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BGH bestätigt Berücksichtigung von „negativen Zinsen“ bei Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigung

29.04.2024

In einem mit Spannung erwarteten Urteil (XI ZR 159/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die gängige Praxis zur Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen bestätigt. Kreditinstitute können die ihnen durch die vorzeitige Ablösung von Immobiliar-Darlehensverträgen entstandenen Schäden auf der Basis des jeweiligen Zinsumfeldes berechnen und zwar auch dann, wenn das relevante Zinsumfeld negativ ist.

Hintergrund

Ausgangspunkt des Urteils ist § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB. Danach ist der Darlehensnehmer verpflichtet, dem Kreditinstitut den Schaden zu ersetzen, der aus der vorzeitigen Kündigung eines grundpfandrechtlich besicherten Darlehensvertrages entsteht (sog. Vorfälligkeitsentschädigung).

Das Kreditinstitut hat zwei Methoden zur Auswahl, den Schaden zu berechnen: Zum einen die sog. Aktiv-Aktiv-Methode, bei der davon ausgegangen wird, dass die vorzeitig zurückgewährte Darlehensvaluta als festverzinslicher Grundpfandkredit neu ausgereicht wird. Zum anderen die sog. Aktiv-Passiv-Methode, bei der der ersatzfähige Schaden in der abgezinsten Differenz zwischen den ursprünglich geschuldeten Zinsen und der Rendite besteht, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in sichere Kapitalmarkttitel ergibt (gekürzt um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten).

Vor dem Urteil des BGH war umstritten, wie mit dem Problem umzugehen ist, dass sich für die einschlägigen Kapitalmarkttitel am Markt negative Wiederanlagezinsen gebildet hatten. Ein Teil der Instanzrechtsprechung befürwortete eine Berücksichtigung „negativer Zinsen“, ein anderer Teil lehnte sie ab.

Argumente des BGH für die Berücksichtigung „negativer Zinsen“

Der BGH gibt den Befürwortern recht. Maßgeblich sind für den BGH die bereits bisher geltenden Grundsätze, wonach das Kreditinstitut seinen Zinsverschlechterungsschaden fiktiv auf der Basis einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefe berechnen darf (Rn. 17 f. des Urteils). Dieser Ausgangspunkt gilt nach Ansicht des BGH unabhängig vom jeweiligen Zinsumfeld (Rn. 18 des Urteils). Das überzeugt, weil damit die maßgeblichen rechtlichen Grundsätze unabhängig von – seitens der Parteien des Darlehensvertrages ohnehin nicht zu beeinflussenden – tatsächlichen Entwicklungen gelten.

Explizit wendet sich der BGH dabei gegen die Überlegung, die von der tatsächlichen Wiederanlage losgelöste – abstrakte – Schadensberechnung verstoße jedenfalls bei einer negativen Rendite gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot. Auch hier betont der BGH, dass die für den „Normalfall“ entwickelten Grundsätze gelten. Nach diesen darf das Kreditinstitut seinen Schaden abstrakt berechnen, weil die Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung andernfalls durch praktisch nicht erfüllbare Beweisanforderungen vereitelt würde (Rn. 20 f. des Urteils).

Einordnung und Ausblick

Mit dem Urteil schafft der BGH für eine Vielzahl von Altfällen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Die andernfalls wohl zu erwartende Welle von Erstattungsbegehren wird damit ausbleiben. Da ein negatives Zinsumfeld auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, hat das Urteil für künftig gekündigte Immobiliar-Darlehensverträge zwar keine direkte Bedeutung. Allerdings unterstreicht das Urteil, dass der BGH auch für die Zukunft an etablieren Grundsätzen der Schadensberechnung festhalten und von diesen nicht leichtfertig abweichen wird.