Update zum Präventiven Restrukturierungsrahmen: Ein deutsches vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren kommt
- EU-Richtlinie zum vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren verabschiedet.
- Deutschland hat nun zwei Jahre Zeit, die Regelungen in einem deutschen Gesetz umzusetzen.
Richtlinie der Europäischen Union zu präventivem Restrukturierungsrahmen verabschiedet
Der Rat der Europäischen Union stimmte am 06.06.2019 mit der erforderlichen Mehrheit für die Annahme der Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen. Der von der Europäischen Kommission bereits im November 2016 vorgelegte Entwurf der Richtlinie wurde zuvor intensiv zwischen der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat beraten, was in den einzelnen Mitgliedstaaten unter großer Öffentlichkeitsbeteiligung begleitet wurde. Der zunächst sehr straffe Zeitplan verzögerte sich durch die Verhandlungen etwas und zunächst schien es, als müssten sich deutsche Unternehmen doch noch länger gedulden, bis sie ein solches deutsches Sanierungsverfahren zur Vermeidung einer späteren Insolvenz nutzen können.
Mit der Annahme durch den Rat ist das europäische Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Für die Umsetzung hat der deutsche Gesetzgeber nun zwei Jahre Zeit.
Fehlen eines deutschen vorinsolvenzlichen Verfahrens wird zum Teil kritisiert
Wenn es nach deutschen Experten ginge, kann die Umsetzung nicht schnell genug gehen. Das Fehlen eines vorinsolvenzlichen Verfahrens wurde zunehmend kritisiert (wir hatten berichtet). Demgegenüber zeigten die Ergebnisse der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Evaluation des ESUG ein anderes Bild. Hiernach seien die bestehenden deutschen Regelungen ausreichend. Das Forscherteam empfiehlt jedenfalls, das einheitliche (aus §§ 270a und b InsO verschmolzene Verfahren) klar von dem nun zwingend einzuführenden vorinsolvenzlichen Verfahren abzugrenzen und sicherzustellen, dass bei Insolvenzreife auch zwingend immer ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird.
Vorteile für schuldnerische Unternehmen und Gläubiger
Sinn und Zweck des vorinsolvenzlichen Verfahrens ist es vor allem, „Akkordstörer“ zu verhindern, die Ihre Rechtsposition dafür nutzen, eine im Interesse aller Gläubiger sinnvolle Sanierung zu blockieren bis ihnen Sondervorteile versprochen werden. An die Stelle des Einstimmigkeitsprinzips soll ein Mehrheitsprinzip treten, das bislang nur in einer vollumfassenden Insolvenz und bei Anleihegläubigern nach dem deutschen Schuldverschreibungsgesetz gesetzlich vorgesehen ist. Gerade das Beispiel der Anleihegläubiger legt aber nahe, dieses Prinzip auch für andere Gläubigergruppen, z.B. große Bankkonsortien, verfügbar zu machen.
Das Verfahren nach der Richtlinie unterscheidet sich hauptsächlich in den folgenden Punkten von einem regulären Insolvenzverfahren:
- Es setzt vor der materiellen Insolvenz an, sodass weder erforderlich ist, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, noch dass bereits Überschuldung eingetreten ist. Das Verfahren hat gerade das Ziel, eine Insolvenz abzuwenden.
- Es kann auf einzelne Gläubigergruppen beschränkt werden, die durch Mehrheitsentscheidung gebunden werden.
- Das Verfahren kann nur zu einer finanziellen Restrukturierung genutzt werden, wobei operative Restrukturierungsmaßnahmen außerhalb des Verfahrens möglich sind.
Außerdem wird das Verfahren immer in Eigenverwaltung durchgeführt und ein Restrukturierungsverwalter ist optional. Es gibt auch keine Unterteilung in ein vorläufiges und ein eröffnetes Verfahren. Am Ende des Verfahrens steht ein von der betroffenen Gläubigergruppe mit Mehrheitsbeschluss angenommener und vom Gericht bestätigter Restrukturierungsplan, der im Idealfall die Insolvenz der Gesellschaft verhindert.
Bislang waren schuldnerische Unternehmen, die ein solches Verfahren für ihr Unternehmen für sinnvoll erachteten, um eine reguläres Insolvenzverfahren mit allen nachteiligen Folgen für den laufenden Geschäftsbetrieb zu vermeiden (bekanntes Beispiel aus jüngerer Zeit: der Parkraumbewirtschafter APCOA), gezwungen, in ausländische Jurisdiktionen, meist nach Großbritannien auszuweichen. Das aber ist sehr aufwendig und teuer und nur für große Unternehmen überhaupt denkbar. Es wäre in vielen Fällen daher hilfreich, wenn das deutsche Sanierungsrecht diese weitere Sanierungsmöglichkeit zum Erhalt von Unternehmen mit gesundem Geschäftsbetrieb aber ungesundem Verschuldungsgrad zur Verfügung stellt.