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Das Recht auf Reparatur ist beschlossen – Hersteller und Einführer in der Pflicht

12.07.2024

Am 10. Juli 2024 wurde im Amtsblatt der EU die neue europäische Richtlinie (EU) 2024/1799 über das Recht auf Reparatur für Verbraucherprodukte veröffentlicht (zum Richtlinienentwurf sehen Sie bereits unseren Beitrag „Richtlinienentwurf zum Recht auf Reparatur vorgestellt“).

Der neue Rechtsakt soll als Teil des „Green Deal“-Projektes der EU-Kommission einen signifikanten Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und damit zu einem ressourcenschonenderen Umgang im Rahmen von Verbraucherprodukten leisten.

Den paradigmatischen Fokus der Regelung bildet dabei die neu eingeführte Pflicht des Herstellers zur Reparatur der von ihm vermarkteten Produkte außerhalb der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften. Die zweite Säule der Neuregelung zielt drauf ab, die Reparatur durch den Verkäufer als Abhilfemaßnahme im Rahmen des bestehenden Gewährleistungsrechts zu fördern. Für Hersteller ist aufgrund der neuen Vorgaben mit teils erheblichem finanziellen sowie logistischem Aufwand zu rechnen.

Verpflichtung zur Gerätereparatur auch außerhalb laufender Gewährleistung

Im Mittelpunkt der Richtlinie steht die in Art. 5 Abs. 1 statuierte, neuartige Verpflichtung des Herstellers zur Reparatur von Produkten auf Verlangen des Verbrauchers. Vorausgesetzt wird, dass es sich hierbei um Produkte handelt, an die die Union in den in Anhang II aufgeführten Rechtsakten bereits Anforderungen an die Reparierbarkeit festgelegt hat. Hierunter fallen aktuell insbesondere Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Haartrockner oder Kühlschränke. Auch Geräte mit einer typischerweise kurzen Nutzugsdauer wie Smartphones und Tablets sind erfasst.

Die Reparatur muss vom Hersteller zwar nicht kostenlos, jedoch zu einem angemessenen Preis angeboten werden. Auch muss sie innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolgen, wobei dem Verbraucher während dieses Zeitraumes eine Ersatzware als Leihgabe zur Verfügung gestellt werden kann, jedoch nicht muss.

Die Reparaturleistung wird durch die Richtlinie nicht auf den Hersteller beschränkt. Zum einen darf sich der Hersteller selbst zur Erfüllung seiner Pflicht eines Dritten bedienen, zum anderen soll der Verbraucher selbst in die Lage versetzt werden, den Reparaturbetrieb frei zu wählen. Um die faktischen Gegebenheiten hierfür zu schaffen, wird dem Hersteller untersagt, Hardware- oder Softwaretechnik zu verwenden, welche einer Reparatur durch Dritte entgegensteht. Darüber hinaus wird ihm auferlegt, die für eine Reparatur notwendigen Informationen Dritten zur Verfügung zu stellen. Eine Reparatur darf durch den Hersteller auch nicht allein deshalb verweigert werden, weil zuvor bereits ein Dritter eine Reparatur durchgeführt hat.

Zu beachten ist wie immer, dass unter den Begriff des Herstellers auch fällt, wer ein von einem Dritten hergestelltes Produkt lediglich unter seinem Namen oder seiner Marke vermarktet.

Für Hersteller außerhalb der EU sind Bevollmächtigte und Einführer in der Pflicht

In Bezug auf Hersteller, die keinen Sitz in der EU haben, statuiert die Richtlinie in Art. 5 Abs. 3 ein abgestuftes System der Zuständigkeit zur Erfüllung der Reparaturpflicht. Vorrangig wird der Bevollmächtigte des Herstellers von der Norm adressiert. Sollte auch ein solcher innerhalb der Union nicht existieren, wird der Importeur in die Pflicht genommen. In letzter Instanz trifft die Verpflichtung den Vertreiber der betreffenden Ware innerhalb der EU.

Anpassungen im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht

Geändert wurde durch die Richtlinie – neben der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie (EU) 2020/1828 – insbesondere die Richtlinie (EU) 2019/771. Durch punktuelle Änderungen im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht soll hiermit die Reparatur als bevorzugte Abhilfemaßnahme bei innerhalb des 2-jährigen Gewährleistungszeitraumes auftretenden Sachmängeln etabliert werden.

Zur Förderung dieses Ziels soll künftig die fehlende Reparierbarkeit einer Sache einen Mangel derselben begründen. Insoweit noch unklar ist allerdings, ob auch für vollkommen funktionsfähige Produkte, welche im Falle eines Defektes nicht reparierbar wären, Sachmängelansprüche geltend gemacht werden können. Der Zweck der Richtlinie jedenfalls würde durch die in Konsequenz vorzunehmende Nachlieferung konterkariert.

Darüber hinaus soll nach erfolgter Reparatur die Gewährleistungsfrist um weitere zwölf Monate verlängert werden. Dies muss allerdings unter dem Blickwinkel betrachtet werden, das ohnehin bis dato in einer Reparatur – sofern diese nicht aus Kulanz erfolgte – ein Anerkenntnis, welches zu einem Neubeginn der Verjährung führte, gesehen wurde.

Informationspflichten und Entscheidungshilfen für Verbraucher

Die neue Richtlinie verfolgt mit zahlreichen Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher das Ziel, faktische Hindernisse zu beseitigen, die einer Reparaturentscheidung des Verbrauchers entgegenstehen könnten.

  • Hersteller müssen Verbraucher über die Reparaturpflicht sowie über die typischerweise für eine Reparatur berechneten Preise informieren.
  • Bis zum 31. Juli 2027 wird von der Kommission eine Europäische Online-Plattform für Reparaturen entwickelt, über die sich Verbraucher Informationen zu Reparaturbetrieben wie Standorte von Reparaturdienstleistungen und Reparaturbedingungen verschaffen können.
  • Ein Europäisches Formular für Reparaturbasisinformationen wird eingeführt. Dieses Formular können Hersteller verwenden, um Verbrauchern in standardisierter Form die erforderlichen Informationen bereitzustellen.

Auswirkungen des Rechts auf Reparatur für die betroffenen Unternehmen

Auch wenn die Reparatur nicht kostenlos angeboten werden muss, kommen nicht unerhebliche finanzielle Belastungen sowie ressourcenbindende Vorhaltemaßnahmen auf die Industrie zu. Zur Reparatur bereits ausgelisteter Produkte müssen Ersatzteile für lange Zeit vorgehalten werden. Nicht immer wird dieser wirtschaftliche Aufwand in Relation zu Komplexität und Marktwert des Produktes stehen (sehen Sie hierzu auch den Abstract des Interviews mit Prof. Dr. Klindt „Recht auf Reparatur“.) Zugleich werden Reparaturen in dem vom Gesetzgeber erwünschten Maße zu einen Absatzrückgang bei Neuprodukten führen.

Hersteller und Importeure werden abzuwägen haben, inwieweit es für sie aus wirtschaftlicher Sicht lohnender ist, die Infrastruktur für Reparaturen selbst vorzuhalten oder ihrer Pflicht zur Reparatur durch Verträge mit Dritten nachzukommen.

Die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland soll – einschließlich Festlegung der Sanktionen bei Verstößen – bis spätestens 31.07.2026 erfolgen

Betroffene Unternehmen sollten frühzeitig den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur vorantreiben und die Voraussetzungen für die Vorhaltung von Ersatzteilen und die Verfügbarkeit von Reparaturinfomationen schaffen.

Angesichts der erheblichen Aufwendungen, die die Umsetzung der Richtlinie von der Industrie fordert, bleibt zu hoffen, dass diese jedenfalls in puncto Umweltschutz ihre erklärten Ziele erreicht.

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