Studie

Kommandit­gesell­schaften auf Aktien als Ziel­gesell­schaften öffentlicher Über­nahmen

Von Dr. Volker Land und Dr. Stephan Schulz

16.02.2021

Zuerst veröffentlicht im Noerr Public M&A-Report 01/2021

Kommanditgesellschaften auf Aktien („KGaA“) spielen im Übernahmerecht für gewöhnlich keine große Rolle (Unter den von der BaFin auf ihrer Homepage veröffentlichten Angebotsunterlagen findet sich lediglich eine Angebotsunterlage, die sich an die Kommanditaktionäre einer KGaA richtet (Angebot der AIG Century GmbH & Co. KGaA an die Aktionäre der AIRE GmbH & Co. KGaA vom 12.06.2012)). Hintergrund dieser geringen Relevanz ist einerseits der Umstand, dass es nach absoluten Zahlen deutlich weniger börsennotierte KGaA als AG oder SE gibt. Andererseits ist die Rechtsform in ihrer typischen Ausgestaltung als „Kapitalgesellschaft & Co. KGaA“ geradezu „übernahmeresistent“. Während der Mehrheitsaktionär einer AG die Möglichkeit hat, die Abberufung und Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Hauptversammlung durchzusetzen, und auf diesem Wege die Besetzung des Vorstands bestimmen kann, steht dem Erwerber der Mehrheit der Kommanditaktien eine solche Rechtsposition nicht zu. Bei der KGaA hat die Komplementärin die Geschäftsführungsbefugnis inne, und wer die Geschäfte der Komplementärin führt, entscheidet ihr Mehrheitsgesellschafter mit der Besetzung ihres Geschäftsleitungsorgans. Diese mangelnde Zugriffsmöglichkeit für den Bieter macht eine KgaA strukturell zu einem unattraktiven Zielobjekt eines Übernahmeversuchs.

Dieser übernahmerechtliche Seltenheitswert der KGaA führt wiederum dazu, dass Entscheidungen der BaFin über Rechtsfragen, die diese Rechtsform betreffen, besondere Aufmerksamkeit verdienen. Das gilt auch für die acht Entscheidungen, welche die Aufsichtsbehörde am 26.11.2020 über die Befreiung von Aktionären von der Pflicht zur Veröffentlichung und Abgabe eines Pflichtangebots an die Kommanditaktionäre der Ströer SE & Co. KgaA („Ströer KGaA“) veröffentlichte. Dabei ging es um eine Umstrukturierung und Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter bestimmten Kommanditaktionären der Ströer KGaA. In diesem Rahmen schlossen die beteiligten Parteien eine Stimmbindungsvereinbarung, wonach sie sich verpflichteten, ihre Stimmrechte auf der Hauptversammlung nur noch entsprechend den Beschlüssen einer Poolversammlung auszuüben. Die BaFin erteilte die beantragten Befreiungen und folgte in den veröffentlichten Begründungen ihrer bisherigen Verwaltungspraxis und der h.M. in der übernahmerechtlichen Literatur.

Zunächst legt die Behörde dar, dass der Abschluss einer Stimmbindungsvereinbarung, wie sie bei der Ströer KGaA vorlag, Kontrolle i.S.d. § 29 Abs. 2 Satz 1 WpÜG begründe. Sie geht davon aus, dass durch den Vertragsschluss ein „Acting in Concert“ i.S.d. § 30 Abs. 2 WpÜG zwischen den Parteien begründet würde, was zu einer wechselseitigen Zurechnung ihrer Stimmrechte führe. Aufgrund dieser Zurechnung überschritten die Antragsteller die Kontrollschwelle gem. § 29 Abs. 2 Satz 1 WpÜG von 30% der Stimmrechte. Die BaFin stellt klar, dass es nach ihrer ständigen Verwaltungspraxis für die Zurechnung nicht darauf ankäme, dass die betreffende Vertragspartei Entscheidungen des Pools herbeiführen könne. Bereits der Abschluss der Poolvereinbarung sei ausreichend, weil die Beteiligten aus Sicht der außenstehenden Aktionäre als „ein Block“ wahrgenommen würden.

Den eingangs erwähnten Umstand, dass die Kommanditaktionäre im Vergleich zu den Aktionären einer AG mangels Einfluss auf die Zusammensetzung des Geschäftsleitungsorgans eine schwächere Rechtsposition innehaben, erwähnt die BaFin im Zusammenhang mit der Prüfung, ob ein Kontrollerwerb stattfand, nicht. Vielmehr stellt sie unter Verweis auf § 2 Abs.3 Nr. 1 WpÜG klar, dass § 29 WpÜG ohne Einschränkung auch auf KGaA Anwendung finde.

Die Befreiung von der Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots stützt die Behörde schließlich auf § 37 Abs. 1 Var. 4 WpÜG (Mangel an einer „tatsächlichen Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle“). Erst in diesem Zusammenhang verweist sie auf die geringeren Einflussmöglichkeiten der Kommanditaktionäre und die fortbestehende „materielle Kontrollsituation“ durch die persönlich haftende Gesellschafterin, deren Beherrschungssituation sich durch die gegenständliche Umstrukturierung nicht ändere. In diesem Zusammenhang führt die BaFin aus, dass die Beteiligungsverhältnisse an einer KGaA es regelmäßig rechtfertigten, eine Befreiung auszusprechen.

Für die Praxis ist festzuhalten, dass beim Erwerb von Aktien und beim Abschluss von Stimmbindungsvereinbarungen bezüglich einer börsennotierten KGaA die mögliche Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots bedacht werden muss. KGaA sind gerade nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des WpÜG ausgenommen. Die BaFin geht aber davon aus, dass bei einem Kontrollerwerb an einer typisch strukturierten KGaA in aller Regel eine Befreiung von der Angebotspflicht erteilt werden kann. Um Überraschungen bei entsprechenden Transaktionen zu vermeiden, sollte die Behörde jedoch frühzeitig eingebunden werden.