Die Rolle der Banken bei öffentlichen Übernahmen nach dem WpÜG in Deutschland
Von Dr. Volker Land und Dr. Stephan Schulz
Eine wichtige, doch oftmals wenig beachtete Rolle nehmen Banken bei öffentlichen Angeboten nach dem WpÜG ein. Wenngleich das Maß, in dem die Transaktionsbeteiligten auf Unterstützung von Banken zurückgreifen, von Fall zu Fall unterschiedlich ist, erfüllen Banken sowohl aufseiten des Bieters als auch aufseiten der Zielgesellschaft zentrale Funktionen.
Daher ist die Feststellung, dass der Markt für öffentliche Übernahmen ohne Banken nicht funktionieren würde, durchaus berechtigt. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Aufgaben, die im Rahmen von Public-M&A-Transaktionen typischerweise von Banken übernommen werden bzw. zwingend übernommen werden müssen.
Bieterseite
Die Tätigkeit der Banken auf Bieterseite lässt sich in die Bereiche Beratung, Abwicklung und Finanzierung unterteilen.
Beratung, insbesondere Angebotsstrukturierung
Als Berater des Bieters im Hinblick auf die Angebotsstruktur oder -finanzierung agieren Banken nicht in ihrer Funktion als regulierte Institute. Vielmehr konkurrieren sie insoweit mit Corporate-Finance-Beratungen und anderen Playern im Übernahmemarkt. Beratungsbedarf besteht auf der Bieterseite vor allem im Vorfeld und in der Frühphase des Angebotsprozesses, bei der Identifikation und Bewertung der Zielgesellschaft, der Analyse der Marktverhältnisse und der Strukturierung des Angebots. Mit ihrer Beratung zu diesen Fragen sind sie maßgeblich an der Entwicklung der Übernahmestrategie des Bieters beteiligt.
Finanzierung, insbesondere Abgabe der Finanzierungsbestätigung
Banken sind regelmäßig auch in die Finanzierung des Angebots involviert. Das betrifft einerseits klassische Aufgaben der Unternehmensfinanzierung wie die Kreditgewährung oder das Arrangieren von Konsortialkrediten oder Kapitalmarktfinanzierungen wie Anleihe- oder Aktienemissionen. Diese Aufgaben entfallen, wenn der Bieter in der Lage ist, die Transaktion ohne externe Finanzierungsmaßnahmen umzusetzen, also mit vorhandenen eigenen Mittel oder durch eine Konzernfinanzierung.
Zudem sieht das WpÜG bei Barangeboten die Beteiligung eines unabhängigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens (Das WpÜG gebraucht diesen Begriff im gleichen Sinne wie § 2 Abs. 10 WpHG. Er umfasst inländische Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG sowie ausländische Institute mit Sitz in einem Staat des europäischen Wirtschaftsraums gem. § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG) zwingend vor. Der Bieter muss für die Billigung der Angebotsunterlage gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 WpÜG die Bestätigung beibringen, dass er die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Geldleistung zur Verfügung stehen (sog. Finanzierungsbestätigung).
Der Aussteller einer Finanzierungsbestätigung nimmt im Pflichtengefüge des WpÜG eine Kontrollfunktion wahr. Primär trifft den Bieter gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpÜG eine Finanzierungsverantwortung; er hat die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass ihm die zur vollständigen Erfüllung des Angebots notwendigen Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zur Verfügung stehen. Der Aussteller der Finanzierungsbestätigung hat sich jedoch zu vergewissern, ob (i) der Bieter hinreichende Finanzierungsmaßnahmen getroffen hat, (ii) diese bis zum Vollzug Bestand haben und (iii) sie gewährleisten, dass der Bieter die Gegenleistung rechtzeitig und in voller Höhe erbringen kann. In diesem Rahmen hat der Aussteller die vom Bieter getroffenen Maßnahmen in tatsächlicher sowie rechtlicher Hinsicht zu hinterfragen, wobei der insoweit erforderliche Aufwand von der konkreten Art der Gegenleistung abhängt. Soll das Angebot durch beim Bieter vorhandene Mittel erfüllt werden, sind deren Bestand und ihre Verfügbarkeit bis zum erwarteten Vollzugsdatum zu verifizieren. Das ist ohne großen Aufwand möglich, wenn die Mittel auf einem beim Aussteller geführten Sperrkonto verfügbar sind und nicht ohne dessen Zustimmung anderweitig verwendet werden können. Bei komplexeren Finanzierungsarrangements (insb. bei notwendigen Kapitalmaßnahmen) sind hingegen komplexere Prüfungen erforderlich, zu deren Durchführung die Aussteller in der Regel externen Rechtsrat einholen.
Die Finanzierungsbestätigung ist gem. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 WpÜG in die Angebotsunterlage aufzunehmen. Üblicherweise wird eine Kopie der Bestätigung als Anlage beigefügt. Der Aussteller haftet, wenn der Bieter entgegen der Finanzierungsbestätigung die notwendigen Maßnahmen nicht getroffen hat und ihm zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Geldleistung aus diesem Grunde die notwendigen Mittel nicht zur Verfügung stehen (§ 13 Abs. 2 WpÜG).
Wertpapiertechnische Abwicklung des Angebots
Zwingend erforderlich ist die Einschaltung einer Bank auf Bieterseite als Abwicklungsstelle. In diesem Rahmen übernimmt die Bank die wertpapiertechnische Abwicklung des Angebots, welche vor allem die Entgegennahme der zur Annahme eingelieferten Aktien und die Auszahlung der Gegenleistung an die Depotbanken zur Weiterleitung an die das Angebot annehmenden Aktionäre im Rahmen des Settlement umfasst. Auch schon in früheren Phasen nimmt die Abwicklungsstelle wichtige Aufgaben wahr, wie die Koordination der Information der Aktionäre über ihre Depotbanken, die Erstellung von technischen Richtlinien für die Abwicklung und die Sicherstellung der Handelbarkeit der Aktien, für die das Angebot angenommen wurde, bis zum Settlement des Angebots. Bei Share-for-Share-Angeboten treten weitere Aufgaben hinzu, insbesondere die Übernahme der Rolle des Umtauschtreuhänders. Häufig ist dieselbe Bank als Abwicklungsstelle tätig, die auch die Ausstellung der Finanzierungsbestätigung übernimmt. In dem Zeitraum von Anfang 2016 bis Mitte 2024 war dies bei 109 von 192 öffentlichen Angeboten (entspricht 56,77 %) der Fall.
Zielgesellschaftsseite
Auf der Seite der Zielgesellschaft treten Banken gewöhnlich in zwei Funktionen auf.
Beratung
Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben oftmals Beratungsbedarf hinsichtlich des Umgangs mit dem Angebot, der über die rechtliche und strategische Einschätzung der Offerte hinausgeht. In besonderem Maße betrifft dies unabgestimmte oder sogar feindliche Übernahmeversuche. In diesen Szenarien stellt sich die Frage nach möglichen Abwehrstrategien, in deren Rahmen durchaus Maßnahmen mit Kapitalmarktbezug getroffen werden können, wie etwa die Platzierung von Aktien oder Wandelschuldverschreibungen an das Publikum oder an einen freundlich gesonnenen Investor („Weißer Ritter“). Hier können Banken in einer Beraterrolle wichtige Beiträge zum Erfolg der Strategie leisten.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tätigkeit von Banken im Rahmen der Übernahmeprophylaxe. Tritt ein Bieter mit der Absicht, ein Übernahmeangebot abzugeben, erst einmal an die Zielgesellschaft heran, wird die Zeit für eine angemessene Reaktion erfahrungsgemäß knapp. Das gilt spätestens mit der Bekanntgabe der Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots gem. § 10 WpÜG (10er-Mitteilung), mit der für die Handlungen des Bieters und der Zielgesellschaft das starre zeitliche Korsett des WpÜG gilt. Ferner unterliegt der Vorstand von diesem Zeitpunkt an dem übernahmerechtlichen Neutralitätsgebot gem. § 33 WpÜG, das Handlungen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte, nur unter weiteren Voraussetzungen erlaubt. Für potenzielle Übernahmekandidaten ist es daher sinnvoll, bereits im Vorfeld der Offerte die wesentlichen Zuständigkeiten innerhalb der Zielgesellschaft, die zu beteiligenden Berater sowie die ersten Schritte hinsichtlich interner und externer Kommunikation im Fall der Fälle festzulegen. Zu diesem Zweck empfiehlt sich das Aufstellen eines sog. Defense Manual, in dem derartige Festlegungen getroffen werden. Da nach der Ansprache bzw. Veröffentlichung der 10er-Mitteilung die (vorläufige) Einschätzung von Vorstand und Aufsichtsrat zur Angemessenheit des Angebotspreises, insbesondere für die dazu erforderliche Kommunikation, von zentraler Bedeutung ist, sollte auch eine Bank oder ein Corporate-Finance-Berater in die Erstellung des Defense Manual eingebunden werden. Durch diese frühzeitige Einbindung kann im Bedarfsfall schnell eine belastbare Einschätzung zur Angemessenheit der Gegenleistung bereitgestellt werden, sodass die Organe der Zielgesellschaft adäquat auf das Angebot reagieren können.
Angebotsbewertung, insbesondere Ausstellung einer Fairness Opinion
Die zweite klassische Rolle bankenseitiger Beratung der Zielgesellschaft liegt bei der Unterstützung bei der Bewertung der finanziellen Angemessenheit der vom Bieter angebotenen Gegenleistung. Die Zielgesellschaft zieht zu diesem Zweck eine Investmentbank hinzu, die auf Basis einer von ihr durchgeführten kapitalmarktorientierten Bewertung der Zielgesellschaft eine Fairness Opinion ausstellt, auf die Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft ihre Stellungnahme zum Angebot stützen. Auch die Abgabe einer Fairness Opinion ist, wie die Beratung auf Bieterseite, keine Aufgabe, die eine Bank aufgrund ihrer regulatorischen Stellung wahrnimmt. Sie konkurriert hier ebenfalls mit nicht regulierten Corporate- Finance-Beratern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Vor allem in sehr komplexen Fällen oder bei potenziellen Interessenkonflikten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat werden sogar mehrere Fairness Opinions eingeholt. In dem Zeitraum von Anfang 2016 bis Mitte 2024 war dies bei 34 von 192 öffentlichen Angeboten (entspricht 17,71 %) zu beobachten. Die durchschnittliche Marktkapitalisierung zum Angebotspreis (MKA) dieser 34 Angebote beträgt EUR 4.865,70 Mio. Die Einholung einer Fairness Opinion ist gesetzlich nicht zwingend vorgesehen, gleichwohl gehört sie jedenfalls bei größeren Transaktionen am Übernahmemarkt mittlerweile zum Standard. Lediglich bei 68 von 192 Transaktionen (entspricht 35,42 %) wurde im Zeitraum von Anfang 2016 bis Mitte 2024 auf die Einholung von Fairness Opinions verzichtet.