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Arbeitsschutz richtig delegieren – oder zu viele Köche verderben den Brei

16.02.2023

Adressat des Arbeitsschutzes ist der Arbeitgeber. In der Praxis wird jedoch häufig von der gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit zu beauftragen, dem Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die arbeitsschutzrechtliche Verantwortlichkeit geht dann im entsprechenden Umfang auf diesen Arbeitsschutzbeauftragten über. Hierbei passieren in der betrieblichen Praxis allerdings häufig Fehler. Insbesondere ist es mit einer „Formalbeauftragung“ nicht getan, wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Entscheidung v. 13.07.2021 – I-7 U 41/20) erneut deutlich macht.

Entscheidung des OLG Hamm

Das Unternehmen hatte sich im entschiedenen Fall nicht die Mühe gemacht, einen oder ggf. mehrere Mitarbeiter aufgrund ihrer Fachkunde und Zuverlässigkeit zu Arbeitsschutzbeauftragten zu bestellen (§ 13 Abs. 2 ArbSchG), sondern pauschal sämtliche Gesellen zu Teamleitern ernannt, die nach der allgemein gehaltenen Stellenbeschreibung für die eigene und die Sicherheit der Mitarbeiter verantwortlich sein sollten. So einfach geht es nicht, wie das OLG Hamm urteilte:

„[…]. Dieses „Teamleiter-Konzept“ konterkariert aber geradezu die gesetzlichen Vorgaben; denn diese werden durch dieses System bewusst umgangen. So wird gerade im Zuge der Aufgabendelegation keine Auswahlentscheidung getroffen, sondern unterstellt, es gebe nur zuverlässige und fachkundige Personen im Unternehmen in Gestalt jedes Gesellen. Das ist jedenfalls in der gelebten Beliebigkeit nicht tragfähig; denn es war bei Einsatz mehrerer Gesellen auf einer Baustelle, wie der vorliegende Fall zeigt, systembedingt völlig offen, wer dann für den Arbeitgeber die Verantwortung hatte und auch wahrnahm. […]. Diese mangelhafte Organisation durch den [Arbeitgeber] barg gerade die Gefahr, dass sich von mehreren gleichberechtigten Gesellen, die alle für ihre eigene Sicherheit und die ihrer Mitarbeiter verantwortlich sein sollten, einander gegenüber aber nicht weisungsbefugt waren, letztlich keiner verantwortlich fühlte. Wenn mehrere gleichberechtigte Gesellen vor Ort sind, von denen keiner „den Hut aufhat“, erhöht dies nicht die Sicherheit, sondern schwächt sie.“

Rechtsfolgen einer (unwirksamen) Delegation

Die wirksame Delegation von bestimmten arbeitsschutzrechtlichen Pflichten führt dazu, dass die Verantwortlichkeit auf den Arbeitsschutzbeauftragten übergeht – dieser kann Adressat arbeitsschutzbehördlicher Anordnungen sein. Gleichzeitig wandelt sich die originäre Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitsschutz zu organisieren, in eine Aufsichts- und Kontrollpflicht in Bezug auf den Arbeitsschutzbeauftragten. Ist die Delegation hingegen nicht wirksam erfolgt, bleiben der Arbeitgeber und dessen Organe nach § 13 Abs. 1 ArbSchG verantwortlich. Sie haften für die Erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben insbesondere gemäß dem Arbeitsschutzgesetz gegenüber der zuständigen Behörde.

Doch eine Haftung droht noch von anderer Seite: Hält der Arbeitgeber eine nur unzureichende Arbeitsschutzorganisation vor, die – wie im Fall des OLG Hamm – als grob fahrlässig zu bewerten ist, kann die Berufsgenossenschaft ihn und seine Organe gemäß § 110 SGB VII in Regress nehmen. Möchte der Geschäftsführer bzw. der Vorstand eine Haftung vermeiden, empfiehlt sich zunächst eine ordnungsgemäße Delegation an einen oder mehrere bestimmte(n), mit nachvollziehbarer Begründung ausgewählte(n) Arbeitsschutzbeauftragte(n) und dann eine fortlaufende Überwachung dieses/r Arbeitsschutzbeauftragten.

Anforderungen an eine wirksame Delegation

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (Entscheidung v. 23.6.2016 – 2 C 18/15) hat klargestellt, dass hinreichend bestimmt sein muss, welche arbeitsschutzrechtlichen Pflichten auf welchen Arbeitsschutzbeauftragten übertragen werden und dass dieser Arbeitsschutzbeauftragte über die zur Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben erforderlichen Fachkunde verfügen muss.

Praxishinweise

In der schriftlichen Bestellung eines Arbeitsschutzbeauftragten sollte im Detail festgelegt werden, was zu seinen Aufgaben gehört, welche Weisungsbefugnis er in Bezug auf diese Aufgaben gegenüber anderen Mitarbeitern hat und wer den Arbeitsschutzbeauftragten im Falle von Krankheit und Urlaub vertritt – Verantwortlichkeiten müssen klar definiert sein. Gleichzeitig sollten Unternehmen ein Kontrollsystem etablieren, dass den oder die Arbeitsschutzbeauftragten überwacht.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt einmal mehr, dass Unternehmen Arbeitsschutz-Compliance nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Denn im Falle einer Schädigung von Mitarbeitern droht nicht nur eine Haftung des Unternehmens, sondern auch eine persönliche Haftung von Geschäftsführern und Vorständen.