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Lieferzeiten: Umweltbonus unsicher

14.04.2022

Die Automobilbranche erlebt aktuell einen Umbruch. Die Entwicklungen der letzten Jahre sowie stetig steigende Spritpreise und attraktive staatliche Förderungen haben Elektrofahrzeuge zunehmend attraktiver gemacht und zu einem Umdenken in der Bevölkerung geführt.

Aufgrund anhaltender Lieferengpässe sieht sich die Automobilindustrie derzeit jedoch sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Die ohnehin bestehende Rohstoffknappheit wird durch den derzeitigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie beinahe täglich neue Sanktionen gegen Russland zunehmend verschärft und führt dazu, dass Lieferzeiten für Neufahrzeuge teils schon in Jahren angegeben werden. Zugleich läuft die staatliche Förderung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in Form der sog. Innovationsprämie am 31.12.2022 aus. Kunden, Händler und Hersteller sehen sich daher mit einer Situation konfrontiert, in der aufgrund zunehmend langer Lieferzeiten nicht klar ist, ob die Innovationsprämie für ein nun bestelltes Neufahrzeug noch rechtzeitig beantragt werden kann. Zunehmend rücken nun auch Fragen zur Rechtslage in den Vordergrund, wenn Kunden aufgrund langer Lieferzeiten eine staatliche Förderung möglicherweise nicht oder nicht mehr in der geplanten Höhe erhalten.

Die Innovationsprämie kann für neue Hybrid- und Batterieelektrofahrzeuge sowie für Brennstoffzellenfahrzeuge beantragt werden, die bis zum 31.12.2022 erstmalig zugelassen wurden. Der Antrag ist bis zum 31.12.2022 zu stellen. Die aktuelle Bundesregierung hat sich lange Zeit nur zurückhaltend geäußert und offengelassen, ob und wie die Innovationsprämie sowie andere Begünstigungen über das Jahr 2022 hinaus gewährt werden. Wie eine Neuausrichtung der Innovationsprämie aussehen wird, war bisher völlig offen. Nun hat Bundeswirtschaftsminister Habeck angekündigt, dass die Umweltprämie für Plug-in-Hybride nach dem 31.12.2022 vollständig entfallen und auch der Umweltbonus für reine Elektrofahrzeuge sinken soll. Dabei soll der maßgebliche Zeitpunkt – entgegen Forderungen aus der Automobilbranche – weiterhin die Zulassung des Fahrzeugs und nicht etwa der Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Endkunden sein.

Sowohl für Hersteller als auch für Händler stellen sich vor diesem Hintergrund vielfältige rechtliche Fragestellungen. Ja nach Einzelfall und Vertragsgestaltung stellt sich die Frage, wer das Risiko langer Lieferzeiten in Bezug auf staatliche Fördermittel trägt und ob möglicherweise sogar der Händler oder der Hersteller für entgangene Fördermittel einstehen muss. Unter Umständen können Lieferverzögerungen auch zum Rücktritt berechtigten. Insofern rückt auch die Frage, ob die Parteien bei absehbaren Lieferschwierigkeiten an ihren Verträgen festhalten müssen bzw. können, zunehmend ebenso in den Vordergrund wie die Frage, ob und in welchem Umfang der Kunde bei Abschluss des Kauf- oder Leasingvertrages oder bei bereits getätigten Bestellungen auf das Risiko, bei einer Lieferung nach dem 31.12.2022 keine oder nur noch eine geringere staatliche Förderung zu erhalten, hingewiesen werden muss.

Da eine Entspannung der aktuellen Lage nicht in Sicht ist, sind Hersteller wie Händler gut beraten, derartige Fragestellungen sowohl im Rahmen ihres Angebots als auch bei der Gestaltung ihrer Verträge zu berücksichtigen, um die entscheidenden Weichen möglichst früh zu stellen und Rechtsunsicherheiten im Tagesgeschäft zu vermeiden.