Gegenleistung, seien es Aktien der Bieterin oder Barmittel, bilden in den letzten Jahren die häufigsten Hintergründe für eine Untersagung von öffentlichen Angeboten. Dieser Befund ist von Relevanz für die Diskussionen im Schrifttum, ob die Rechtsfolgen einer Untersagung von Erwerbs- oder Übernahmeangeboten für den Bieter (und seine Konzernobergesellschaft) zu wenig weit reichen und Umgehungsmöglichkeiten eröffnen. Die praktisch relevanten Konstellationen, in denen der Bieter letztlich aus finanziellen Gründen daran gehindert ist, eine vollständige Angebotsunterlage einzureichen, sind jedenfalls keine Umgehungsfälle.